Es ist eine der Geschichten, die man nicht erfinden kann. Ein Liebespaar, eine Deutsche und ein Pole, werden in den Wirren der Nachkriegszeit getrennt und finden erst nach einer jahrzehntelangen Odyssee wieder zusammen - nachdem die Mauer gefallen ist. Ein Kapitel von Flucht und Vertreibung, das glücklich endet. Nach fast 60 Jahren gaben sich Fortek und Elvira 2005 das Jawort.
Als die Rote Armee am 12. Januar 1945 ihre Großoffensive begann, war es für eine sichere Rettung der deutschen Zivilbevölkerung aus den grenznahen Gebieten zu spät. Viel wäre den Menschen erspart geblieben, hätte man sie rechtzeitig evakuiert. Doch sie durften ihre Dörfer und Städte nicht verlassen - wie die zwanzigjährige Elvira Profé aus der ostbrandenburgischen Kleinstadt Bärwalde an der Oder. Den Sturm der Sowjets auf die Stadt überlebte sie in einem sicheren Versteck. Wie an anderen Orten kam es auch hier zu Übergriffen der Rotarmisten auf deutsche Zivilisten; Vergeltung für Verbrechen, die von Deutschen in der Sowjetunion verübt worden waren.
Elvira Profé wurde von ihren Eltern getrennt und zur Zwangsarbeit nach Sibirien verschleppt. Doch sie überlebte die neunmonatige Lagerzeit und kehrte Anfang 1946 in ihre Heimatstadt zurück, die inzwischen polnisch war und Mieszkowice hieß. Nur wenige Deutsche mit wichtigen Funktionen wie Elviras Vater, ein Zollstockfabrikant, hatten in Bärwalde/Mieszkowice bleiben dürfen. Das Dorf wurde mit Polen besiedelt, die ihrerseits von den Sowjets aus dem Osten ihres Landes vertrieben worden waren. Die neuen Nachbarn der Familie Profé waren Fortek Mackiewicz und seine Mutter. Der junge Pole und Elvira Profé, die nun Haus an Haus wohnten, lernten einander kennen und lieben. Das junge Glück war allerdings nur von kurzer Dauer. Die Ausweisung der Familie Profé im Juni 1946 bereitete der Beziehung ein jähes Ende.
Die Liebenden konnten einander nicht vergessen. Nach dem Fall der Mauer im November ´89 machte sich Elvira, die nie geheiratet hatte, auf die Suche nach Fortek - und fand ihn im ehemaligen Ostpreußen. Mit großer Spannung, fast ängstlich ersehnten beide das erste Treffen. Im Herbst 2005, fast sechs Jahrzehnte nach dem erzwungenen Abschied, gaben sich die beiden schließlich doch noch in Mieszkowice, damals Bärwalde, das Jawort; das Happy End einer außergewöhnlichen Liebesbeziehung und zugleich ein ganz persönlicher Ausdruck deutsch-polnischer Versöhnung.
Kritik
Der Auftakt zur dreiteiligen Reihe «Die Kinder der Flucht» befasst sich im ersten Teil mit einer dramatischen Liebes-Geschichte aus der deutsch-polnischen Vergangenheit.
Mittels eingespielter Archivaufnahmen und nachgespielter Szenen werden die Erlebnisse der damaligen Zeit noch greifbarer und dem Zuschauer noch besser vermittelt. So kommen zusätzlich noch die Zeitzeugen selbst zu Wort und können mithilfe ihrer Äußerungen einen weiteren emotionalen Aspekt in den Film einbringen.
«Die Kinder der Flucht - Eine Liebe an der Oder» ist ein eindrucksvolles Zeitbildnis, das besonders dank der Originalbilder und -aussagen an Dramatik und Tiefe gewinnt. Auch gelingt die Dreiteilung zwischen Archiv-, Interview- und Spielfilmsequenzen reibungslos.
Einziger und zeitgleich auch großer Kritikpunkt ist aber trotz aller Mühen und der beschriebenen Schicksalhaftigkeit, das der Funke der Geschichte nicht auf den Zuschauer überspringen vermag und die gesamte Sendung doch recht spannungsarm abläuft.
Den Start zur dreitiligen Reihe «Die Kinder der Flucht» zeigt das ZDF am Dienstag, den 28.11.2006, um 20:15 Uhr. Die weiteren Folgen werden am 05. und 12. Dezember 2006 ausgestrahlt.