Interview

‚Unser Ziel ist es, das Konzept erfolgreich zu verkaufen‘

von

Dorothea Goldstein und Jeannette Venzke von der UFA sprachen im Quotenmeter-Interview über mehr Diversity. Mit einer neuen Initiative will man die Menschen ab 50 Jahren abholen.

Warum liegt der Fokus des diesjährigen #PerspectiveMatters-Wettbewerbs speziell auf Filmschaffenden und Autoren Ü50?
Dorothea Goldstein: Als Diversity Circle ist uns Perspektive und Authentizität ein großes Anliegen. Deswegen haben wir den Wettbewerb auch #PerspectiveMatters genannt. Wir haben uns bei dem Thema Alter bewusst für einen Aufruf zu „Geschichten aus der 2. Lebenshälfte“ entschieden, erzählt von Menschen in dieser Lebenssituation.

Welche Herausforderungen sehen Sie für ältere Filmschaffende in der Branche – sowohl vor als auch hinter der Kamera?
Dorothea Goldstein: Mit zunehmendem Alter stehen wir vor verschiedenen Herausforderungen. Das können zum Beispiel körperliche Einschränkungen sein oder eine stärkere Beanspruchung durch Care-Arbeit. Und dann taucht plötzlich das kleine Wörtchen "noch" immer wieder auf: Sind wir „noch“ leistungsfähig, leistungsbereit, fit, attraktiv, innovativ oder Technik affin genug?

Wir würden gerne mehr Geschichten erzählen mit modernen Held:innen im besten Alter mit Fokus auf all die Vorteile, die lange Berufspraxis und Lebenserfahrung mit sich bringen. Inspirierende Geschichten von gemeisterten Herausforderungen und mutigen Neuanfängen.

Wie groß war die Resonanz auf die vorherigen Ausschreibungen von #PerspectiveMatters, und welche Erfolge konnten bisher erzielt werden?
Jeannette Venzke: Bei dem letzten Wettbewerb lag der Fokus auf der Lebenswelt von Menschen mit Behinderung. Wir haben viele tolle Stoffe eingereicht bekommen. Es war eine große Freude, jeden einzelnen zu lesen, und die Auswahl des Siegers ist uns sehr schwergefallen.

Mit den Gewinnern haben wir einen Trailer in den „Gemeinnützigen Werkstätten Oldenburg“ produziert, mit Unterstützung der Stiftung Teilhabe und in Zusammenarbeit mit der Plattform Rollenfang, die sich für Schauspielende mit Behinderung engagiert. Nun sind wir in vielversprechenden Gesprächen, um den Stoff zu verkaufen.

Welche Kriterien sind für die Jury besonders entscheidend bei der Auswahl der eingereichten Ideen?
Jeannette Venzke: Ganz klassisch, zunächst natürlich die Erfüllung der Wettbewerbs-Bedingungen: serielles Konzept, max. 10-15 Seiten, Hauptrollen 50+, Einreichende 50+. Und dann die Eignung der Idee für eine serielle Umsetzung, die Einzigartigkeit und der besondere Funke, der hoffentlich bei Lesen überspringt.

Gibt es bestimmte thematische Schwerpunkte oder Genres, die Sie sich besonders wünschen?
Jeannette Venzke:
Der Wettbewerb ist eine Ideenreihe unter dem Hashtag PerspectiveMatters, wo wir mit jeder Ausschreibung den Fokus auf eine andere Vielfaltsdimension legen. Wir suchen serielle, fiktionale Formate, aber auch Dokus oder Dokutainment-Ideen sind willkommen. Wichtig ist uns, dass die Stoffe von Menschen aus der jeweiligen Dimension erzählt werden. Denn wir möchten, dass diese Geschichten von und mit ihnen zusammen entwickelt werden.

Der Gewinner erhält ein Preisgeld von 3.000 Euro und die Möglichkeit zur Stoffentwicklung. Welche konkreten Schritte folgen, wenn eine Idee überzeugt?
Dorothea Goldstein:
Wir bieten eine Weiterentwicklung zu einem ausführlichen Konzept bis zur Einreichungsreife an. Unser Ziel ist es, das Konzept erfolgreich zu verkaufen und tatsächlich auf den Bildschirm zu bringen.

Wie schätzen Sie die aktuelle Darstellung der Generation 50+ in deutschen Film- und Serienproduktionen? Gibt es bereits positive Entwicklungen?
Dorothea Goldstein: Ja, die gibt es – gerade aktuell gibt es sowohl Kino als auch Serienstoffe, die zeigen, wie viel Potential in dem Thema steckt. Aber auch wenn ein Zuwachs bei älteren Hauptrollen oder auch bei Frauen in Hauptrollen zu verzeichnen ist, sind wir noch lange nicht am Ziel. Es gibt auch immer noch das Ungleichgewicht bei anspruchsvollen Rollen für Frauen ab Ende 40.

Die UFA dokumentiert seit 2020 die Sichtbarkeit unterrepräsentierter Gruppen. Welche Fortschritte sehen Sie speziell bei der Altersvielfalt?
Dorothea Goldstein:
Das Alter erfassen wir erst seit 2022, die Daten zu 2024 liegen noch nicht vor. In 2023 ist gegenüber dem Vorjahr der Anteil der OnScreen-Akteure über 50 Jahre bei der UFA von 21,8 auf 27,3 Prozent gestiegen – ob das aber schon ein Effekt der Steuerung oder nur Zufall ist, kann ich nicht sagen. Die Erfassung dient zuerst einmal der Dokumentation und es gibt keine Diversity-Vorgaben für die Kreativen. Aber ich bin davon überzeugt, dass die Tatsache, dass wir die Diversität erfassen, für das Thema sensibilisiert.

Könnte #PerspectiveMatters langfristig dazu beitragen, dass ältere Kreative wieder stärker in die Branche integriert werden? Gibt es Pläne zur nachhaltigen Förderung?
Dorothea Goldstein: Alleine durch die Aufmerksamkeit für diesen Wettbewerb, als auch durch die Umsetzung einer tollen Serienidee erhöht sich die Sichtbarkeit für die verschiedenen Themen. Die UFA bietet auch ein spezielles Programm für Quereinsteigende an, das berufserfahrenen Menschen jeden Alters den erfolgreichen Einstieg in die Branche ermöglicht und sie gezielt auf die neuen beruflichen Herausforderungen vorbereitet.

Wie kommen Sie bei Ihren anderen Diversity-Themen voran?
Jeannette Venzke:
Jede Patin, jeder Pate setzt sich mit sehr viel Engagement für den jeweiligen Bereich ein. Es ist schön zu sehen, welchen positiven Impact das auf das Unternehmen hat und wie das auch nach außen hin immer sichtbarer wird. Dadurch werden wir hinter der Kamera diverser, und ich bin überzeugt, wenn wir als Team vielfältig und divers sind, wird sich das automatisch auf unsere Formate auswirken.

In unserer Selbstverpflichtung haben wir erklärt, den Zensus der in Deutschland lebenden Gesellschaft on Screen abbilden zu wollen. Ich denke, das ist ein wichtiger Schritt, um authentische Geschichten zu erzählen und ein breiteres Publikum anzusprechen. Wir ergreifen Maßnahmen zum Aufbrechen von Vorurteilen und Stigmatisierungen und bieten Workshops an, um ein Bewusstsein für Diversität zu schaffen und ein respektvolles Miteinander zu fördern. Es für uns alle wichtig, dass wir Rollenvorbilder haben, mit denen wir uns identifizieren können.

In den Vereinigten Staaten von Amerika machen Produktionsfirmen einen Rückzieher zum Thema Diversität. Wie beobachten Sie den Markt?
Jeannette Venzke:
Auch wenn wir als Diversity Circle einen besorgten Blick auf die aktuelle Entwicklung in den USA haben, so hat dies aktuell keinen Einfluss auf unsere Arbeit bei der UFA. Vielmehr zeigt es die Notwendigkeit, dass wir uns trotz der aktuellen Entwicklungen weiterhin für Vielfalt und Inklusion einsetzen.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

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