Die Kritiker

«Post Mortem»

von
Dr. Daniel Koch ist leitender Oberarzt am Kölner Institut für Rechtsmedizin. Zusammen mit vier anderen Spezialisten unterstützt er die Arbeit von Hauptkommissar Brandt. In der ersten Folge werden bei Bauarbeiten auf einem brach liegenden Gelände ein Frauen- ,ein Männer- und ein Babyskelett gefunden.

Story:
In der Pilotfolge „Familiengrab“ wird auf einem seit Jahren brach liegenden Gelände die Leichenteile einer Familie gefunden. Mann, Frau und Kind. Das Team der Rechtsmedizin steht aber vor einem Rätsel: Warum wurden den Erwachsenen nachträglich die Arme amputiert und warum hat niemand ihr Verschwinden gemeldet?

Frederick Peyn hat an seinem ersten Tag gleich mit einem schwierigeren Fall zu kämpfen. Ein wichtiger Kronzeuge in einem Drogenprozess begeht – laut Aussage der Beamten des LKA – Selbstmord. Dr. Renner und Peyn entdecken jedoch, dass die Beamten lügen – es war keineswegs Selbstmord, denn der Kronzeuge war bereits tot, als die Kugel in seinen Kopf eindrang. Eine Tatsache, die die Beamten und deren Chef gar nicht gerne hören.

Darsteller:
Hannes Jaenicke («Abwärts») ist Dr. Daniel Koch
Anne Cathrin Buhtz («Ratten 2 – Sie kommen wieder!») ist Dr. Vera Bergmann
Charlie Hübner («Blackout – Die Erinnerung ist tödlich») ist Dr. Thomas Renner
Mirko Lang («Das Wunder von Bern») ist Frederick Peyn
Therese Hämer («Stromberg») ist Dr. Carolin Moritz
Tilo Nest («Obsession») ist Kommissar Brandt

Kritik:
Mit «Post Mortem» ist der Firma Sony Pictures, die im Auftrag von RTL produzierte, sicherlich eine der besten deutschen Krimiserien der vergangenen Jahre gelungen. Es ist verständlich, dass sich RTL gegen einen Titel wie «CSI: Köln» wehrt, aber im Grunde genommen könnte man die Serie durchaus so nennen. Zumindest was die Punkte Technik und Buch betrifft. Viele Schwachstellen gibt es im Pilotfilm der Serie nicht.

Ein Kritikpunkt gebührt sicherlich der Figur der Dr. Vera Bergmann. Im ersten Bild, das die Medizinerin zeigt, ist ein voller Aschenbecher in einem Auto zu sehen – Frau Bergmann füllt ihn mit einer weiteren Zigarette. Im Verlauf des Films wird fast schon zwanghaft darauf hingewiesen, dass Bergmann die einzige sei, die in den Räumen hier rauchen dürfte. Ohnehin sieht man sie in nahezu jedem Bild mit einer Zigarette in der Hand. Nur wenn sie an einer Leiche ´rumschnipselt, muss sie ihrer Sucht nicht nachkommen. Aber warum? Bergmann hat Probleme, das wird in der ersten Folge schon erkennbar, diese aber nur auf übermäßigen Tabakkonsum zu reduzieren, ist etwas zu platt. Um was es genau geht, wird im Piloten nicht klar – es bleibt zu hoffen, dass die Medizinerin im Laufe der Staffel eine bessere Problembewältigung betreibt.

Zudem könnte man darüber nachdenken, ob man die Vorbildfunktion für Jugendliche erfüllt, wenn ein „Held“ der neuen deutschen TV-Serie Kettenraucher ist. Hannes Jaenicke spielt seine Rolle als leitender Oberarzt sehr souverän – in gewissem Maße ähnelt er dem «CSI: NY»-Ermittler Mac Taylor. Die Rolle des Daniel Koch ist aber relativ kühl angelegt, der Doktor zeigt nur selten Gefühl und wirkt daher anfangs ein wenig unnahbar. Ohnehin fallen weitere Gemeinsamkeiten zur Bruckheimer-Serie auf. Die Zusammenstellung des Teams ähnelt «CSI: Den Tätern auf der Spur» erstaunlicherweise. Männlicher Hauptermittler, eine blonde und eine schwarzhaarige Frau, ein männlicher Ermittler und ein Jungspund.

Vom Aussehen her kann «Post Mortem» mit US-Produktionen in jedem Fall mithalten. Das Labor und das Verhörzimmer sind relativ dunkel eingerichtet. Die Wand zieren diverse Flachbildschirme, im Bürokomplex wurde ähnlich wie bei «24» viel aus Metall gefertigt. Von der Größe mal abgesehen könnte das Labor von «Post Mortem» durchaus auch irgendwo in den USA stehen. Und auch vom Look her kommt die neue deutsche Serie unheimlich amerikanisch herüber. Man habe sich ziemlich viel von «24» abgeschaut, erklärte Jaenicke kürzlich in einem Interview mit der Website fernsehlexikon.de. Die Kameraführung kann getrost als unruhig bezeichnet werden. Sie geht mit jeder kleinsten Körperbewegung mit. Auffallend: Vor allem kurz vor einem Schnitt zoomt das Bild aus jeder erdenkbaren Perspektive an die Gesichter der Hauptdarsteller heran.

Wie schnell das Format geschnitten ist, zeigen folgende Zahlen: In 45 Minuten sind etwa 1300 Schnitte zu sehen – ein «Tatort» kommt hingehen mit 900 aus, schreibt die TV Digital. Fast 29 Mal pro Minute ändert sich das Bild: Das ist Rekord. Damit übertrifft man sogar die US-Serie «24», die auf knapp über 20 Schnitte pro Minute kommt. Trotz dieser enorm hohen Schnittrate wirkt das Format nicht zu schnell oder zu hektisch, sondern genau so, wie es der Zuschauer von den US-Formaten gewohnt ist.

Ein filmisches Mittel, das der Zuschauer von «CSI» gewohnt ist, verwendet RTL jedoch nicht: Die Produktionsfirma hat darauf verzichtet, mit der Kamera in Körper hinein zu fahren, verengte Gefäße oder Blutstauungen zu zeigen. Dafür können die Leichenpuppen absolut mit ihren amerikanischen Kollegen mithalten. In etwa so viel wie ein Kleinwagen kostet eine Silikonleiche. Entnommen werden ihnen dann diverse Innereien, die genüsslich abgewogen werden – wie in den USA eben. Auch diverse Tatortkonstruktionen, zum Beispiel mit Hilfe von modernster Computertechnik, sind aus verschiedenen US-Serien bekannt – auch in diesen Punkt kann die RTL-Serie mit ihren Vorbildern mithalten.

Was auffällt: Die erste Episode spielt zu einem überwiegenden Teil im Studio: Das hat auch einen guten Grund: Denn kaum begibt sich das Team und Daniel Koch an die frische Luft, ist er wieder da, der typisch deutsche Look. Das darf aber kein Vorwurf an die Produktion sein. In Amerika herrschen nun einmal andere Lichtverhältnisse und der Serie einen Strick zu drehen, weil es keine atemberaubenden Strandaufnahmen wie in «CSI: Miami» gibt, ist Schwachsinn. Der stern schrieb kürzlich „Köln ist nun mal nicht Las Vegas“. Eine erstaunliche Erkenntnis. Warum man die Serie mit solchen Sätzen schlecht machen möchte, entzieht sich jedoch der gesunden Menschenkenntnis. Fakt ist: Es ist eine deutsche Serie und die sollte zumindest ein wenig Deutschland in sich tragen. Mit inbegriffen sind dann nun mal die anderen Lichtverhältnisse und eher unspektakulären Stadtaufnahmen.

Ähnlich wie bei «CSI» werden in «Post Mortem» in jeder Folge zwei Fälle behandelt. Im Pilotfilm steht der Fall um die Leichenfunde einer Familie aber leicht im Vordergrund. Beide Geschichten können vom Buch her in jedem Fall mit den Storys aus Amerika mithalten. Die Erzähldichte ist genauso hoch wie in den amerikanischen Produktionen, Langeweile ist somit nicht vorhanden. Im Klartext: Die Geschichte der Pilotfolge hätte in exakt gleicher Form auch in den «CSI»-Folgen vorkommen können und wäre vermutlich sogar in den USA gut angekommen.

Fazit: «Post Mortem» ist sicherlich eine eigenständige deutsche Serie, die nur thematisch etwas mit «CSI» gemeinsam hat. Wenn man bedenkt, dass die 45 Minuten Serie um ein x-fach billiger produziert wurden als eine 40-minütige «CSI»-Folge, muss man zugeben, dass den Machern ein großartiger Wurf gelungen ist. Möglicherweise können die Macher die Schwächen des Pilotfilms im Laufe der neun Folgen noch abstellen. Es wäre der deutschen Serie an sich zu gönnen, dass ein neues Format erstmals seit langer Zeit wieder zuschauertechnisch einschlägt. Sollte das auch bei «Post Mortem» nicht der Fall sein, dann müssen sich die Verantwortlichen große Sorgen machen. Jedem Liebhaber von Krimis – gerade mit dem Faible für Gerichtsmedizin - ist die Serie in jedem Fall zu empfehlen.

RTL zeigt neun Folgen der Serie «Post Mortem» ab Donnerstag, den 18. Januar 2007, um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/18320
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