Interview

Sven Plate: ‚Darunter leidet die Qualität und die gesamte Branche‘

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Die Studios versuchen die Lohnkosten für eine ordentliche Synchron zu senken, jetzt soll auch noch künstliche Intelligenz zu einem Ausverkauf der Stimmen sorgen. Die Branche sieht das mit Entsetzen.

Herr Plate, die Synchronbranche steht unter Druck: Immer mehr Aufträge brechen weg, und die Bezahlung bleibt mit rund 3,50 Euro pro Take weiterhin auf niedrigem Niveau. Wie nehmen Sie die aktuelle Situation wahr?
Es gibt verschiedene Probleme, die unsere Branche unter Druck setzen: die drohende und bereits langsam beginnende KI-Synchronisation, ein insgesamt schwaches wirtschaftliches Umfeld, das die großen Streaming-Anbieter ihre Neuerscheinungen deutlich reduzieren lässt und die in der Boomzeit stark wachsende Zahl an Synchronschauspielern, Cuttern, Regisseuren etc. die in Krisenzeiten dann natürlich dann überdimensioniert ist.

Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Qualität der Synchronisation? Merken Sie, dass Produktionen unter dem Sparzwang leiden?
Sicherlich gibt es einen finanziellen Druck auf die Synchronfirmen, aber auch alle in diesem Bereich Tätigen. Preise, die jahrelang bezahlt wurden, sind heute teilweise nicht mehr erzielbar, es gibt große amerikanische Filmfirmen, die den Stammsprechern berühmter Schauspieler nicht mehr ihre Gagen zahlen und lieber die Rollen umbesetzen, als dem Sprecher seine angestammte Gage zu bezahlen. Leider kommt es auch zunehmend vor, dass einige Firmen in allen Gewerken Leute beschäftigen, die nicht erfahren genug sind, günstigere Preise nehmen und darunter leidet die Qualität und die gesamte Branche.

Können KI-generierte Stimmen tatsächlich mit menschlicher Schauspielkunst mithalten, oder sehen Sie klare Grenzen?
Ich sehe bisher noch keine KI, die vom künstlerischen Standpunkt die Leistungen einer guten Synchronisation erreicht, vieles klingt eben künstlich, monoton oder die Betonungen werden falsch gesetzt.

Viele Synchronsprecher betonen, dass KI keine echten Emotionen erzeugen kann. Warum setzen Streamingdienste dann auf solche Methoden? Mehrere Testversuche am Publikum gingen ja ziemlich baden…
Ich nehme an, dass Streamingdienste Zeit-und-Geld Vorteile sehen und es werden von den großen Anbietern ja sehr viele Länder und Sprachen bedient, da ist es natürlich verlockend, eine Produktion mit einer KI generierten Synchronisation zu versehen, die dann alle Sprachen abdeckt. Das damit aber nicht die gleiche Qualität erreicht werden kann, dürfte klar sein. In Deutschland fällt das sicher mehr auf als in anderen Ländern, wo es vielleicht auch nicht so eine lange und gute Synchronkultur gibt.




KI kann Stimmen klonen und sogar verstorbene Sprecher „zurückholen“. Halten Sie das für eine bedenkliche Entwicklung, oder kann das auch ein Vorteil für die Branche sein?
Eine schwierige Frage, denn natürlich gibt es ikonische Stimmen, die man kennt und an die man sich gewöhnt hat. Auf der anderen Seite sterben wir alle irgendwann mal, soll man dann immer KI-Stimmen den Job machen lassen?

Werden Sie und Ihre Kollegen in einer Form für den Einsatz mit KI bezahlt?
Uns werden gerade besonders von Gamingfirmen solche Jobs angeboten, die aber meistens nicht angemessen bezahlt werden und man darf ja nicht vergessen, dass damit die Stimme vorhanden ist und immer wieder ohne Vergütung verwendet werden kann. Außerdem kann man Stimm-Morphing betreiben, d.h. aus mehreren Stimmen wird eine neue erstellt, da ist dann auch gar nicht mehr nachvollziehbar, wessen Stimmen das eigentlich waren und natürlich gibt es dafür dann auch keine Gage...

Während Serien und Filme mit KI-Stimmen oft durchfallen, gibt es bereits Möglichkeiten für den Einsatz von KI in der Übersetzung von Dokumentationen, z. B. bei Hulu oder Discovery+. Ist das ein gangbarer Weg?
Ich nehme an, dass Dokumentationen, Audio-Deskriptionen und andere ruhige, gleichmäßige Formate als erstes durch die KI ersetzt werden sollen, wodurch natürlich ein großes Arbeitsfeld wegfallen würde. Oft sind diese Übersetzungen aber noch sehr fehlerhaft. Die Firmen, denen die Qualität nicht egal ist, müssen die Texte also von Menschen kontrollieren und überarbeiten lassen.

Wie sehen Sie die Möglichkeit, KI für automatisierte Rohübersetzungen zu nutzen, die dann von professionellen Sprechern überarbeitet werden?
Es gibt ja jetzt schon KI-Übersetzungen, die aber zumindest in unserem Bereich nicht besonders gut sind, sie können aber sicherlich als Grundlage dienen, den Feinschliff sollten aber weiterhin Menschen erledigen.

Welche Maßnahmen wären notwendig, um die Synchronbranche langfristig zu schützen und fairere Bedingungen für Sprecher zu schaffen?
Der Einsatz von KI zum Erzeugen und Klonen menschlicher Stimmen darf nur mit ausdrückliche Zustimmung der Sprecher:innen erfolgen. Außerdem muss jede geklonte und/oder synthetische Stimme eindeutig gekennzeichnet werden.




Was würden Sie sich von Produzenten und Streaming-Anbietern wünschen, um die Qualität der Synchronisation zu erhalten und nicht nur auf Kosteneffizienz zu setzen?
Die Produzenten und Streaming-Anbieter sollten die Kreativen nicht nur als Kostenfaktor sehen, sondern ihre Arbeit und Kreativität mehr wertschätzen. Für viele Produzenten gehört die Synchronisation zum technischen Bereich der Postproduktion und nicht zum Kreativen.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

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