Über einen angeblichen Skandal des Grimme-Online-Awards, der am Montagmorgen die Blogszene bewegte. Ein Leserbrief von Lars Heyne - freier Journalist und ehemaliger Mitarbeiter des Grimme-Instituts
In der Blogszene weht einem als Preisverleiher mitunter ein harter Wind ins Gesicht.
Jene Erfahrung hat am Montagmorgen das Adolf Grimme Institut machen müssen. Ganz anders als das brave und kritikscheue Publikum, der ansonsten von dem Institut ausgezeichneten Fernsehinhalte, ist die Internetgemeinde ein unmittelbarer und manchmal auch schmerzhafter Impulsgeber, der kein Blatt vor das Blog nimmt.
Heute morgen titelte das Online-Medienmagazin DWDL.de mit der Schlagzeile „Debakel um Grimme-Online-Award“ und besser noch: der verantwortliche Redakteur Lückerath trug zum Ende des Artikels den Preis vollständig zu Grabe. Was war geschehen mit der renommiertesten deutschen Auszeichnung für Inhalte und Informationen im Internet?
Bemerkenswerterweise ist der Artikel voll von skandalisierenden Substantiven, die den eigentlichen Kern des Fauxpas gar nicht treffen. So wittert Lückerath „den Super-GAU“ und wettert, aus „einer ehrenhaften Auszeichnung“ sei „eine Farce“ geworden (Quelle).
Die Vorwürfe sind schnell erklärt: Sowohl DWDL als auch der BlogPapst Stefan Niggemeier werfen dem Grimme-Institut vor, die Gewinner des Grimme-Online-Awards bereits vor der offiziellen Bekanntgabe im Internet kommuniziert zu haben. In der Tat scheint es, dass die Internetseiten des Grimme Instituts in den Abendstunden des 18. Juni 2006 versehentlich bereits die Preisträger darstellten. Der eigentliche Fauxpas bestand nun darin, dass der Publikumspreis, der zu diesem Zeitpunkt noch in der Abstimmung war, hier bereits bekannt gegeben wurde. So manch einer witterte eine Verschwörungstheorie. Dazu kamen erneut Vorwürfe, es seien Nominierungsfristen nicht eingehalten worden, und ein Mitglied der Nominierungskomission habe seine eigene Internetseite für den Preis vorgeschlagen. Dem letzten Punkt nahm sich bereits vor Wochen der Direktor des Grimme-Instituts Uwe Kamann persönlich an und widerlegte diesen glaubhaft in einer Klarstellung.
Stefan Niggemeier, einst mit dem Grimme-Online-Award für BILDblog ausgezeichnet und dieses Jahr erneut auf der Gewinnerliste, droht nun aufgrund der jüngsten Vorfälle auf seinem Blog (www.stefan-niggemeier.de) den Preis unter Umständen abzulehnen. „Ich habe also diesen Grimme-Online-Award 2007 gewonnen. Will ich ihn haben?“ (Quelle ).
Unbestritten ist dem Institut hier mit der unbeabsichtigten Vorabveröffentlichung eine Panne unterlaufen. Dennoch ist klarzustellen, dass das Erstellen von Vorlagen und Entwurfsseiten im Online-Geschäft absolut gängig ist. Dass diese Vorabversion nun online zu sehen war und dazu noch die tatsächlichen Preisträger enthielt ist nicht mehr als ein Versehen. Auch an der Tatsache, dass der Publikumspreis zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gegeben wurde kann man nichts Skandalöses finden. Bestenfalls Nachlässigkeit und mangelnde Qualifikation im Bedienen eines Online-Redaktionssystems.
Niggemeier fordert darüber hinaus in seinem Blog man solle den Preis aus den Händen seiner Organisatoren befreien. (Quelle ). Dies zu tun hieße, den Preis einzustellen. Es sind gerade der inhaltliche Fokus und die Maßstäbe der Organisatoren und der Jury, die dem Preis das Renommee verleihen. Techniker und EDV-Nerds würden wohl kaum eine Seite wie BILDblog auszeichnen und zu Bekanntheit verhelfen. Der Grimme-Online-Award muss sich auch weiterhin primär über die inhaltliche Qualität definieren.
In Wirklichkeit steht der Grimme-Online-Awards vor viel größeren Herausforderungen: ein Förderer wie Intel es in den letzten Jahren war, ist bislang nicht gefunden und solange dies nicht passiert steht der Preis finanziell gesehen auf schwachen Beinen. Der zum Teil in Fachkreisen erhobene Vorwurf der mangelnden Transparenz ist nicht von der Hand zu weisen. Dass sowohl Nominierungskommission als auch Jury hinter verschlossenen Türen tagen, fördert Verschwörungstheorien á la Lückerath. Auch das Grimme-Institut sollte die Zeichen der Zeit erkennen und darüber nachdenken zumindest Teile dieses Evaluationsprozesses online als Blog oder sogar VideoBlog darzustellen. Ganz deutlich wird hier, dass das Institut Kompetenzen und Inhalte auszeichnet, die sie selbst noch nicht sicher beherrschen oder routiniert einsetzen. Und dies gilt nicht nur für den Online-Award.
Aber dazu schauen Sie sich besser eine Grimme-Fernsehpreisverleihung aus dem Theater in Marl an und Sie werden verstehen was ich meine.