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«Hinreichend verdächtig»

von

Wenn die Staatsanwaltschaft zum Mikrofon greift - Journalistin Lilli Stegner stellt wichtige Fälle vor.

True-Crime boomt. Ob Netflix-Dokus, YouTube-Analysen oder Podcasts – das Publikum hat scheinbar ungebrochenes Interesse an wahren Verbrechen, psychologischen Abgründen und kriminalistischen Details. Mit «Hinreichend verdächtig» wagt sich nun ein neues Format an das Genre – und bringt dabei eine ungewöhnliche Konstellation ans Mikrofon: Die „Rheinische Post“ kooperiert mit der Staatsanwaltschaft Duisburg, um authentische Kriminalfälle aus der Region aufzubereiten – aber eben nicht nur aus journalistischer Perspektive, sondern auch aus der juristischen Sicht der Anklagebehörde.

In jeder Folge des Podcasts treffen sich ein Gerichtsreporter und ein Vertreter der Staatsanwaltschaft Duisburg, um gemeinsam einen Fall zu analysieren: Was ist passiert? Wie liefen die Ermittlungen ab? Warum wurde Anklage erhoben – und welche rechtlichen Fragen stehen hinter dem Verfahren? Anders als viele gängige True-Crime-Formate will «Hinreichend verdächtig» damit „nicht nur erzählen, sondern auch einordnen“ – und so auch die oft komplexen juristischen Zusammenhänge für Hörerinnen und Hörer verständlich machen.

Die erste Episode mit dem Titel „Das 1,80 Meter Problem“ behandelt einen besonders grausamen Mordfall: Ein Opfer wird acht Tage lang in einer Wohnung festgehalten, bevor es ermordet wird. Die Suche nach dem Motiv führt in eine bedrückende Welt psychologischer Manipulation – und auch die Ermittler, so wird deutlich, hat der Fall emotional schwer getroffen. Bereits hier wird klar: Der Podcast setzt nicht auf reißerische Zuspitzung, sondern auf nüchterne Darstellung und professionelle Reflexion.

Noch aktueller wird es in Folge zwei, in der es um den Fall Mine O. geht. Die junge Frau wurde im September 2019 von ihrem Ehemann in der gemeinsamen Wohnung in Duisburg-Kaßlerfeld erwürgt. Der Fall wird als Femizid eingeordnet – also als Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist. Der Podcast geht nicht nur auf die Tat selbst ein, sondern fragt auch: Was bedeutet dieser Begriff juristisch? Welche Lücken gibt es im Strafrecht? Und wie geht die Gesellschaft mit solchen Verbrechen um?

Es ist genau diese Verbindung aus Kriminalfall, öffentlicher Debatte und juristischer Einschätzung, die «Hinreichend verdächtig» von vielen anderen Formaten abhebt. Die Macher liefern keine voyeuristische Unterhaltung, sondern einen informativen, oft erschütternden Einblick in die Wirklichkeit von Justiz und Verbrechen.

Die Podcast-Stimme gehört der Journalistin Lilli Stegner, die die Gespräche mit klarer Linie führt. Ihre Arbeit bringt eine journalistische Struktur in die Gespräche, während die Staatsanwälte ihr Fachwissen einbringen – eine Symbiose, die aufgeht. Unterstützt wird das Format durch eine unaufdringliche Soundgestaltung und eine Produktion, die eher auf Konzentration als auf Effekte setzt. «Hinreichend verdächtig» ist derzeit auf allen gängigen Plattformen verfügbar – darunter Spotify, Apple Podcasts und Castbox. Die Folgen sind zwischen 45 und 55 Minuten lang und erscheinen im zweiwöchentlichen Rhythmus.

Wer die Nase voll hat von reißerischen Erzählungen, schiefen Mutmaßungen und pseudo-psychologischen Analysen, wird bei «Hinreichend verdächtig» fündig. Der Podcast punktet mit Fachwissen, regionalem Bezug und einem klaren pädagogischen Anspruch: Hier wird Justiz erklärt – anhand echter Fälle, aber mit gebotenem Respekt für Opfer und Beteiligte. In Zeiten, in denen der Ruf nach „Law & Order“ oft laut, aber wenig fundiert ist, setzt dieses Format ein Zeichen. Es macht die Mechanismen des deutschen Rechtssystems transparent, ohne sie zu verklären – und genau das macht es so hörenswert.


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