Film der Woche: «Muxmäuschenstill»

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Quotenmeter.de-Redakteure stellen hochwertige Filme vor, die innerhalb der nächsten Tage im Fernsehen laufen. Philipp Stendebach schreibt in dieser Woche über «Muxmäuschenstill».

Logo: arte«Muxmäuschenstill» war eines der deutschen Filmereignisse im Jahr 2004. „Guerilla-Kino“ titelte „Die Welt“, die „TV Spielfilm“ sprach von einem „Leckerbissen für Cineasten“. Hintergrund: Die Rückfallquote bei Straftaten ist für Herrn Mux einfach zu hoch. So unspektakulär es sich lesen mag, das Prinzip ist genial: Er will seine Sicht der Dinge auf all seine Mitmenschen übertragen und eine verantwortungsbewusste und moralisch handelnde Gesellschaft schaffen. So ist ein pseudo-dokumentarischer Film entstanden, der die Meinungen der Zuschauer spaltet. Hirnrissig oder wegweisend? Diese Frage muss sich jeder selbst stellen.

Der selbst ernannte Weltverbesserer Herr Mux hat ein klares Ziel vor Augen: Er will die Menschheit daran erinnern, dass Ideale und Verantwortungsbewusstsein nicht länger der Vergangenheit angehören. So verfolgt er Schwarzfahrer, Schwimmbadpinkler (unvergessen das Bild des Mannes, der ein Schild mit der Aufschrift „Ich habe ins Becken gepinkelt“ tragen muss), Vergewaltiger und andere „unmoralische“ Menschen mit der Intention, sie eines Besseren zu belehren. Dabei hält er sich für den absoluten Messias, der die Befugnis hat, Sprayern ihre Farbe ins Gesicht zu sprühen und die Lenkräder von Verkehr-Rowdies einzusacken. Sein treuer Begleiter bei den Aktionen: Der ehemalige Langzeit-Arbeitslose Gerd, der Alles mit der Videokamera festhält.




Mit einem Minimal-Budget von 40.000 Euro drehten Regisseur Marcus Mittermeier und Drehbuchautor und Hauptdarsteller Jan Henrik Stahlberg diese höchst unkonventionelle Satire mit ernstem Hintergrund. Das Beachtliche: Schon vor dem öffentlichen Kinostart spülte das Experiment mit der Nominierung für den deutschen Filmpreis 250.000 Euro in die Kassen. Zwar gewann das Werk ihn dann nicht in der Kategorie „Bester Film“, die Trophäe für den „Besten Schnitt“ (Sarah Clara Weber) konnte aber eingeheimst werden. Außerdem gewann der Independent-Film den Max Ophüls Preis 2004 in den Kategorien Bester Film, Publikumspreis, Bestes Drehbuch und Preis der Schülerjury.

Das Spannende für den Zuschauer: Obwohl Mux anfänglich als Identifikationsfigur dient, werden seine Aktionen mit der Zeit so extrem, dass sich eine Identifikation als unmöglich erweist. «Muxmäuschenstill» könnte getrost als Hardcore-Satire bezeichnet werden, wenn man bedenkt, dass hier eine ganz dünne Linie zwischen lustvoller Erheiterung und totalem Schock gezeichnet wurde. Vielleicht existiert auch überhaupt keine Linie. Die FSK, die bei 16 eingestuft wurde, muss als durchaus berechtigt bezeichnet werden.

Das schon vorhin erwähnte Prinzip der pseudomäßigen Dokumentation ist ein weiterer Clou des Films. Dem Zuschauer wird dadurch weis gemacht, dass sich die Geschichte genau so abspielen könnte und sie (fast) nichts Fiktionales hat. Insbesondere Jan Henrik Stahlberg, der wohl wie kein anderer hinter dem Projekt stand, mimt den Kämpfer perfekt, wenn überhaupt von „Mimen“ geredet werden kann. Er scheint, Mux zu sein. Dieser Fakt macht den Film um so eindringlicher und lässt ihn schwer aus dem Gedächtnis des Zuschauers verschwinden.

«Muxmäuschenstill» läuft am Mittwoch, den 1. Oktober 2008, um 22.30 Uhr auf Arte.

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