Für viele war das Autokino lange ein Relikt vergangener Zeiten – irgendwo zwischen Elvis-Tolle und Jukebox. Doch dann kam 2020. Und plötzlich war das, was altmodisch wirkte, die modernste Art, gemeinsam Filme zu erleben.
Von Retro zur Rettung: Wie die Pandemie das Autokino zurückbrachte
Als Corona das öffentliche Leben lahmlegte, mussten Kultur, Kino und Co. kreativ werden. Während klassische Lichtspielhäuser schließen mussten, feierten Autokinos ein unerwartetes Comeback. Abstand? Check. Frische Luft? Check. Gemeinschaftsgefühl trotz geschlossener Türen? Doppel-Check.
Allein 2020 wurden laut Medienberichten über 40 neue Autokinos in Deutschland eröffnet – viele davon improvisiert auf Parkplätzen, Sportplätzen oder in alten Industriehöfen. In Städten wie Düsseldorf, Stuttgart oder Hamburg wurden sogar Pop-up-Kinos mit LED-Wänden und Live-Acts aus dem Boden gestampft. Das Auto wurde zur kleinen Festung mit Panorama-Ausblick – sicher, komfortabel und sozial kompatibel.
Was lief da eigentlich? Alles – von Hollywood-Blockbustern bis zu romantischen Klassikern. Selbst Live-Konzerte, Comedyshows und Gottesdienste fanden plötzlich auf Autokinoleinwänden statt. Wer hätte gedacht, dass man einem DJ applaudieren kann, indem man hupt?
Aber kann das Autokino heute überhaupt noch mit Netflix und Dolby-Sound zuhause mithalten?
Die kurze Antwort: Nicht in jeder Hinsicht. Aber genau das macht den Reiz aus.
Das moderne Autokino hat sich weiterentwickelt. Heute ist es mehr als nur „Film gucken im Auto“. Viele Betreiber setzen auf Erlebnis: Food-Trucks liefern direkt ans Auto, das Audio kommt gestochen scharf übers eigene Soundsystem, und wer mag, bestellt sein Menü über eine App.
Manche Events verbinden Film und Show – etwa mit Cosplayern, Oldtimer-Paraden oder Themenabenden. Ein „Grease“-Abend mit Cadillac-Schlange vorm Eingang? Gern gesehen. Autokino wird heute zur Bühne für Popkultur – für Nostalgiker ebenso wie für junge Streaming-Gewöhnte, die endlich mal wieder raus wollen – in ihrem komfortablen Fahrzeug, das mehr Erlebnis bietet, als man auf den ersten Blick vermuten würde
Autokino im Medienfokus – zwischen Quote, Kulisse und Kult
Auch in der Medienberichterstattung war das Autokino plötzlich omnipräsent. Nachrichtensendungen zeigten hupende Zuschauer in der Abenddämmerung, Influencer filmten ihre Dates im Kofferraumkino, und Formate wie taff, ZDF heute oder Galileo thematisierten den Trend.
Einige Fernsehsender wie RTL oder ProSieben veranstalteten sogar eigene Events, die teilweise live oder zeitversetzt im Programm auftauchten – vom Film-Pre-Screening bis zur Comedy-Night. Das Autokino wurde zur Kulisse für Entertainment und zugleich ein Instrument zur Kundenbindung, etwa durch Kooperationen mit Streamingdiensten oder Automarken.
Zwischen Nostalgie und Zukunft – was bleibt?
Natürlich: Das Autokino ist kein Massenphänomen wie Netflix. Es wird kein Fernseher ersetzen. Aber es bietet etwas, das Streaming nicht kann: ein Event-Gefühl, das wir lange vermisst haben. Es schafft Nähe ohne Körperkontakt. Und es erlaubt uns, Kultur wieder gemeinschaftlich zu erleben – ohne uns wie Sardinen im Kinosaal zu fühlen.
Klar gibt’s Herausforderungen: Wetterabhängigkeit, begrenzte Kapazitäten, Standortfragen. Aber vielleicht liegt genau darin der Charme. Das Autokino ist nicht für jeden Abend. Es ist für besondere Abende.
Und vielleicht liegt genau dort seine Zukunft: als Kulturbühne in der Nische, als Raum für kreative Kooperationen, als Ort für den besonderen Moment.
Dein Moment wartet schon draußen auf dem Parkplatz
Ob Date-Night, Familienausflug oder Solo-Trip mit Lieblingsfilm – manchmal braucht es nur eine Leinwand und den Sternenhimmel darüber, um sich lebendig zu fühlen. Vielleicht ist es genau das, was Autokinos uns zeigen:
Dass Kultur dann am schönsten ist, wenn sie nicht perfekt ins Raster passt – sondern mitten ins Herz trifft.
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