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Schwere Anfangsphase
Von Tränenausbrüchen war die Rede, als die Mannschaft des Senders erfuhr, dass ihr geliebter Martin Hoffmann rausgeschmissen wurde.
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Nicht nur diese Probleme bereiteten dem damals 58-Jährigen Kopfzerbrechen. Sofort nach Bekanntwerden seiner Personalie thematisierte Late Night Talker Harald Schmidt ihn in seiner Sendung, wenige Tage später erklärte der Entertainer, dass er – als Aushängeschild des Senders - eine „kreative Pause“ einlegen werde. Nicht wenige brachten Schmidts Abgang mit der Entlassung Hoffmanns in Verbindung. Und der Sender stand unter Zugzwang. Die letzten Monate der «Harald Schmidt Show» waren die erfolgreichsten überhaupt und im Feuilleton wurde Schmidt in etwa wie Gott persönlich hofiert. Das erste große Projekt, an dem Schawinski gemessen wurde, kam also zu später Sendestunde. Nach einem fulminanten Start am 17. Mai 2004 mit 2,46 Millionen Zuschauern (22,5|27,8) gingen die Quoten stark zurück. Bereits am Folgetag sahen nur noch 1,50 Millionen Zuschauer zu (11,7|14,1). Am 21. Oktober 2004 lief die letzte Folge der Late-Night Show.
Schawinski hatte unterdessen noch mehr Pläne mit Sat.1. «Klatsch TV» sollte am Mittag einschlagen, Jenny Elvers plauderte in der halbstündigen Show über die aktuellen Themen aus der Welt des Boulevard. Aber auch die Sendung kam nicht so an, wie erwünscht. Spätestens nach dem Start der qualitativ hochwertigen Serie «Bis in die Spitzen» dürfte dem Fernsehmacher eines klar geworden sein: Einen Sender wie Sat.1 zu leiten, ist stets auch mit Rückschlägen verbunden.
Dank Schawinski zu Sat.1: Thomas Kausch
Die Erfolge überwogen allerdings. Sofort nach Amtsantritt gab der Schweizer bekannt, dem Sender ein ganz neues Image verpassen zu wollen. Fortan sollte kein Format mehr vom Konkurrenten RTL kopiert werden – ein Versprechen, das der Fernsehmacher bis zum Ende hielt.
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In der Primetime etablierte sich vor allem der Donnerstag zum Hit-Abend bei Sat.1. Im Line-Up mit der «Schillerstraße» (die man auf eine Stunde verlängerte), der starken US-Serie «Navy CIS», die ursprünglich eigentlich für den Nachmittag angedacht war, und «Akte» gab es quotentechnisch gesehen keinen Knick nach unten. Im Gegenteil: Der Abend lief von Woche zu Woche erfolgreicher. Auch mit dem neu eingeführten Comedy-Freitag war man sehr zufrieden. «Die dreisten Drei», «Mensch Markus» und Co. bescherten dem Bällchensender grandiose Quoten.
«Verliebt in Berlin» wird zur Nummer 1- Telenovela
Ohnehin blühte der gesamte Vorabend auf: Nach der quotenschwachen Reality-Show «Kämpf um deine Frau», die gegen das damals noch starke «Big Brother» keine Chance hatte, betrat Schawinski Neuland mit einem Genre, das wenige Wochen zuvor im ZDF recht gut startete.
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Ohne Frage: Ab September 2006 folgte mit die schwerste Zeit beim deutschen TV-Sender. Im Sommer hatte er zur Überraschung von vielen bekannt gegeben, nicht nur den Vorabend, sondern auch die Primetime fast komplett umstrukturieren zu wollen. Dabei geschah dies ohne wirklich große Not: Im ersten Quartal 2006 kam Sat.1 auf gute 12,0 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe. Die Veränderungen in der Primetime waren allesamt nachvollziehbar – dank «Navy CIS» und «Criminal Minds» löste der Bällchensender sein Quotenproblem am Sonntagabend. Der Montag, Mittwoch – und zuletzt sogar der früher so starke Donnerstag – schwächelten aber. Der Schwestersender ProSieben kam unterdessen aus dem seit Jahre anhaltenden Quotenschwund heraus.
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Mit erneuten Umstrukturierungen versuchte Sat.1 in der vergangenen Woche den Schaden zu begrenzen. Ab 2007 soll «Lenßen & Partner» ab 18.00 Uhr wieder dafür sorgen, dass von Anfang an mehr Zuschauer am Vorabend Sat.1 sehen. Dadurch erhofft man sich einen verbesserten Flow, durch den dann möglicherweise auch mehr Menschen als bisher bei den Telenovelas dranbleiben. Ein Plan, der durchaus aufgehen könnte. Obendrein wechselte der Sender die weibliche Hauptrolle bei «Verliebt in Berlin» aus, auch an «Schmetterlinge im Bauch» wird derzeit gefeilt.
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Mit der Adaption der italienischen Krimiserie «R.I.S.» könnten es die Berliner aber geschafft haben. Die Dreharbeiten laufen seit gut einem Monat, der Look soll den «CSI»-Serien in der Tat ähneln.
Roger Schawinski: Zur Person
Roger Schawinski, der Mann der das erste Schweizer Privatradio (Radio 24) und das erste Schweizer Privatfernsehen gründete, wird Sat.1 auch nach seinem Abgang in guter Erinnerung bleiben. Ob – wie bei Martin Hoffmann – Tränen fließen, steht in den Sternen. Mit Tele Züri gründete er ein privates Lokalfernsehen in der Schweiz, das 1994 auf Sendung ging. Endgültig zur Kultfigur brachte er es mit der allabendlichen Moderation von «Talk täglich», einer ganz auf ihn zugeschnittenen Talkshow, in der er seinen Gästen meist keine Chance liess. 1995 wurde Schawinski mit dem Tele-Preis, 1996 mit dem Zürcher Radio- und Fernsehpreis ausgezeichnet.
1998 gründete er dann mit Tele 24 den ersten landesweiten privaten Fernsehsender in der Schweiz. Das Schweizer Medienunternehmen Tamedia AG übernahm im August 2001 für 80 Millionen Schweizer Franken Radio 24 und TeleZüri, Tele 24 wurde eingestellt und Schawinski gelangte so zu einem respektablen Vermögen.
Zum Ende des Jahres verlässt also eine durchaus schillernde Figur die deutsche Medienszene. Lediglich als Berater werde er ProSiebenSat.1 weiterhin zur Verfügung stehen. Sein Nachfolger Matthias Alberti, der vor einigen Jahren von RTL zu Sat.1 kam, wird Schawinskis Weg vermutlich weitergehen. Und das ist auch gut so.