Im Grunde genommen ist «Mitten im Leben» eine Kopie von «We are Family!», das seit knapp drei Jahren täglich im ProSieben-Programm zu sehen ist. Darin wird der Alltag einer Familie mehrere Tage lang dokumentiert, die einen kleinen Lebenswandel vollzieht. Das Format zeichnete sich in der Vergangenheit dadurch aus, dass man meistens an ungewöhnlichen Orten drehte. So standen etwa bereits Menschen im Vordergrund, die auf einem Fjord leben.
Bei «Mitten im Leben» ist das alles ein wenig anders. Die erste Episode behandelte gleich zwei Geschichten, die eigentlich unvorstellbar sind. Zunächst wurden zwei Singles mittleren Alters gezeigt, die eine Liebe zu Tieren haben, arbeitslos sind und von Hartz IV leben. Doch das interessiert die beiden nicht, denn sie investieren ihre gesamte Freizeit in ihre Ersatzfreunde. Dann kam RTL auf die Idee, die zwei Personen zusammen zu führen und schon nach einem Tag trennte sich der Weg dann auch wieder. Dem Zuschauer wurde erklärt, dass beide in recht ärmlichen Verhältnissen leben und damit eigentlich auch zufrieden sind.
Die zweite Geschichte vom Montag bringt zunächst viele Menschen zum Lachen: Eine Hausfrau, zwei Kinder und verheiratet, hat eine Schwäche für die Boyband „Tokio Hotel“. Das ist soweit natürlich nicht schlimm, wenn die Mutter nicht ihre gesamte Zeit – in der sie nicht arbeiten muss – in ihrem selbst gegründeten Forum über die Band zugange ist und für Sänger mehrere Geschenke malt und bastelt. Ihr Ehemann erfüllt seiner Frau den Traum, Tokio Hotel in Riga zu sehen. Deshalb fliegen die Eheleute mitsamt Kamerateam in die Hauptstadt Lettlands. Dort erfährt der Zuschauer unter anderem, dass die Frau beim gemeinsamen Akt auch „Bill“ stöhnen darf. Der Mann nimmt es gelassen – vielleicht, weil er noch auf Besserung hofft. Doch seine Gattin verhält sich wie ein kleines Kind: „Bill hat mich verändert“, sagt sie erfreut. Nach knapp einer halben Stunde endet die Geschichte, die eigenen Kinder werden nach wie vor vernachlässigt und der Ehemann macht gute Miene zum bösen Spiel.
Am Dienstag stand schließlich ein junges Mädchen im Vordergrund, das ihre drei Ausbildungen abgebrochen hatte und mehrere Jahre im Heim verbrachte. Sie lebt derzeit in Essen und möchte erstmals ihre Mutter besuchen. Die wohnt in Hamburg, trinkt Alkohol als wäre es Wasser, und zündet sich eine Zigarette nach der nächsten an. Letztendlich kommt es dann tatsächlich zum Aufeinandertreffen der beiden, bei dem man der Alkoholikerin ihre Krankheit an. Ihre Alkoholexzesse sind ihr ins Gesicht gezeichnet, bereits sieben Mal war sie in der Klinik für einen Entzug. Geholfen hat es bislang noch nichts. Nach rund einer Stunde beendet RTL den traurigen Anblick.
Um einen bauwütigen Ehemann ging es am Mittwoch: Wenn dieser Herr einmal am Samstagmorgen am Küchentisch sitzt, dann überlegt er sich schon, was er in den nächsten Stunden an seinem Eigenheim verändern möchte. Seine Frau ist von den wöchentlichen Bauarbeiten genervt, aber kehrt jedes Mal zu ihm zurück. „Weil ich ihn liebe“, wie sie selbst sagt. Dass der Vater seine Tochter zwischendurch als „Pissnelke“ bezeichnet, stört nicht einmal die RTL-Redaktion. Draufgehalten wird dennoch, die Tochter stellt die Situation harmlos dar: „Das ist doch nur Spaß.“ Am Ende dieser Doku-Soap sieht die Küche einen kleinen Tick besser aus als vorher, ist jedoch nicht mit gewöhnlichen Esszimmern zu vergleichen.
Die neue RTL-Doku-Soap «Mitten im Leben» ist Fernsehen von der schlimmsten Sorte. Vorwiegend stehen Menschen im Ruhrpott im Vordergrund, die rauchen, saufen und sich gegenseitig anpöbeln. Währen die ProSieben-Reihen «We are Family!» und «U20 – Deutschland, deine Teenies» durchaus mit interessanten Ideen überzeugen können, trifft man bei der RTL-Sendung die abgestürzten Menschen. Hartz IV-Empfänger, Alkoholiker, Mütter, die ihre Kinder vernachlässigen und Menschen, die keinen freundlichen Umgangston haben. Schlimmer noch, dass die Einschaltquoten von «Mitten im Leben» kontinuierlich angestiegen sind.