Die Kritiker

«Tatort - Messer»

von

Ein Wiener «Tatort» auf Messers Schneide? Die Prämisse gibt jedenfalls mehr her als der Film...

Stab

Darsteller: Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Simon Schwarz, Christina Scherrer, Simon Morzé, Manuel Sefciuc
Musik: Lothar Scherpe
Kamera: Gero Lasnig
Drehbuch: Sarah Wassermair
Regie: Gerald Liegel
Kurz vor der Osterzeit entscheidet sich Das Erste also einen neuen «Tatort» mit dem kurzen Titel «Messer» auf Sendung zu schicken, was ja zunächst einmal klingt wie ein dramatischer Hinweis auf Schärfe – oder zumindest auf Gefahr, Spitze, Substanz. Aber dann – ist das alles leider nur wieder ein stumpfes Küchenmesserchen im Spülwasser der gepflegten Langeweile. Ein Film, der gern zerschneiden würde, aber dann doch nur wieder Butter auf lauwarmem Toast ist. Ein Krimi, der lieber ein Gedicht über Misogynie und Miseren im Mittelschichtsgulasch wäre – aber sich darüber gar keinen rechten Reim auf seine Handlung machen kann.

Diese Metaphernverspieltheit ist dabei symptomatisch für die überkandidelten Elogen, die dieser «Tatort» auf sein Wiener Sujet anstimmen möchte: Der Gourmettempel „Efeukron“ wird prompt zum Bühnenbild eines gewollt dichten Milieustücks – die Küche als Hölle und der Chef als Gott, der mit kleinen Messern große Egos filetiert. Das klingt auf dem Papier nach einem dramaturgisch scharf angerichteten Abend. Aber was serviert wird, ist ein verdorbenes Dreigängemenü aus Klischee, Leerlauf und Dialogen, die wirken, als hätte man sie zwischen zwei Wiener Restaurants ganz überhastet aufgeschnappt.

Chefkoch André Brauer – gespielt von Daniel Keberle in einer Art Thermomix-Performance aus Gordon Ramsay, Götz George und Möchtegern-Harvey-Weinstein – ist tot, ermordet mit einem Messer, natürlich. Weil der Film ja «Messer» heißt. Und dann geht’s los: das große Rätselraten in der Küche. Wer war’s? Die eifersüchtige Ehefrau? Der verstoßene Ex-Mitarbeiter? Der mysteriöse Bruder mit dem Drogentick und dem viel zu offensichtlichen Spitznamen Ratte? Oder etwa der Souschef, der aussieht wie ein melancholischer Handmodel-Kandidat für Bio-Kochgeschirr? Spoiler: Am Ende ist es egal. Weil man als Zuschauer längst schon von den vielen drehbuchseitigen Küchenunfällen betäubt ist.

Denn wirklich schmerzhaft ist nicht der Mord, sondern das, was zwischen den Dialogzeilen passiert. Oder besser: nicht passiert. Diese ewige Krücke „Bibi und Moritz kriseln mal wieder“ wird hier mit einer derart bedeutungsschweren Belanglosigkeit ausgewalzt, dass man fast Mitleid bekommt – nicht mit den Figuren, sondern mit den Schauspielern, die den vierten Seelenstriptease in drei Jahren hinlegen müssen, weil das Drehbuch nicht weiß, wie man glaubwürdige Konflikte inszeniert, ohne gleich wieder das große Drama-Feuerwerk abzufackeln.

Adele Neuhauser spielt das wie immer mit einem Mix aus grantigem Charme und staubtrockener Präzision – aber man merkt ihr an, dass sie das alles schon hundertmal gespielt hat. Harald Krassnitzer hingegen schaut die meiste Zeit, als frage er sich selbst, wie oft er eigentlich noch „Was meinst du damit, Bibi?“ sagen muss, bevor ihm endgültig die Seele auf dem Küchentisch zusammenklappt.

Und ja – es wird viel gekocht, gebraten, geschnippelt. Aber leider ohne jegliches Gespür für Rhythmus oder Relevanz. Kein einziger Take besitzt die Brisanz, die dieser toxische Gourmetbetrieb theoretisch bieten würde. Statt einer pulsierenden Milieustudie kriegen wir ein abgefilmtes Theaterstück mit zu vielen Rollen und zu wenig Substanz. Das alles hätte so viel sein können – eine bissige Sozialanalyse à la «The Menu», eine kafkaeske Abrechnung mit der Gastrobranche, ein österreichischer Noir mit echtem Messer zwischen den Rippen. Stattdessen: ein bisschen MeToo hier, ein bisschen Küchenpsychologie dort, ein bisschen Küchenpsychose überall.

Und dann sitzt man da, am Sonntagabend, mit einem Glas Weißwein und denkt sich: Es ist so schade. Es ist alles da. Ein Setting, das schreit. Ein Mord, der eigentlich zündet. Figuren mit Geschichte. Aber dann fällt dieser «Tatort» in sich zusammen wie ein Soufflé, das man zu früh aus dem Ofen holt. Das einzig wirklich Gefährliche an «Messer»? Die Erkenntnis, dass der «Tatort» gerade wieder beginnt, sich selbst zu parodieren – ganz ohne Ironie, ganz ohne Witz. Nur mit einem Messer in der Hand und keiner Ahnung, wohin damit.

Der Film «Tatort – Messer» wird am Sonntag, den 13. April um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.

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