In 60 Minuten Fernsehunterhaltung kann jede Menge passieren. Langweilig wird es nie, neben positiven Erfahrungen darf der Zuschauer durchaus auch negative Erlebnisse verarbeiten. Quotenmeter.de-Redakteure unterziehen sich künftig regelmäßig «Einer Stunde Wahnsinn». Den Anfang macht Chefredakteur Manuel Weis, der in seiner Mittagspause (12.00 Uhr bis 13.00 Uhr) am Mittwoch den Fernseher laufen ließ.
Mittwochmittag, 12.00 Uhr. Nanu, das RTL-Mittagsmagazin «Punkt 12» läuft bereits – in Köln war man wie so oft mal wieder überpünktlich. Oder gehen die Uhren in Köln drei Minuten vor? Katja Burkard präsentierte in jedem Fall auch an diesem Tag wieder die wichtigsten Themen - zum Beispiel die großen Brände in Kalifornien. Ein RTL-Reporter steht im Flammenmeer und erklärt mir mit leidiger Stimme, dass das Haus hinter ihm Haus in 30 Minuten bis auf die Grundmauern abgebrannt sein werde. Näher kann man am Leid anderer nicht mehr dran sein. Zu viel der Emotionen – bei ARD und ZDF gibt es hoffentlich wirkliche Informationen. Aber weit gefehlt: Die ARD zeigt minutenlangen Applaus in der Sendung «Anna Amalias Schätze», nur im ZDF bekommt man noch Nachrichten.
Wirklich Wichtiges passiert dort aber auch nicht – es läuft ein Bericht zum Prozessauftakt im Fall Kevin. Wie deutlich sich private und öffentlich-rechtliche Sender in Sachen Nachrichten angenähert haben, ist an diesem Beispiel wunderbar zu erkennen. Also schnell weg von den Mittags-Nachrichten im Jahr 2007.
Mord und Totschlag gabs am Mittwochmittag auch bei Sat.1. Alexander Hold urteilte einmal mehr über mäßige Schauspielleistungen – nein, moment. Er urteilte in einer Sendung mit mäßigen Schauspielleistungen. Eine hippe 22-Jährige, die auf dem Stuhl in grellem lila und kräftigem gelb sitzt, soll im Krankenhaus unberechtigter Weise mit Spritzen hantiert haben. Nach fünf Minuten ist das dann aber auch schon zu viel des Guten, zwei kleine Bewegungen auf der Fernbedienung und schon strahlt Michael Requardt über den Bildschirm. Seine Quotenprobleme lässt er sich nicht anmerken. Vorteil des Requardts gegenüber Hold: Die Fälle sind wenigstens echt, auch wenn sie genauso Banane sind.
Der aktuelle Fall: Mutter und Muttersöhnchen mit allerlei Problemen: Schulden, Familienzwist und vieles mehr. Dennoch ist «Der Requardt» die einzige wirkliche Unterhaltung zu dieser Zeit. Kostprobe gefällig? Das schon über dreißigjährige Muttersöhnchen sucht im Internet eine Freundin. Frau Mama passt das aber nicht ganz in den Kram, immerhin müsste sie ihren Sohnemann dann hergeben. „Wer sagt denn, dass du alleine bist?“, fragt sie. „Du hast dein eigenes Ich und dein eigenes Ich geht immer mit dir mit.“ Ahja. Statt eine neue Freundin zu suchen, rät sie ihrem Sprössling wieder mit seiner Ex zusammenzukommen. Auch Michael Requardt findet diesen Vorschlag gaga. Wie aus einer 30-Euro-Rechnung dann 130 Euro werden können, erfahren die Zuschauer ebenfalls. Es ist ganz einfach: Schlichtweg eine Zeit lang ignorieren und die Zinsen tun ihr übriges.
12:20 Uhr – Werbung bei RTL II. Bei ProSieben suchen mittags drei verzweifelte Jugendliche nach einem Ausbildungsplatz. Heute werden Bäcker gesucht. Kneten, besprühen und in den Ofen schieben. Weil während des Knetvorgangs lustigerweise die Titelmelodie des «Requardts» im Hintergrund läuft, werde ich erinnert, zurück zum Coaching-Talk zu schalten. Dort stellt der Coach gerade Regeln für das Muttersöhnchen auf – ob sie helfen, kann nicht beantwortet werden.
12:30 Uhr - «Der Requardt» ist vorbei – ich arbeite mich weiter nach hinten durch. Programmplatz 18: kabel eins, dort läuft die x-te Wiederholung einer «King of Queens»-Folge. Langweilig. Es geht weiter nach oben. Bis zur Nummer 28: 9Live – es ist mittlerweile zwanzig Minuten vor eins. Mit eindringlichen Worten werde ich von Alida aufgerufen, die Nummer 01379/444 999 zu wählen. Ich tue es - aber auf der Fernbedienung. Ist billiger. Lande dann aber beim DSF – auf Programmplatz neun, wo ich schlecht synchronisierte Informericals zu sehen bekomme. Aber wenn die 9Live-Anrufanimateurin das möchte. Seit gestern weiß man: Die Kollegen dort sollte man besser nicht verärgern, zu schnell wird man sonst in breiter Öffentlichkeit diffamiert. Sehr viel schlechter als das sonstige Programm sind die Informericals im DSF auch nicht. Auch wenn ich gar kein Streich-Set brauche.
Vor allem wenn man die Augen schließt und 15 Minuten Schlaf nachholt, ist die Sendung zu ertragen. 12.58 Uhr, eine Stunde Wahnsinn ist fast vorbei – ich bin noch müder als zuvor. Mein letzter Blick fällt wieder auf RTL, wo Katja Burkhard immer noch über die wichtigsten Themen des Tages informiert. Der aktuelle Beitrag handelt von einem jungen Mann, der befürchtet, dass seine Freundin ihm ein Kind unterjubelt. Ein Vaterschaftstest soll her… Gerade im richtigen Moment zeigt die Uhr vor dem Doppelpunkt die 13 an. Gott sei Dank.