Sonntagsfragen

Sonntagsfragen an Nico Hofmann

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Mit Quotenmeter.de sprach Nico Hofmann, Produzent und Geschäftsführer von teamworx, zudem über den Weg aus der Krise der deutschen Fiktion und verriet ein neues RTL-Projekt, welches derzeit im Planungsstadium ist.

Herr Hofmann, die aktuellste Frage vorneweg: Am Mittwoch gab Roger Schawinski bekannt, seinen Posten als Sat.1-Geschäftsführer zum 1. Januar 2007 abgeben zu wollen. Verliert Deutschland damit einen großartigen Fernsehmacher?
Ja, ich habe mich mit Roger sehr gut verstanden. Gemeinsam mit Alicia Remirez hat er wichtige fiktionale, radikale Programme ermöglicht. Das hat beispielsweise «Blackout» gezeigt. Roger Schawinski hat den fiktionalen Bereich stets unterstützt. Die gesamte Branche ist ihm dafür dankbar. Ich persönlich konnte mit ihm zusammen den Nachwuchspreis First Steps erfolgreich etablieren – für mich ist der Weggang in jedem Fall ein Verlust.

Haben Sie genau dies an ihm geschätzt?
Vor allem seinen Mut. Roger Schawinski hat immer sehr genau zugehört und uns vertraut. Er hat unheimlich viele Dinge überhaupt erst möglich gemacht. Wir haben für Sat.1 zum Beispiel «Die Luftbrücke» sehr erfolgreich produziert. Wenn ich das großartige Marketing betrachte, für das er sich eingesetzt hat, macht mich das einfach glücklich. Allein die Tatsache, dass Roger Schawinski von vornherein an dieses Programm geglaubt hat, ist in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich.

Kurz zum Nachfolger: Matthias Alberti kommt aus dem Showbereich, denken Sie, dass er Sie als Macher von Fiktion-Formaten ebenso gut unterstützen wird?
Ich kenne Matthias Alberti schon sehr lange. Er ist ein wirklich großartiger Programmmacher – seine Leistung bei Sat.1 kann gar nicht genug gelobt werden. Wie er den Showsektor des Senders aufgebaut hat, ist wirklich vorbildlich. Über Alberti ist die gesamte Branche froh. Ohnehin ist er ein sehr offener und kollegialer Mensch. Ich und viele Produzenten-Kollegen aus dem fiktionalen Bereich sind sich ganz sicher, dass er als Geschäftsführer sehr gut mit uns zusammenarbeiten wird. In den sechs oder sieben Jahren, die ich Matthias Alberti kenne, habe ich ihn als sehr offenen, fairen und neugierigen Menschen erlebt. Genau deswegen war er auch im Bereich Show so gut. Roger hat seine Nachfolge ja selbst mitbestimmt, wie zu lesen war. Das war eine ungeheuer kluge und richtige Entscheidung.

Sie haben «Blackout» erwähnt. Ein gutes Produkt – wenn man den Kritikern glaubt. Ein weniger gutes Produkt, wenn man die Quoten ansieht. Tun Ihnen solche Zuschauerzahlen weh?
Natürlich tut mir das weh, vor allem wenn ein Programm eine gewisse Radikalität hat. Man sieht daran, dass die deutschen Zuschauer – im Gegensatz zu den amerikanischen – gewisse serielle Strukturen noch nicht mitmachen. Das ist in den USA schon viel weiter entwickelt. Viel mehr hat mich aber die Absetzung von «Abschnitt 40» getroffen, weil ich das Format wirklich sehr gern mochte. Diese Serie war über Jahre hinweg wirklich Stil prägend – wenn so etwas dann aus dem Programm genommen wird, beunruhigt mich das durchaus, gerade angesichts der Übermacht der Amerikaner. Deswegen bin ich derzeit eigentlich doppelt beunruhigt.

Sie haben in der Vergangenheit viele Event-Movies produziert. Gibt es da einen Film, der Ihnen besonders ans Herz gewachsen ist?
Ich denke «Dresden». Der Film hat einen besonderen Stellenwert, seiner radikalen Darstellung des Krieges im zweiten Teil wegen. Es erfordert viel Mut, diese Szenen auf diese Art und Weise zu zeigen. Der Film hatte außerdem eine unglaublich starke redaktionelle Begleitung. Besonders gut in Erinnerung ist mir unsere Vorführung in Dresden geblieben, bei der wir den Film vor Betroffenen gezeigt haben. «Dresden» ist – nicht zuletzt auch dank dem großen Zuschauererfolg – ein Highlight meiner Karriere.

Solche Eventmovies kosten viel Geld, viel mehr als normale Spielfilme. Aber sie laufen quotentechnisch auch sehr erfolgreich – ähnlich wie US-Serien, die ebenfalls viel Geld kosten. Kann man den durchschnittlichen Werberelevanten also nur noch mit Produkten überzeugen, die richtig ins Geld gehen?
Das ist zu einfach gedacht. In einem Punkt kann ich Ihnen Recht geben: Wenn Sie ein Event auf internationalem Niveau machen wollen, muss das Format qualitativ wirklich hochwertig sein. Die Zuschauer sind heutzutage sehr geschult, sie sind größtenteils amerikanische Produktionen gewohnt – ob im Kino oder inzwischen auch im Fernsehen. Letztlich muss man bei einer Eventproduktion sein Versprechen halten. Ich nehme einmal «Dresden» als Beispiel: Wenn Sie Deutschland im Krieg zeigen – und zwar 40 Minuten lang, inklusive der britischen Angriffe –, muss die gesamte Produktion ein gewisses künstlerisches Niveau erreichen. Ist das nicht der Fall, akzeptieren die Zuschauer das Programm nicht als Event.

Hier spielt natürlich die Kosten/Nutzen-Rechnung eine Rolle. Aber wir haben auch schon Eventfilme für deutlich weniger Geld produziert.

Sie meinen vermutlich den ProSieben-Film «Tornado»...
Zum Beispiel. ProSieben hatte uns einen Marktanteil von 22 bis 23 Prozent als Zielkorridor vorgegeben. Auf Grundlage dieser Werte wurde die Werbung verkauft. Diesen Marktanteil haben wir dann auch punktgenau erreicht. Der Film war aber nur halb so teuer wie «Dresden». Sie sehen also: Es kommt nicht nur auf das Geld an, man kann auch mit einem stark figurenorientierten Stück punkten.

Gehen wir aber mal zur deutschen Serie. Die hat momentan im Privatfernsehen einen sehr schweren Stand. Einzig und allein «Cobra 11» kann sich da behaupten. Und wenn ich Ihnen jetzt die Liste der Serien, die in der letzten Zeit abgesetzt wurden, aufzählen würde, dann würde das etwas länger dauern.
Stimmt absolut. Viele Serien wirken ein wenig wie ein „Me 2“-Produkt. Ich bin sehr gespannt, ob die ganzen deutschen «CSI»-Serien funktionieren werden. Der gesamte Krimibereich ist durch die Amerikaner ästhetisch dominiert, was eben auch mit Kosten zu tun hat. Der Bruckheimer-Look wird nun eben einmal nur mit Geld erzeugt. Die Amerikaner verwenden extrem hochwertige Techniken und leisten ausgezeichnete Kameraarbeit. Das lässt sich mit den Mitteln, die hier zur Verfügung stehen, kaum erreichen.

Eine Folge «CSI» kostet rund drei Millionen – wir haben im Schnitt 600.000 zur Verfügung. Das ist ein Fünftel. Aber man kann diesen Rückstand aufholen, wenn man dem Format eine eigene Note und eine eigene Persönlichkeit gibt. Auch Neuentdeckungen von Schauspielern spielen dabei eine große Rolle. Also ist Geld nicht alles.

Ich bin überzeugt davon, dass die deutsche Serie wieder im Kommen ist. Wenn ich die Entwicklung bei RTL unter der Leitung von Barbara Thielen betrachte, stelle ich fest, dass dort mit höchster Sorgfalt gearbeitet wird. Die meisten Programme, die sie verantwortet, starten ja erst demnächst, beginnend mit «Post Mortem». Auch «Abschnitt 40» lief über Jahre hinweg sehr erfolgreich.

Zum Schluss aber eben nicht mehr. Da erging es dem Format ähnlich wie «Der Sitte»…
Natürlich, aber das ist im fünften Jahr passiert. Wir können gerne abwarten, wo in fünf Jahren die ganzen «CSI»-Serien stehen. In Amerika ist die Trendwende bereits da. Eine Sättigung bei Krimis wird es auch in Deutschland irgendwann geben. Momentan wird in diesem Genre einfach zu viel produziert.

Führen also andere Genres aus der Krise der deutschen Fiktion?
Wir versuchen derzeit, seriale Events zu entwickeln. Wir möchten Topstars für Serien gewinnen und sind bereit, auch etwas mehr Geld für einzelne Folgen auszugeben. So lässt sich die Wertigkeit von Events auf die Serie übertragen. Wir hoffen, dass wir damit Erfolg haben werden. Aber auch inhaltlich wird es Veränderungen geben. Allgemein werden Serien dramatischer werden – ein Beispiel ist «Die Patin», ein familiäres Drama, das wir gerade für RTL vorbereiten.

Klingt interessant. Worum geht es in diesem Format?
Es geht um die Geschichte einer Frau, die entdeckt, dass ihr eigener Ehemann ein Verbrecher ist, und plötzlich ihre Vergangenheit aufarbeiten muss. Wir führen die Geschichte stark über die Frauenfigur – ein Personal-Drama-Ansatz, der Trend werden könnte. Das Format ist ein Beispiel dafür, dass sich der Markt weg vom reinen Krimi entwickelt.

Das planen Sie als Serie?
Christoph Darnstädt hat das Buch geschrieben und wir diskutieren derzeit noch, ob wir daraus eine Serie machen, oder ob es drei 90-Minütige Eventfilme werden. Das wäre dann allerdings keine Entscheidung gegen die Serie, sondern vielmehr eine Frage des Formats, der Erzählzeit und der Besetzung, die wir gern hätten. Das Wichtigste ist aber, dass wir Serien künftig viel mehr auf Stars zuschneiden. «Donna Roma» mit Jutta Speidel ist das beste Beispiel dafür.

Am kommenden Sonntag spricht Nico Hofmann mit Quotenmeter.de über die neue ProSieben-Serie «Verrückt nach Clara», die Anfang 2007 starten wird und über vieles mehr.


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