Er war einer der Pioniere in Sachen Ermittler-Doku am Vorabend. Ingo Lenßen, der in der Gerichtsshow «Alexander Hold» bekannt wurde, sprach mit Quotenmeter.de über aktuelle Rechtsfälle, die Quoten seiner Sendung und erklärte, warum er auch heute noch als Anwalt tätig ist.
Herr Lenßen, Ihre Karriere hat bei «Richter Alexander Hold» begonnen. Im Normalfall sind Gerichtsshows unter Juristen nicht wirklich hoch angesehen – wie lautet Ihre Meinung über die Nachmittagssendungen?
Zunächst einmal würde ich das nicht als Karriere bezeichnen – mit diesem Ausdruck habe ich ein paar Probleme. Die Einschätzung der Juristen kann ich nachvollziehen. Courtshows geben nicht viel von einem tatsächlichen Alltag im Gerichtssaal wieder. Aber sie erzeugen wesentlich mehr Spannung als es in der Realität gibt. Man kann den Menschen so den Ablauf einer Gerichtsverhandlung wunderbar näher bringen. Letztlich – und da müssen wir ehrlich sein – sind Gerichtsshows Unterhaltung, wie Talkshows oder anderes. Man kann Probleme und Streitigkeiten in diesem Rahmen wunderbar transportieren.
Sie haben bei «Richter Alexander Hold» angefangen als Rechtsanwalt. Irgendwann hat dann aber jemand festgestellt, dass Sie sich wohl auch als tragende Figur einer eigenen Serie eignen würden. Wie lange mussten Sie überlegen, ehe Sie zugesagt haben?
Eine ganze Zeit lang. Etwa ein halbes Jahr bevor ich gefragt wurde, habe ich noch zu meiner Frau gesagt, dass ich auf keinen Fall eine eigene Sendung haben möchte. Ich war der Meinung, diese Dinge zeitlich nicht auf die Reihe zu kriegen. Wir haben dann zunächst einen Piloten gedreht – und da muss ich sagen, dass mich diese Arbeit auf einmal unheimlich fasziniert hat. Es war gänzlich anders als bei Alexander Hold und es war wirklich spannend.
Sie drehen nun ja schon eine ganze Weile an der Serie. Was macht denn am meisten Spaß?
Am meisten freut mich die Arbeit im Team, mit dem Kameramann, mit dem Toningenieur, den Regisseuren… Es ist schön, Dinge, die vorher in einem Buch stehen, dann auch wirklich in die Tat umzusetzen. Aber logisch: Die Möglichkeit, ein bisschen vor der Kamera zu spielen, macht auch riesigen Spaß.
Und was macht am wenigsten Spaß?
Es ist eigentlich alles okay. Ich werde aber oft gefragt, ob ich es toll finde, dass ich im Fernsehen zu sehen bin. Meine Antwort lautet dann immer: Das interessiert mich eigentlich gar nicht – mich interessiert nur die Arbeit am Set. Eine Einschränkung gibt es allerdings: Das Ergebnis schaue ich mir jeden Tag an – jeden Morgen sehe ich nach, welche Quoten wir hatten.
Sie sind ein echter Anwalt. Ich hoffe aber für Sie, dass Sie in Ihrer täglichen Arbeit in Ihrer Kanzlei nicht die Dinge erleben, die tagtäglich bei «Lenßen & Partner» passieren.
Wenn Sie die Gefahrenmomente ansprechen: Die erlebe ich gewiss nicht – wobei man das einschränken muss. Es gab schon auch einige brenzlige Situationen. Wenn Sie aber auf die Skurrilität mancher Geschichten anspielen, muss ich Sie enttäuschen: Denn die können das wahre Leben toppen.
Bleiben wir kurz bei den Gefahren. Als Anwalt hat man ja zwangsläufig auch mal mit nicht ganz so lieben Jungs zu tun. Was kann denn passieren, wenn ein Prozess mal nicht so ausgeht, wie die sich das vorgestellt haben?
Das kann unangenehm werden. Es kommt schon vor, dass man bedroht wird. Man konnte in einigen Fällen auch verfolgen, dass den Anwälten dann körperliches Leid zugefügt wurde. Das kommt aber ganz darauf an, mit wem ich es zu tun habe und was ich ihm im Vorfeld versprochen habe. Wenn man den Tätern jetzt Dinge verspricht, die absolut unrealistisch sind – und das kommt vor – dann muss man sich rechtfertigen, wenn man diese Versprechen nicht einhalten kann.
Wie verhalten Sie sich in solchen Situationen?
Die lassen mich natürlich keineswegs kalt. Ich sage den Leuten im Vorfeld aber sehr deutlich, was rauskommen kann und mit welchem Risiko sie leben müssen. Das fassen die Menschen meistens sehr gut auf. Wenn es dann also mal zu Problemen kam, dann immer aus dem Grund, dass sich jemand nicht beherrschen konnte – aber eigentlich nie aus der Enttäuschung heraus, dass man das Gefühl hatte, der Anwalt hätte im Vorfeld gelogen.
Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie die Quoten sehr genau verfolgen. Dann stimmen Sie mir sicherlich zu, wenn ich sage, dass es nun wieder ganz gut läuft, aber bei Weitem nicht so überragend wie vor August 2006.
Stimmt, ja.
Ist das jetzt die natürliche Abnutzung eines Formats, liegt es am stärkeren Gegenprogramm oder an beidem?
Von einer Abnutzung kann man gar nicht sprechen. Wir gewinnen jeden Tag ein paar neue Zuschauer dazu. Wir mussten ein großes Problem bewältigen: Die kurzzeitige Verschiebung auf den 16-Uhr-Sendeplatz. Wir haben schon nach der ersten Verschiebung zwei, drei Monate gebraucht, bis die Zuschauer sich an die neue Zeit gewöhnt haben. Und diese Zeit benötigen sie jetzt vermutlich auch. Das gesamte Team hat stark an dem Format gearbeitet, die Bildsprache ist wesentlich feiner geworden. Ich gehe fest davon aus, dass schon bald wieder die gleiche Anzahl an Zuschauern «Lenßen & Partner» sehen wird wie vor August 2006.
Wie oft drehen Sie in der Woche?
Drei Tage in der Woche.
Demnach sind Sie an den beiden anderen Tagen als richtiger Anwalt tätig.
Genau so ist es.
Ein normaler Anwalt verdient jetzt im Normalfall auch nicht ganz so schlecht – da stellt sich mir schon die Frage, warum Sie sich dann einen nicht ganz unanstrengenden Zweitjob antun. Sie würden sicherlich auch mit einem Job über die Runden kommen.
Die Frage habe ich mir selbst auch schon gestellt. Für mich ist es eine Gnade, dass ich den Luxus habe, zwei grundunterschiedliche Berufstypen ausleben zu dürfen. Ich bin zum einen ein Darsteller vor der Kamera und auf der anderen Seite Anwalt, das ist sicher auch der ernsthaftere und gediegenere Beruf. Das ist für mich so erfüllend, dass ich mir nicht vorstellen kann, eines von beidem aufzugeben. Auch wenn ich dafür zahlreiche Hobbys opfern musste (lacht).
Spüren Sie denn bei wirklichen Verhandlungen so etwas wie einen „Star-Bonus“? Man kennt Sie ja schließlich…
Ich hatte zunächst vor Vorurteilen etwas Furcht, denn Juristen gelten ja als seriös und auch konservativ. Ich dachte mir, möglicherweise sind die der Meinung: Da kommt jetzt der Knaller aus dem Fernsehen und meint hier ‘ne große Welle machen zu können. Aber tatsächlich spielt das eigentlich gar keine Rolle, demnach habe ich auch keinen Star-Bonus.
Herr Lenßen, vielleicht kurz ein paar Ratschläge in Sachen Recht für unsere Leser. Im Internet gibt es sehr dubiose Seiten – da kann es dann schon einmal passieren, dass Wochen später eine Rechnung in Höhe von 50 – 60 Euro ins Haus flattert, ohne, dass man wirklich bemerkt hat, dass der Dienst kostenpflichtig ist. Was macht man dann?
Grundsätzlich würde ich solche Dienste im Internet erst gar nicht in Anspruch nehmen. Wenn das aber doch einmal passiert und dann eine solche Rechnung kommt, würde ich vorschlagen, dass man zunächst einfach einmal abwartet. Am besten gar nicht reagieren, bis ein Mahnbescheid kommt. Ist der dann im Haus, würde ich den Betrag einfach bezahlen. Das kostet dann zwar noch einmal 15 oder 20 Euro mehr, aber es lohnt sich nicht, wegen ein paar Euro seine Zeit mit einem Rechtsstreit zu vergeuden.
Da wären die Prozesskosten alleine schon höher…
Es geht ja nicht nur um Geld, es geht vor allem um die Zeit, die man damit vergeudet. Das ist Zeit, in der ich mit meiner Frau abends essen gehen könnte, in der ich einen schönen Film gucken könnte… Ein solcher Rechtsstreit wegen einem relativ niedrigen Betrag – das sollte nicht lebensgestaltend sein. Aber mir ist natürlich klar, dass es weh tut, wenn man da meinetwegen 80 Euro für so etwas zahlen muss.
Kommen wir zum Thema „Stalking“ – gibt es immer noch so wenige Möglichkeiten, dagegen vorzugehen?
Es gibt jetzt ein neues Gesetz, das ist Paragraph 238 StGB, glaube ich. Ein kleines Problem sehe ich freilich: Es gibt einen Beschluss und darin wird mit dem Begriff „schwerwiegender Eingriff“ hantiert. Man muss jetzt erst ein paar Urteile abwarten, um dann zu sehen, wie die Richter das Wort „schwerwiegend“ auslegen. Bei leichten Vorfällen ist eine Geldstrafe die Regel, auch ein Jahr Haft ist möglich. Bei schwerwiegenden Fällen – zum Beispiel, wenn ein Opfer zu Tode kommt – ist dann von einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren die Rede. Es gibt also schon ausreichend Möglichkeiten, ein solches Verhalten zu ahnden.
Aber melden sich möglicherweise die meisten Opfer erst gar nicht zu Wort?
Ja, das glaube ich auch. Viele melden das Stalking gar nicht erst. Das entsprechende Gesetzt ist noch neu – das Gefühl, dass man sich wirklich juristisch dagegen wehren kann, ist bei den Geschädigten deswegen oft noch nicht vorhanden.
Es gab ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zum Thema Vaterschaftstests. Wie bewerten Sie das?
Sehr positiv. Es kann nicht sein, dass der Vater extrem gehindert ist, etwas zu unternehmen, wenn er Zweifel an der Vaterschaft hat. Bisher musste man ja schwerwiegende Zweifel vortragen, das heißt, ein weißhäutiger Vater musste seine Zweifel damit begründen, dass sein Kind dunkelhäutig ist. Wenn aber keine wirklichen Auffälligkeiten vorlagen, dann wurde es schwer für den Mann. Keine Frage: Es ist nicht in Ordnung, wenn solche Tests heimlich gemacht werden, in dem man einfach mal die Zahnbürste des Kindes mitgehen lässt. Deswegen ist es gut, dass die Richter in Karlsruhe den Gesetzgeber aufgefordert haben, bis März 2008 eine neue Regelung zu finden.
Auch an Sie richten sich unsere abschließenden, kurzen und knappen Sonntagsfragen:
Wen würden Sie denn gerne einmal persönlich treffen?
Wolfgang Niedecken von BAP.
Was ist Ihre negativste Eigenschaft?
Ich kann ganz schlecht warten, will eher immer alles sofort haben. Ich kann auch an der Supermarktkasse nicht lange stehen. Ich glaube, bevor es dort zu lange dauert, würde ich eher alles wieder zurücklegen und im nächsten Markt einkaufen (lacht).
Wo würden Sie jetzt gerne Urlaub machen?
Gott sei Dank mache ich Ende März eine Woche Urlaub – auf den Malediven.
Vielen Dank für das Gespräch und einen schönen Urlaub.