Die Kritiker

«Das zweite Attentat»

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Wir schreiben das Jahr 2025: Und die Geheimdienste machen Jagd auf eine DVD. Das TV-Event vom Mittwoch und Freitag im Ersten hat definitiv ein Speicherplatzproblem.

Es beginnt wie alles beginnt: ein düsterer Mann, eine traumatisierte Kindheit, eine Mutter, die stirbt, und eine Vergangenheit, die angeblich nie ruht. Alex Jaromin, Fotograf, „gebrochen“, wie es im Drehbuch ganz sicher stand, lebt unter falschem Namen in Athen und hat nur ein Ziel: die Wahrheit über den Tod seines Vaters zu finden. Und was tut er? Er findet… eine DVD. Kein USB-Stick, keine verschlüsselte Dropbox, keine geheimnisvolle AirDrop-Übertragung auf ein iPhone in der Metro – nein, es ist 2025, und wir reden hier über eine glänzende, kreisrunde sogenannte Bagdad-DVD mit streng geheimen Informationen zum Irak-Krieg, die aussieht, als wäre sie aus einem Ü-Ei gefallen. Eine DVD, auf der die Weltverschwörung ruht. Und auf der das ganze deutsche Politkino drapiert wurde wie alte Tapete in einer Altbauwohnung in Mitte.

Willkommen bei «Das zweite Attentat», einem Sechsteiler, der aussieht wie das Kind von «Homeland», «Tatort» und einem Bundeswehr-Imagefilm – nur leider mit dem Charme von gar nichts. Das Ding will groß sein, richtig groß: BND, Irakkrieg, Scharfschützen, Vater-Sohn-Trauma, Doppelidentitäten, internationale Verschwörung, eine Aktivistin mit iranischem Akzent und natürlich: gefährliches Wissen, das gelöscht werden muss. Und was steht im Zentrum dieser internationalen Jagd?

Eine DVD.

Nochmal: eine DVD.

Der Plot-Hole, der sich hier auftut, ist kein Loch – es ist ein Krater. Während Netflix in 8K streamt und Amazon heimlich alle Echo-Gespräche mitschneidet, ist der Dreh- und Angelpunkt dieses Films ein angestaubtes physisches Medium, dessen sich die Antagonisten bemächtigen wollen. Ein Sechsteiler (!) wie eine Büchersendung aus dem Antiquariat.

Und apropos „brennen“: Man möchte beim Zuschauen brüllen: „Macht doch wenigstens einen Screenshot! Oder legt’s in die iCloud, schickt’s über Signal, ladet’s bei WeTransfer hoch – irgendwas!“ Aber nein, stattdessen hechten erwachsene Geheimagenten mit Pistolen durch Europa, weil ein einziger Datenträger plötzlich wieder das geopolitische Gleichgewicht bedroht wie ein Lost Mixtape aus Bagdad.

Doch woran dieses Format sogar noch kläglicher scheitert, ist sein Ton: natürlich viel zu ernst für Trash, den man sicherlich auch nicht gewollt hätte (es geht ja um das große Sicherheitstrauma der Nachkriegszeit – den Irak-Krieg), zu bemüht für Tiefgang. Die Dialoge schwanken dementsprechend zwischen feierlichem Ernst und dramaturgischem Wahnsinn. Es wird gemordet, gedealt, geredet – aber selten geglaubt. Alles wirkt, als wolle man gleichzeitig «The Crown», «Fauda» und «Tatort Istanbul» sein – scheitert aber daran, dass man nicht mal «Tatort Bottrop» richtig hinkriegt.

Noah Saavedra spielt die Hauptrolle okay, Desiree Nosbusch hat mal wieder diese Sphinx-Energie von „Ich weiß alles, aber verrate nichts“, und Jakob Diehl ist wie immer ein Garant für mysteriöse Randfiguren. Aber all das hilft nichts, wenn der Plot wackelt wie ein Windows-98-PC kurz vor dem Update-Absturz.

Manchmal wirkt das Format fast wie Satire auf die eigene Idee: ein Geheimdienst-Thriller, der glaubt, die Wahrheit sei nur dann gefährlich, wenn sie auf 4,7 GB gebrannt wurde. Und man fragt sich: Ist das jetzt Meta? Oder nur unfreiwillig komisch? So entstand ein Filmsammelsurium wie ein schlechter USB-Stick mit Passwortschutz: Man denkt, da ist was drauf – aber was man bekommt, ist eine Fehlermeldung. Und am Ende bleibt nur eine brennende Frage: Warum zur Hölle war das alles auf einer DVD?

Die sechs Folgen von «Das zweite Attentat» werden am Mittwoch, den 9. April und Freitag, den 11. April jeweils ab 20.15 Uhr in Dreifachprogrammierung im Ersten ausgestrahlt. Und bestimmt auch irgendwo auf DVD gebrannt.

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