Die Kritiker

«Stolberg»

von
Story:
Rolf Bergmann ist S-Bahn-Fahrer. Tag ein Tag aus fährt er den Zug durch den Untergrund Düsseldorfs. So auch an diesem Tag – doch als er in die Station einfährt, klebt plötzlich eine junge Frau an seiner Fensterscheibe. Die Notbremse hilft nichts mehr – Bergmann überfährt sie. Ira Fürst wurde nur 31 Jahre alt, sie arbeitete als Krankenschwester. Als Kommissar Stolberg den unter Schock stehenden S-Bahn-Fahrer verhört, behauptet dieser, ein vermummter Mann habe die Frau vor den Zug gestoßen.

Die Suche nach dem Unbekannten beginnt– der erste Weg für Stolberg zu Monika Jansen, der ehemals besten Freundin, an die auch die letzte SMS der Toten gerichtet war. Sie enthielt eine verzweifelte Bitte – die Bitte um Hilfe. So erfährt Stolberg von Schulden der Toten – und das war wohl nicht das einzige Problem: Sie sei schwanger gewesen, behauptet zumindest Mutter Fürst. Obendrein kommt ans Tageslicht, dass sich Ira am Morgen ihres Todes mit ihrem Freund gestritten hat…

Darsteller:
Rudolf Kowalski («Tornado – Der Sturm des Himmels») ist Martin Stolberg
Victoria Mayer («Allein gegen die Angst») ist Sofia Lechner
Aurel Manthei («Zwischen Tag und Nacht») ist Florian Glade
Katharina Abt («Der Elefant – Mord verjährt nie») ist Monika Jansen
Stefanie Schmid («Küstenwache») ist Ira Fürst

Kritik:
Nun sind die ZDF-Ermittler also in nahezu ganz Deutschland verteilt. Nach Hamburg, München und Frankfurt steht nun zum ersten Mal die Rheinmetropole Düsseldorf im Blickpunkt der Ermittlungen. Sechs Folgen wird das ZDF an den kommenden Freitagen ausstrahlen. Der Stab der Premierenfolge ist in jedem Fall prominent besetzt: Matti Geschonnek, der den diesjährigen Fernsehpreis (unter anderem für «Die Nachrichten») als bester Regisseur eines Fernsehfilms erhielt, inszenierte die Episode – und das machte er gut.

Gleich zu Beginn verdeutlichte er eindrucksvoll den Tunnelblick eines S-Bahn-Fahrers, wenn er durch die dunklen Gänge und hin zur Station fährt. Genau diese Sequenzen – die Fahrt durch dunkle Schächte - begleiten den Zuschauer die gesamte Folge, wieder und wieder. Der Mordfall an sich verläuft zudem nicht zwingend nach dem typischen 08/15-Schema, dafür sorgen überraschende Wendungen – wenngleich aus diesen Wendungen noch mehr Spannung herauszuholen gewesen wäre.

Dass es in «Stolberg» ausschließlich um den Fall und nicht um das Privatleben der Ermittler gehen würde, hatte das ZDF bereits stolz angekündigt. Eine gute Idee, mag sich mancher gedacht haben. Aber ob diese Idee wirklich so gut war, bleibt abzuwarten. Den drei Kommissaren fehlt ein direkter Bezug zum Zuschauer, sie sind nicht nah genug an ihm dran. Da würde es vielleicht schon helfen, den Freund der Kommissarin oder ein mögliches Haustier des Kommissars einzubauen – weil es menschlich macht. Das Prinzip Privates – selbst in Gesprächen – herauszuhalten, ist allerdings die einzige Neuerung. Denn im Großen und Ganzen ist «Stolberg» ein deutscher Krimi wie er im Buche steht und schon zigfach im TV läuft.

Lediglich Stolbergs Dackelblick – man kennt ihn bereits von ersten Bildern oder Werbeplakaten – ist etwas, das andere Serien in dieser Form nicht haben. Und dann steht er da der Ermittler, mit leicht hängenden Schultern und eben diesem Blick. Was in ihm vorgeht? Das weiß keiner so genau, aber das ist ja auch nicht wichtig, Hauptsache er löst den Fall. Rudolf Kowalski macht seine Arbeit als neuer ZDF-Ermittler in jedem Fall ordentlich.

Ein weiterer Kritikpunkt der Auftaktepisode wird am Ende der Folge deutlich, welches in der Tat sehr unrealistisch ist. Die Autoren Sönke Lars Neuwöhner und Natalia Geb haben sich für die Variante „Damit rechnet niemand“ entschieden und so wohl die schlechteste Variante aller möglichen gewählt. Das größte Minus der Serie macht aber die doch sehr schleppende Erzählweise aus. In US-Formaten wäre der Stoff dieses Falles wohl in knapp 30 Minuten erzählt worden, das ZDF benötigt dafür knapp 60 Minuten. Und wie streckt man die verbleibende Zeit? Ganz einfach – mit typisch deutschen Bildern.

So hat Kommissar Stolberg genug Zeit, um zum Haus von Mutter Fürst zu gelangen, er kann gemütlich durch die Straßen schlendern, einer alten Frau beim Hauseingang den Vortritt lassen, die Treppen hoch spazieren und klingeln. Schon sind 45 Sekunden vorüber. Zudem entstehen in manchen Dialogen unangenehme Pausen – man möchte fast meinen, der Film wäre um ein paar Minuten zu kurz geraten, sodass die Schauspieler die Szenen strecken mussten. Genau diese Tatsache macht einen eigentlich interessanten Fall langweilig.

Mit einem etwas höherem Erzähltempo wäre der Serie also sehr geholfen. Alles in allem bietet die Serie durchaus interessante Ansätze, die aber leider teilweise nur sehr wenig ausgeschöpft werden. Auf gar keinen Fall sollte man das Format mit US-Krimis, wie sie im Gegenprogramm bei kabel eins laufen, vergleichen – denn qualitativ hat «Stolberg» dagegen keine Chance. Wer es aber sehr gemütlich mag, bitte sehr…

Das ZDF zeigt die ersten sechs Folgen der Serie ab kommenden Freitag, den 27. Oktober 2006 - und dann immer freitags - , um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/17148
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