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«Black Mirror»: Gemischtes Fazit mit Starpower

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Die ersten beiden Episoden der siebten «Black Mirror»-Staffel haben ihre Stärken, doch beide scheitern im Verlauf der Handlung an ihren Drehbüchern.

Mitte April 2025 veröffentlichte Netflix sechs neue «Black Mirror»-Geschichten, die von Charlie Brooker verfasst wurden. In der Folge „Gewöhnliche Leute“ stehen die Lehrerin Amanda und der Schweißer Mike im Mittelpunkt. Amanda bricht eines Tages vor ihren Schülern zusammen – gesundheitliche Auffälligkeiten wurden zuvor nicht festgestellt, was dem mangelhaften Gesundheitssystem geschuldet ist. Während der Mittagspause – noch bevor Mike vom Unglück seiner Frau erfährt – sieht ein Kollege ein Video auf einer Plattform, auf der man Menschen Geld überweist, wenn sie bestimmte Aufgaben übernehmen oder Dinge tun.

Das erinnert stark an manche YouTube-Persönlichkeiten, etwa den umstrittenen Rainer Winkler alias Drachenlord, der für kleine Spenden Inhalte produzierte, um seine Anhängerschaft zu unterhalten. Charlie Brooker setzt diese Videoplattform so auffällig in Szene, dass der Zuschauer schnell merkt: Das wird noch wichtig.

Im Krankenhaus stellt sich heraus, dass Amanda hirntot ist. Doch ein Start-up namens Rivermind bietet ein synthetisches Gehirnersatzteil an. Die Operation ist kostenlos – allerdings müssen die Kunden anschließend monatlich 300 US-Dollar bezahlen.

Um die Handlung nicht zu platt zu erzählen, wird die Geschichte mit zahlreichen Details ausgeschmückt. Zum Beispiel fahren Amanda und Mike traditionell am Jahrestag in eine ländliche Pension, wo sie sich über das wenig attraktive Essen und die rustikale Atmosphäre amüsieren. Doch mit dem neuen Gehirnchip funktioniert Amanda nicht mehr richtig: An Landesgrenzen bricht die Verbindung ab, sie fällt in einen tiefen Schlaf. Tracee Ellis Ross verkörpert eine Rivermind-Ansprechpartnerin, die stets nur wiederholt: Ein Upgrade sei nötig, damit Amanda andere Regionen besuchen könne. Ohne Plus-Version muss Amanda vor ihren Schülern sogar Werbebotschaften aufsagen. Das Paar mit unerfülltem Kinderwunsch steht vor einer schwierigen Entscheidung: Sollen sie das teure Update kaufen oder Amanda ihren Beruf verlieren lassen?

Mike (gespielt von Chris O’Dowd) setzt sich maskiert vor den Rechner und denkt sich brutale Aktionen aus, um über die Plattform Spendengelder zu generieren – ein Upgrade scheint erreichbar. Amanda (Rashida Jones) bekommt davon wenig mit, denn der Chip zwingt sie zu langen Ruhephasen. Rivermind bietet noch weitere Spezialfunktionen an, die sich das Paar aber nicht leisten kann – immerhin lassen sich Super-Plus-Varianten stundenweise buchen.

Brooker erzählt oft emotional, aber auch erstaunlich eindimensional. So wird etwa nie thematisiert, ob Amanda und Mike eine Gehaltserhöhung erhalten könnten oder ob sie juristische Schritte gegen die Werbebotschaften einleiten. Dabei wäre das – unabhängig vom Handlungsort – ein realistischer Einwand. Die Dystopie bleibt inhaltlich fragwürdig.

Natürlich eskaliert die Situation: Mike verliert seinen Job, weil ein Kollege heimlich seine peinlichen Auftritte fotografiert und veröffentlicht. Er rastet aus und stößt den Kollegen vor ein Fahrzeug – schwere Verletzungen inklusive. Das Paar verliert weiter an Boden. Obwohl die Handlung recht dünn ist, wurde die Episode auf 57 Minuten gestreckt.

Sieben Minuten kürzer ist „Bête Noire“, die zweite Folge der Staffel. Im Zentrum steht die Forscherin Maria (Sienna Kelly), die für ein Unternehmen neue Schokoriegel-Kreationen entwickelt. Bei einer Blindverkostung taucht plötzlich ihre alte Klassenkameradin Verity Green (Rosy McEwen) auf – und wird bald darauf eingestellt. Die Stelle gab es vorher nicht, Verity wird jedoch zügig eingearbeitet.

Maria erinnert sich an Verity als computeraffine Außenseiterin, die in der Schule stark gemobbt wurde. Die Mädchen um Maria beschuldigten sie damals sogar, einen Lehrer sexuell befriedigt zu haben. Seit Veritys Einstellung häufen sich seltsame Vorfälle: Menschen vergessen Begriffe, allergische Reaktionen verschwinden aus den Suchmaschinen. Maria glaubt: Verity manipuliert die Realität. Nach ihrer Entlassung verfolgt Maria Verity bis nach Hause. In einem Anwesen voller Server versteckt sie sich unter dem Bett – und wird entdeckt. Es kommt zu einem Kampf mit einem völlig absurden Ende. Leider nichts Neues bei «Black Mirror».

Die ersten beiden Geschichten der siebten Staffel sind grundverschieden. Während „Gewöhnliche Leute“ das Prinzip von Freemium-Modellen aufs Korn nimmt – man rutscht von einem kostenlosen Angebot schnell in ein teures Premium-Modell – ist „Bête Noire“ kaum ernst zu nehmen. Vielmehr erinnert sie an einen Splatter-Film: Zum Schluss wird es blutig, während die Handlung in sich zusammenfällt. Es ist schlicht unglaubwürdig, dass eine ehemalige Schülerin einen Quantencomputer entwickelt, der Zeitlinien kontrolliert und durch Gedanken Realität formen kann. Nach einem spannenden Start verkommt das Finale zur Farce.

«Black Mirror» kann bei Netflix gestreamt werden.

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