Stab
Darsteller: Wilson Gonzalez, Gülseren Erkut, Alexander Finkenwirth, Falilou Seck, Eva Weißenborn, Torsten Michaelisnach einer Idee von: Wilson Gonzalez und Martin Waldmann
Drehbuch: Patrick Stenzel, Marleen Valien, Mathis van den Berg, Max Rauer, Biko Erki, Kilian Lieb, Max Rainer, Sebastian Huber
Regie: Folgen 1 bis 4: Marleen Valien, Max Rainer
Kamera: Max Rauer, Joseph Strauch
Und so steht er plötzlich da, zwischen Kühlschranklicht, Tabakregal und Bill Kaulitz. Ja, wirklich – Kaulitz. In Folge 2. Kurzauftritt. Aber erstmal zurück zu Fred, der eigentlich bloß helfen will, bald jedoch in einen Strudel aus Mietforderungen, Spätikultur, Ex-Freundinnen vor Fetischclubs und einem zunehmend eskalierenden Kiez-Widerstand gegen die gentrifizierende Obervermieterin Frau Gröner gerät.
«Späti» ist keine Serie, die sich anstrengend erklären will. Sie lässt die Dinge geschehen, wie sie geschehen: absurd, beiläufig, manchmal sehr komisch und dann plötzlich auch melancholisch. Und genau darin liegt ihre Stärke – aber auch eine kleine Schwäche. Denn so liebevoll die Szenen, so punktgenau viele Dialoge auch geschrieben sind (besonders in den ersten vier Folgen von Marleen Valien), manchmal wünscht man sich, dass die Serie noch ein kleines bisschen mehr will – über das Gewollt-Verplant-Verpeilte hinaus.
Aber vielleicht ist genau das auch Programm: Diese Serie stellt keine Systemfragen, sie stellt Berliner Alltagsfluchten aus. Zwischen romantischem Scherbenhaufen und Supermarkt-Soziotop. Zwischen Schulstress, queerer Annäherung, kapitalistischer Bedrängnis und Kiezverbundenheit. Fast alles spielt sich in oder um diesen einen Späti ab. Und das ist gut. Reduktion statt Reizüberflutung. Die Welt im Miniaturformat. Die Krise im Halblitermaßstab.
Wilson Gonzalez spielt Fred, wie man sich Fred nur vorstellen kann: charmant verwahrlost, mit Restwiderstand gegen die Realität und einer erstaunlich zarten Präsenz. Gülseren Erkut als Aylin ist das Gegenteil – klug, kantig, klar. Zusammen ergibt das ein Duo, das sich nicht gesucht hat, aber irgendwie zusammenfindet.
Das Who-is-Who der Pop- und Mediendisco gibt sich derweil die Klinke in die Hand: Sophie Passmann schaut vorbei, Nikeata Thompson, Fred Rabe, Lisa Vicari, Ines Anioli, Jasna Fritzi Bauer – und man fragt sich: Ist das jetzt noch Serie oder schon das neue «Wetten, dass..?» aus dem Prenzlauer Berg? Die Gastauftritte machen Spaß, keine Frage. Aber sie nehmen der Serie gelegentlich auch den Atem. So als müsse sie sich selbst immer wieder vergewissern: „Guck mal, wir sind cool, oder?“ Ja, seid ihr. Schon okay. Weiter jetzt.
In Folge 8 – so viel darf man vorwegnehmen – brennt schließlich der Späti ab. Natürlich. Irgendwas muss ja am Ende brennen, sonst ist es kein Finale. Und natürlich ist die große Frage: War’s Frau Gröner? War’s Aylin selbst? Oder das System? Oder einfach nur das Berlin, das zu heiß läuft?

«Späti» ist nicht das neue große deutsche Serienwunder, sondern kleiner, sympathischer, verspielter. Das Format will nicht revolutionieren, sondern chillen. Und dabei erzählt es trotzdem vom echten Leben – zumindest von der Version, die sich zwischen Rigaer Straße, Rewe-Angeboten und Reibereien mit dem Ordnungsamt abspielt. Vielleicht fehlt manchmal der narrative Punch. Vielleicht sind nicht alle Folgen gleich stark. Aber «Späti» hat Herz, Humor – und ein paar wirklich gute Zeilen. 7 von 10 Mateflaschen. Bis Späti.
Die Serie «Späti» wird von ZDFneo dienstags ab dem 8. April jeweils ab 21.45 Uhr in Doppelfolgen ausgestrahlt.
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