RTL II-Programmdirektor Axel Kühn sprach mit Manuel Weis über die laufende Staffel von «Big Brother» und die größte Überraschung der siebten Ausgabe. Außerdem: Alles über den Flop «KTI», das Kinderprogramm des Senders und neue Reality-Formate.
Herr Kühn, bleiben wir noch einmal beim großen Bruder. Was hat Sie bei «Big Brother 7» bisher am meisten überrascht?
Es überrascht mich am meisten, wie bewusst sich die Bewohner der Kameras sind. Ich denke, die aktuellen Kandidaten inszenieren sich so sehr wie in keiner Staffel zuvor. Man hat das Gefühl, dass sie jede einzelne Sekunde jemanden darstellen, der sie möglicherweise nicht sind. Normalerweise hatten die Teilnehmer früher nach ein paar Wochen die Kameras vergessen – heute verhalten sich die Kandidaten viel professioneller.
Was war der größte Fehler?
Ob das jetzt der größte Fehler war, weiß ich nicht. Mich hat es am Anfang gestört, dass man glauben konnte, den Kandidaten geht es zu gut. Ich hab’ das eines Morgens gesehen und festgestellt, dass sie vor einem so prallen Frühstückstisch sitzen – so frühstücke ich ja nicht mal sonntags. Das führt möglicherweise dazu, dass der Zuschauer neidisch wird. Wir haben dafür gesorgt, dass die Kandidaten im Haus durchaus begrenzte Ressourcen haben und eben nicht alles vorgesetzt bekommen.
Herr Kühn, ich finde, die Kandidaten verhalten sich teilweise recht unverschämt gegenüber «Big Brother». Da wird die Einrichtung demoliert, «Big Brother» wird beschimpft – und nichts passiert. Wieso greifen Sie nicht durch?
Basti wurde für seinen Ausraster bestraft. Und auch Eddy sollte sich langsam zurückhalten. Ich glaube aber, dass wir mit Strafen bei den Kandidaten wenig erreichen. Es ist schon der Wahnsinn, mit welcher Motivation manche ins Haus gegangen sind. Den Bewohnern geht es nicht ums Gewinnen, ihnen reicht dieses kleine bisschen Berühmtheit schon, was sie durch ein paar Wochen im Haus erlangen. Wem das bereits genügt, den kannst du natürlich auch nicht bestrafen.
Das wird man aber nicht mehr ändern können.
Vermutlich wird man das aus den Köpfen der Kandidaten nicht mehr rausbekommen.
Dennoch: Die Wochenzusammenfassungen sind aus dem Programm verschwunden.
Die brauchen wir auch nicht. Die «Big Brother»-Fans verfolgen das Format regelmäßig, da ist es nicht nötig, am Sonntagnachmittag das Geschehen einer ganzen Woche zusammenzufassen. Die «Mythbusters» sind ein klar besseres Lead-In in die Wissensschiene. Mit «Big Brother» haben wir die Sehgewohnheiten der Zuschauer zwei Mal gebrochen – von «X-Factor» auf Reality und dann zu Wissen. Das ist selbst am Sonntag keine optimale Vorgehensweise.
Planen Sie eine achte Staffel?
Derzeit nicht. Wir wollen darüber erst reden, wenn die siebte Staffel vorbei ist.
Im Juli wird «Big Brother» zu Ende gehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie den Zuschauern dann bis Frühjahr 2008 auf diesem Sendeplatz Sitcoms zeigen. Was planen Sie dort?
Direkt nach «Big Brother» wird keine neue Eigenproduktion folgen. Allerdings haben Sie recht: Im Herbst wird es um 19 Uhr ein neues Format geben.
Ein Reality-Format?
Nicht Reality im klassischen Sinn, aber schon eine Sendung, in der wir echte Menschen und deren Probleme zeigen.
Um 18.30 Uhr haben Sie mit «KTI» eine fürchterliche Schlappe erlitten. Nach einem sehr schlechten Start sind die Quoten allerdings angestiegen. Von daher war es überraschend, dass Sie nur einen so kurzen Atem hatten. Wieso haben Sie dem Format nicht ein oder zwei Wochen mehr Zeit gegeben?
Wir waren uns bewusst, dass wir mit «KTI» ein sehr hohes Risiko eingehen. Ein Ermittler-Format ist RTL II-Artfremd. Es war aber einen Versuch wert, auch wenn es nicht geklappt hat. Zu Ihrer Frage: Am letzten Tag lief «KTI» derart schlecht, dass die Leidensgrenze einfach überschritten wurde und wir sofort handeln mussten. An den aktuellen Zahlen sieht man auch, dass wir das Richtige getan haben. «Hör’ mal, wer da hämmert» schlägt sich sehr gut – das macht mich happy, denn nun haben wir eine Baustelle weniger im Programm.
Sie haben 30 Folgen produziert, sieben Stück sind bisher gelaufen. Was passiert mit den 23 verbleibenden?
Die werden wir zeigen. Wir haben einige eingeführte Crime-Sendeplätze, zum Beispiel am späten Sonntag- oder Montagabend. Dort wird «KTI» eingesetzt werden.
Sollte das Format dort erfolgreich sein – ist auch dann eine zweite Staffel ausgeschlossen?
Wir werden definitiv keine neuen Folgen in Auftrag geben.
Wie wichtig ist das Anime-Programm für RTL II?
Unser Kinderprogramm ist wahnsinnig wichtig. Das legitimiert unseren Anspruch, ein Vollprogramm zu sein. Einige andere Vollprogramme strahlen überhaupt keine Kindersendungen mehr aus – dass diese sich dann trotzdem ‚Familiensender’ nennen, ist schon absurd. Wir haben einige neue Formate für unsere kleinen Zuschauer eingekauft. Eines davon ist beispielsweise «Viva Piñata». Das werden wir ab dem Spätsommer zeigen. Witz und gute Laune stehen dort im Mittelpunkt. «Viva Piñata» basiert auf einem Microsoft Game und soll dessen Attraktivität und Unterhaltungswert übertrumpfen. Lebhafte Abenteuer, witzige Dialoge, eine Serie die Vergnügen bereitet.
Vielleicht könnten Sie kurz den Inhalt schildern?
Die Piñatas leben auf einer tollen grünen Insel namens Piñata. Es gibt 60 unterschiedliche Piñatas und jedes einzelne ist eine charmante Persönlichkeit, welche die Zuschauer unterhalten und überraschen wird – denn nichts machen sie lieber als Partys zu feiern. Dabei mit Kindern Spaß zu haben, ist das Größte für die Piñatas.
RTL II ist zudem auch der Bollywood-Sender. Die vergangenen Filme liefen aber nicht mehr ganz so erfolgreich. Wie wird es in diesem Bereich weitergehen?
Wir zeigen weiterhin Bollywood-Filme, allerdings nicht mehr so viele wie im vergangenen Jahr. Wir präsentieren die wahren Bollywood-Blockbuster, die dann auf einem unserer Spielfilmsendeplätze zu sehen sein werden.
Recht erfolgreich laufen die Wissensmagazine bei Ihnen. Dass Sie mit ProSieben nicht mithalten können, ist ja eigentlich klar, deswegen kann man da recht zufrieden sein. Planen Sie möglicherweise eine Ausweitung der Wissensschiene?
Nein. Wir arbeiten aber inhaltlich an den Formaten, um sie wieder stärker gegen die Konkurrenz zu positionieren. Auch hier ist es wichtig, dass wir die Formate „unique“ machen. Sie sollen sich von den ProSieben-Angeboten, aber auch von Sendungen wie «Wissenshunger» und Co. abheben. «Welt der Wunder» ist ein eigenständiges Magazin und nicht „Just another Wissenssendung“. Darum kümmert sich nun im Übrigen Jürgen Ohls, unser Chefredakteur in Köln. Er hat bereits mit seinen Nachrichten bewiesen, dass er ein gutes Händchen hat.
Wie sehr fuchst es Sie, dass Ihnen kabel eins und VOX vorgemacht haben, wie man am Sonntagabend mit echten Menschen erfolgreich sein kann? RTL II krebst da mit Katastrophenfilmen herum.
Wir zeigen auch am Sonntag sehr erfolgreiche Produktionen. Aber in der Tat, die Kollegen machen zum Teil ein Programm, das eigentlich sehr gut zu uns passen würde. Wir arbeiten an neuen, spannenden Ideen, daher ist es also durchaus vorstellbar, dass wir irgendwann einmal am Sonntagabend etwas anderes zeigen als Spielfilme.
Sind Sie also ein bisschen neidisch?
So würde ich das nicht sagen. So langsam müsste ja eigentlich jeder ausgewandert sein, der auswandern will (lacht).
Wo wir gerade bei Primetime-Sendungen sind, die Sie neu planen. Zwei hübsche Mädels werden künftig zu RTL II-Gesichtern…
…stimmt, wir machen eine Sendung mit Lynne und Tessa.
Für alle, die mit den Namen nichts anfangen können: Lynne und Tessa sind durch YouTube, Clipfish und Co. bekannt geworden. Sie haben dort zu Liedern getanzt und die Lippen bewegt.
Das sind eigentlich Weltstars im Internet. Unsere Show, die wir am Pfingstmontag um 22.15 Uhr nach einer vorgezogenen «Big Brother»-Sendung zeigen werden, wird sehr witzig. Lynne und Tessa sind nicht nur wirklich süß, sondern auch talentiert. Sie passen sehr gut zu RTL II.
Ist das eine einmalige Sache ist bei Erfolg auch eine Reihe denkbar?
Wir werden mit den beiden weiterhin zusammenarbeiten.
Eine reine Clipfish-Show ist aber nicht geplant?
Warum? Mit Lynne und Tessa präsentieren wir ja das Beste von Clipfish.
Planen Sie sonst weitere neue Shows, bis auf «Big Brother» haben Sie ja in dem Bereich nicht wirklich etwas im Programm?
Reine Shows planen wir nicht, nein. Wir entwickeln allerdings derzeit etwas Neues für unsere «Kochprofis» – die wollen wir noch stärker als Gesichter unseres Senders positionieren. Ansonsten setzen wir weiterhin auf echte Menschen. Das Einzige, was aus diesem Umfeld auch gut zu RTL II gepasst hätte, wäre das «Quiz Taxi» gewesen. Das hätte sicherlich gut in unseren Vorabend gepasst.
Kurze Frage noch zu «Ärger im Revier». Das lief eigentlich immer recht erfolgreich bei Ihnen, dennoch sind schon seit längerem keine neuen Episoden zu sehen. Wie geht es dort weiter?
«Ärger im Revier» ist ebenfalls nicht „unique“. Das macht Sat.1 ja auch – deswegen werden wir dort keine neuen Folgen produzieren. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass irgendwo mal Wiederholungen laufen werden.
Herr Kühn, Sie kommen ja von Tresor TV – lachen oder weinen Sie eigentlich in Ihrer Rolle als RTL II-Programmdirektor, wenn Sie an die Quoten von «Popstars 5» denken?
(grinst) Da schlagen in mir weiterhin zwei Herzen. Ich freue mich sehr für meine ehemaligen Kollegen von Tresor TV, die da wirklich tolle Arbeit leisten. Aber ganz ehrlich: Ich kann es nicht verstehen, wie RTL II dieses Format damals ziehen lassen konnte. Für «Popstars» an sich war das möglicherweise nicht schlecht und als ehemaligem Tresor TV-Mensch gratuliere ich mir für die Entwicklung auch ein wenig selbst, aber für RTL II war diese Entscheidung eigentlich eine Katastrophe.
Last but not Least – Sie zeigen im Sommer ein Konzert zu Ehren von Diana. Wieso haben Sie die Rechte erworben?
Das ist ein echtes Konzerthighlight. In England waren die Karten innerhalb von wenigen Minuten vergriffen – also kann es ja nicht ganz uninteressant sein. Dass wir – wenn Robbie Williams’ Mama Recht hat – möglicherweise die Reunion von Take That im Programm haben werden, wussten wir damals noch gar nicht. Aber das macht es natürlich noch besser.
Zum Abschluss stellen wir unseren Interviewpartnern kurze und knappe Sonntagsfragen. Auch Sie entkommen diesen nicht: Herr Kühn, welche Sendung verpassen Sie nach Möglichkeit nicht im TV?
Ich sehe sehr gerne Real-People-Formate im Fernsehen – natürlich bevorzugt die von RTL II. Aber auch das «Perfekte Promi Dinner» gefällt mir gut. Wenn es aber wirklich um Sendungen geht, die ich nie verpasse, dann müsste ich hier auch «Desperate Housewives» und «Deutschland sucht den Superstar» nennen.
Wo schalten Sie sofort weiter?
Das ist schwer. Man guckt ja in vieles mal rein. Schwer enttäuscht bin ich derzeit eigentlich von Comedy-Formaten. Das, was da geboten wird – da zieht’s einem eigentlich die Schuhe aus. Von allen Freitags-Comedy-Formaten kannst du eigentlich nur «Mein Leben und ich» anschauen.
Wen würden Sie gerne einmal treffen?
Sofie Coppola. Mit Rudi Carell hätte ich im Übrigen auch gerne einmal ein Bierchen getrunken.
Vielen Dank für das Gespräch.