Für das Internet-Forum "Call-in-TV.de", dessen Mitglieder das Programm sämtlicher Call-TV-Shows ansehen, sieht die Zukunft düster aus. Benutzer dürfen fortan nicht mehr über "verwirrte Anrufer" schreiben, sonst könnte die Münchener Endemol-Produktionsfirma Callactive eine Strafe von bis zu 250.000 Euro verlangen.
Das hat das Münchener Oberlandesgericht entschieden. Teilnehmer des Forums hatten Callactive immer wieder beschuldigt, fiktive Anrufer in die Sendung zu stellen. Ein Vorwurf, den das Unternehmen nicht auf sich sitzen lassen wollte. Für das Team um den Systemadministrator Mark Doehler, der das kritische Forum betreibt, ist das ein herber Rückschlag. "Da ich es mir finanziell einfach nicht mehr leisten kann, hier nun ebenfalls Widerspruch gegen das Urteil einzulegen, werde ich mir bis zur endgültigen Urteilsverkündung eine andere Strategie ausdenken, um objektiv und wahrheitsgetreu das allabendlich dort stattfindende Treiben zu dokumentieren", so Doehler auf seiner Website.
Die Benutzer reagierten auf die Entscheidung des Münchener Oberlandesgerichts empört und sahen ihre Meinungsfreiheit deutlich eingeschränkt. Für Besitzer von Internet-Foren wird die Luft durch das Urteil immer dünner, haften sie schließlich bereits heute für die Beiträge Dritter. Neuerdings muss wohl damit zu rechnen sein, dass Betreiber schon dann für Beiträge haften, wenn eine Unterstellung möglich sei.
Die Zukunft des Call-in-TV-Forums ist daher noch völlig offen. Wie empfindlich Callactive auf die freie Meinungsäußerung in Foren und Blogs reagiert, zeigte auch das Beispiel Stefan Niggemeier. Die Produktionsfirma hat den Journalisten abmahnen lassen, weil zwei Leser seines Blogs sich in ironischer und kritischer Weise mit den Machenschaften von Callactive auseinandersetzten. Niggemeier bezeichnete die Entscheidung als "frustrierend". Der Journalist weiter: "Es scheint mir, wie einige andere Entscheidungen, darauf hinauszulaufen, dass die deutschen Gerichte eine offene Debatte über zweifelhafte Geschäftspraktiken für gefährlicher halten als die Geschäftspraktiken selbst."