Seine Serie «Doctor's Diary» schlägt sich bei RTL am Montagabend recht erfolgreich - im Herbst kommen neue Folgen des von ihm geschriebenen Formats «Türkisch für Anfänger». Mit Quotenmeter.de sprach Autor Dagtekin über das RTL-Format, die Chancen auf eine zweite Staffel und Kopien von US-Serien.
Bora, die erste Ausstrahlung von «Doctor’s Diary», war quotentechnisch sicherlich recht erfolgreich. Berichte uns doch einmal, wie ihr diesen ersten Montagabend verbracht habt und wie du dann von den Einschaltquoten erfahren hast.
Steffi Ackermann, die Produzentin von der Polyphon hat im Zuge der EM ein Public Viewing organisiert und da haben wir gemeinsam mit dem Cast und dem Team die zwei Folgen geguckt. Am nächsten Morgen hat mich Steffi angerufen und der Tag war dann erst mal gerettet - trotz dickem Schädel. RTL hat ja auch super getrailert, ich bin also davon ausgegangen, dass es läuft - aber dass die Folge 2 dann sogar noch zwei Prozent mehr hatte, war echt super.
Inzwischen ging es ein bisschen bergab – eine endgültige Entscheidung über die Zukunft des Formats soll nach der Ausstrahlung aller Folgen fallen. Bist du zuversichtlich, was eine zweite Runde angeht?
Bergab? Wir sind von 16,3 um 20.15 Uhr am Starttag auf 16,5 in der fünften Folge. Für mich ist das ein Aufwärtstrend, für den kurz mal Anlauf genommen werden musste. Nächste Woche rechnen Experten übrigens mit 32,3 Prozent. Im Ernst – der Sender ist hochzufrieden und wir alle auch. Als wir 15 Prozent hatten, habe ich mich schon geärgert, weil das einfach nicht über Senderschnitt ist, aber dass wir gestern dann wieder mit 16,5 Prozent Marktanteil im Rennen waren und «My best friend`s wedding» schlagen konnten, ist für mich persönlich der Beweis, dass wir mit «Doctor’s Diary» das Genre Romantic Comedy anständig hinbekommen haben und das auch honoriert wird. Solche Quoten schaffen ja momentan nicht mal die deutschen Komödien im Movie Bereich.
Und das obwohl wir horizontal erzählen, was ja bei Sendern immer als Quotenkiller verschrien ist. Ich hoffe, dass dieses Märchen jetzt endlich widerlegt ist und deutsche Sender endlich wieder den Machern erlauben im 45er Bereich anständige Cliffhanger und Geschichten über mehrere Folgen zu machen. Das ist schließlich die Idee einer Serie. Alles andere ist für mich eine Reihe.
Dazu waren wir trotz Schwankung jeden Montag Marktführer um 20.15 Uhr. Zwar nur knapp, aber es ist doch eigentlich auch schön, dass der Montag gerade bei allen Sendern ganz gut funktioniert.Es muss ja nicht immer ein Programm ausgelöscht werden. Ein bisschen gerecht verteiltes Glück haben die Sender ja auch mal verdient.
Was denkst du? Geht es in eine zweite Staffel?
Ich habe keine Ahnung, wofür sich Frau Schäferkordt entscheiden wird, aber ich gehe doch stark davon aus, dass wir weitergemacht werden, wenn wir weiterhin so stabil bleiben. RTL hat uns bis jetzt immer unterstützt und gerade Frau Schäferkordt hat im Bereich Marketing und Trailerschaltung besonderes Augenmerk auf «DD» gelegt, was sich ausgezahlt hat und wofür ich ihr dankbar bin. Ich hoffe inständig, dass RTL uns weiterhin so stark bewirbt und betrailert und freue mich insbesondere riesig über den tollen Online-Content, denn es ist wichtig, dass dem Zuschauer klar gemacht wird, dass der Sender hinter einem Fiction-Format steht. Bei «DSDS» wird ja auch schon wieder für 2020 getrailert.
Sollte es also in die zweite Staffel gehen, wäre das natürlich klasse, weil sich eine Serie erst nach sechs bis acht Folgen so richtig warmgelaufen hat. Danach ist eigentlich erst der wahre Anpfiff für eine Serie.
Wäre denn das komplette Team wieder mit an Bord, oder gibt es Figuren, die sicher nicht mehr dabei wären?
Hmm. Wir werden natürlich zuerst Diana Amfts Rolle an einem Magenbruch sterben lassen, Dr. Meier die Zulasssung entziehen und Dr. Kaan wird in den Irak abgeschoben.
Nein, ich denke doch, dass alle mit dabei sein werden. Mir ist nichts Gegenteiliges bekannt.Natürlich trägt ein Sender auch immer das Risiko, dass er irgendwen aus dem Team verliert, wenn er sich zu lange Zeit lässt, eine Verlängerung zu entscheiden. Ich hoffe, dass das nicht passiert. Übrigens ist der Einfluss von Fanbriefen und Telefonanrufen beim Sender nicht zu unterschätzen.
Sollte es nicht weitergehen, war das Team mit Steffi Ackermann von Polyphon und Ulrike Leibfried von RTL aber so großartig, dass wir sicherheitshalber neue Projekte in Vorbereitung haben. «DD» wird für mich immer ein schönes Projekt bleiben, dessen Entstehung allen viel Spaß gemacht hat. Egal, ob es weitergeht oder nicht.
Hauptfigur ist Dr. Gretchen Haase – sicherlich ein Charakter, der ähnlich viel Potential hat wie ein Gil Grissom oder ein Dr. House. Nur über den Vornamen bin ich zunächst gestolpert. Müssen besondere Figuren heutzutage besondere Namen haben?
Nö. Aber Lenas und Annas und Silvias gibt es ja nun wirklich genug. Der Name "Gretchen" ist eigentlich eine kleine Hommage an den Jugendroman „Gretchen Sackmeier“ von Christine Nöstlinger, den ich gerade mit Hofmann&Voges fürs Kino adaptiere und ansonsten haben die Namen in «DD» für mich eigentlich so einen ironischen Kick. Marc Meier klingt so ein bisschen wie das zweite Ich eines uncoolen Superhelden. Der Peter Parker des Krankenhauses sozusagen. Frau Hassmann hat was Bissiges, und eine Familie "Haase" zu nennen, fanden wir irgendwie lustig. Das ist doch die Hauptsache. Wir müssen die Namen ja auch ständig lesen. Außerdem passt es zu Gretchens Charakter. Sie ist wohl eher Haase, als Fuchs.
In erster Linie müssen die Namen ein Gefühl auslösen. Das mag bei dir jetzt Verwunderung gewesen sein, für uns haben die Namen etwas Märchenhaftes, oder zumindest etwas sehr Liebenswertes, was wiederum ja auch die Farbe der ganzen Serie sein soll.
Die Namen sind aber auf jeden Fall einprägsam. Sonst muss man ständig in den Dialogen die Vornamen erwähnen, damit irgendwann jeder die 20 blonden Frauen auseinander halten kann. "Hallo Anna, wie geht es dir denn?" - "Ach Julia, da bist du ja." - "Anna, wir müssen reden" - "Lass uns doch in mein Zimmer gehen, Julia, oh, jetzt ruft mich gerade Claudia an…“
Bora, ich weiß, dass du dich darüber geärgert hast, dass es anfangs hieß, «Doctor’s Diary» sei eine Kopie von «Grey’s Anatomy». Wovon hast du dich als Autor wirklich inspirieren lassen?
Ich hab’ mich in der Tat geärgert. Gar nicht, weil ich es so schrecklich finde, mit etwas verglichen zu werden, aber nur weil eine Ärztin mal einen Quickie mit ihrem Oberarzt einlegt, ist es gleich «Grey»? Soweit ich mich erinnere, wurde bereits in der Schwarzwaldklinik ziemlich viel rumgevögelt. Und Dr. Stefan Frank war auch schon ein Aufreißer-Arzt, der Frauenherzen gebrochen hat! Wieso wurde noch nicht aufgedeckt, dass die Amis uns das alles geklaut haben!??
Ich kann aber nur sagen: ich habe es bis heute nicht geschafft, eine ganze Folge «Grey’s» zu Ende zu gucken. Ich kann es also gar nicht kopieren. Es ist mir einfach nicht komisch genug und viel zu talky. Ich kritisiere aber nur die Tonalität, und verfluche nicht die Idee. Denn die Idee ist genial: Sex and The Surgery. Sofort klar, was da passiert und wie die Stories sein müssen. Es wäre schön, wenn in Deutschland endlich mal gute Ideen erkannt würden, anstatt sie sofort zu zerreißen und zu analysieren, was darin jetzt wo schon mal wie vorkam. Es kam sowieso alles schon mal irgendwo vor. Es gibt ja auch die Theorie, dass es nur 20 Plots auf der Welt gibt, die ständig wieder neu variiert werden.
Wenn man sich amerikanische Zeitungen anguckt, da werden zum Season-Start ganze Sonderhefte gedruckt, in denen Neustarts und neue Staffeln bejubelt und in Internet-Foren ihr Kult-Faktor beschrieben wird. Und bei uns heißt es immer nur: „Boah, schon wieder wieder ne Frau in der Hauptrolle, das ist doch voll geklaut von «Sex and the city».“
Aber daran kann ein Fernsehmacher doch wenig ändern…
Ich arbeite also weiter daran, dass die Leute Fernsehen auch mal schön finden. Man kann so viel machen, was im Kino gar nicht geht und ich hoffe, dass es jetzt bei uns auch mal anfängt, dass die Leute etwas einschalten, weil es ein bestimmter Regisseur oder ein Autor gemacht hat oder ein Produktionsfirma, von der sie etwas anderes Gutes kennen. Ein Sender ist nicht der Produzent. RTL oder ProSieben sind nicht per se doof, nur weil ein Format mal mies ist.
Dahinter stecken Macher und wenn die sich mehr Mühe geben würden, hätten die Sender garantiert kein Problem damit. Die Kritik am Programm darf nicht immer nur an die Sender gehen, sondern auch an die Macher. Wenn man wirklich eine Vision hat und man sie ausdrücken kann, dann wird man nicht per se von der sender-internen Qualitätspolizei erschossen, sondern kriegt seine Chance.
Inspiriert hat Steffi Ackermann und mich wohl am meisten Bridget Jones und während der Umsetzung hat uns «Keinohrhasen» beruhigt, der dann parallel gestartet ist. Denn in den beiden Filmen werden Frauenfiguren nicht so lahmarschig und mit Samthandschuhen angefasst, sondern dürfen Screwball spielen und das Unperfekte wird zelebriert. Genau wie das bei den ganzen Jude Appatow Movies ja der Fall ist, oder allen Filmen mit Ben Stiller.
Da sind es allerdings immer die Jungs, die total chaotisch oder ungeschickt sind, die sich nicht entscheiden können, oder nerdig oder zu dick und uncool sind. In den 50er und 60er Jahren waren ja die Frauenrollen alle viel verrückter, verwirrter und lustiger.
Da sollte man eindeutig wieder hin. Und wenn es eh schon heißt, dass Serien fast nur von Frauen geguckt werden, dann kann man ja auch aufhören, Protagonistinnen alle schön, perfekt und zu kleinen Super-Ermittlerinnen zu machen. Wer soll sich denn mit so was identifizieren? Ich glaube, manche Serien vergessen, wahrhaftige Momente zu erzählen. Und ich vermute, dass Frauen das noch härter bestrafen als Männer.
Was sagst du allgemein zu Kopien? In den USA gibt es davon ja eine Menge.
Das Wort "Kopie" halte ich persönlich für unangebracht. Wenn man schon alles toll findet, was in Amerika gemacht wird und sich ständig mit den Amis vergleicht, dann kann man sich ja auch mal damit anfreunden, dass Fernsehunterhaltung in Amerika immer als „X meets Y“ entwickelt und gepitched wird. Also «Grey» ist «Emergency Room» meets «Sex and the City». «Desperate Housewives» ist «Sex and the City» meets «American Beauty».
Oder einfach eine Kinoprämisse, bei der man ein Geschlecht austauscht, zum Beispiel «Samantha Who», eine der erfolgreichsten Sitcoms auf ABC ist nichts anderes als «In Sachen Henry», der Kinofilm mit Harrison Ford mit einer Frau in der Hauptrolle. «Sex and the City» ist im Grunde nichts anderes als «American Pie» mit alten Frauen. «Doctor House» ist «CSI» als Arztserie. «Bridget Jones» ist 1:1 «Stolz und Vorurteil» als Komödie in die Gegenwart adaptiert.
«Fringe», die neue Serie vom «Lost»-Erfinder J.J.Abrams wird gepitched als «Akte X» meets «Der Höllentripp». Man kann fast immer die Inspirations-Quellen eines jeden guten Konzeptes ableiten. In Deutschland heißt das dann Kopie - und in Amerika ist es der Beweis, dass die Idee High Concept, scharf konzipiert ist, sofort zu Bildern im Kopf führt – und dann will sie auch jeder gerne kaufen.
Im zweiten Teil des Interviews verrät Bora Dagtekin, wie es in der dritten Staffel von «Türkisch für Anfänger» weitergeht und erklärt, wieso der 18.55 Uhr-Sendeplatz der ARD für die Serienlandschaft so wichtig ist.