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Christiansen, die Letzte: Aalglatt und massentauglich

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Zehn Jahre lang talke Sabine Christiansen am Sonntag mit Politikern. Außer Phrasen und Selbstdarstellern hat die Sendung nur selten hervorgebracht, meint Quotenmeter.de-Redakteur Alexander Krei.

Die einen lobten ihre Show als wichtigen Teil der deutschen Fernsehlandschaft, andere hatten nur Hohn und Spott übrig für das sogenannte „Ersatzparlament“. Nach fast zehn Jahren verabschiedete sich Sabine Christiansen am Sonntagabend vom Bildschirm – in ganz anderer Weise als man ihre Talkshow in Erinnerung hatte. Anstelle von Parteichefs, Generalsekretären und Wirtschaftsbossen nahm mit Horst Köhler der höchste Mann im Staate Platz.

Foto: ARDEine große Ehre, die sicherlich nicht jedem Fragensteller zuteil wird. Offen und ehrlich stellte er sich den – zugegeben harmlosen – Fragen der Moderatorin, die es in Zukunft nach Paris und ins internationale Talk-Geschäft zieht. Einzig einige Gäste aus dem Publikum hakten kritisch nach. Und so wurden alle relevanten Themen der Christiansen-Ära Schritt für Schritt abgearbeitet: Die Nicht-Begnadigung von Christian Klar kam ebenso zur Sprache wie der G8-Gipfel in Heiligendamm oder Köhlers sonstige Lebensansichten. Als „Unterschriftenmaschine“ sehe er sich nicht, sagte der Bundespräsident im Bezug auf seine Gesetzes-Vetos der vergangenen Jahre. Ganz volksnah gibt sich Köhler, der zugab, manche Steuererklärung oft selbst nicht zu verstehen.

Und auch das durfte nicht fehlen: „Wir müssen die Politik fordern“ und „Jeder Einzelne ist gefragt“ – Sätze Köhlers, wie sie auch von jedem anderen Gast, der auf den weißen Stühlen im Berliner Kugel-Studio Platz nahm, hätten kommen können. Doch genau von Phrasen dieser Art lebte der Talk in den vergangenen Jahren. Die Fischers, Schröders, Westerwelles und Lafontaines waren letztlich alle austauschbar, waren die Argumente doch stets schon vor dem Auftritt bekannt. Dass auch nur ein Gast seine Meinung am Ende der Sendung ändern würde, traf in all den Sendungen kein einziges Mal zu und blieb bis zum Schluss ein Wunschtraum.




Letztlich ging es den Politikern bei Christiansen doch nur darum, sich in einem guten Licht präsentieren zu können. Für eine Wählerstimme wurde gerne mal ein Schuh mit einer eingearbeiteten „18“ in die Kamera gehalten oder ein sympathischer Spruch in die Runde geworfen. „Aalglatt und möglichst massentauglich“ – nach diesem Motto betraten sämtliche Politiker den inoffiziellen Plenarsaal der Bundesrepublik.

Was bleibt also übrig nach hunderten Gesprächen? Wenn man Christiansen für eines dankbar sein kann, dann dafür, dass sie den politischen Talk salonfähig gemacht hat. Ohne ihre Sendung hätte es einen Frank Plasberg in der jetzigen Form wahrscheinlich nie gegeben. Auch Sandra Maischberger profitierte wohl von der „Talk-Queen“, die sich im Laufe der Jahre zu einer Marionette der Politiker gewandelt hat. Mittlerweile gehört Christiansen zu den einflussreichsten Frauen Deutschlands und hat dadurch gleichzeitig viel von ihrer Glaubwürdigkeit einbüßen müssen. Höhepunkt der letzten Sendung war übrigens der Auftritt von Olli Dittrich als „Dittsche“, der Christiansens Talk innerhalb kurzer Zeit entlarvte: Was der Show fehlte, waren Eigenschaften, wie sie „der kleine Mann“ verkörpert – nämlich Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Dass ausgerechnet Günther Jauch an die Scheibe des Dittsche-Imbisses klopfte, war an Ironie kaum zu überbieten.

Doch zurück zum Talk: Im Herbst wird Anne Will zeigen können, ob sie es besser kann. Aus Sicht der Zuschauer wäre es wünschenswert, verkomme der so prominente Sendeplatz am Sonntagabend nicht weiter zur Bühne für Selbstdarsteller, die womöglich sogar die Politikverdrossenheit in unserem Land noch fördert. Der Moderatoren-Wechsel sollte als Chance angesehen werden, die Politik wieder stärker zu hinterfragen. Trotz allem: Danke, Frau Christiansen.


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