Story
Nach einem Schiffsunglück wird der Literaturkritiker Humphrey van Weyden durch den Schoner "Ghost" gerettet. Der Robbenfänger steht unter dem brutalen Kommando von Wolf Larsen. Der Kapitän weigert sich, van Weyden an Land abzusetzen und so spitzt sich die Situation während der rauen Seefahrt zwischen den beiden Rivalen immer mehr zu.
Datsteller
Thomas Kretschmann («Next») ist Wolf Larsen
Florian Stetter («Die Rückkehr der Störche») ist Humphrey van Weyden
Petra Schmidt-Schaller («Nacht vor Augen») ist Maud Brewster
Henning Baum («Mit Herz und Handschellen») ist Johnson
Vinzenz Kiefer («Sklaven und Herren») ist Leach
Alexander Hörbe («Die große Werkstatt») ist Thomas Mugridge
Kritik
«Der Seewolf» hat storytechnisch eigentlich nicht sehr viel zu bieten. Doch dies ist einer der wenigen Filme, bei denen das nicht besonders negativ ins Gewicht fällt. Denn der Zweiteiler schafft es, hoch philosophische und soziologische Aussagen zu machen, wofür die eigentliche Handlung nur den Hintergrund bietet.
In unzähligen exzellenten Dialogen debattieren der grausame Wolf Larsen und der Schöngeist Humphrey van Weyden über das Leben und Sterben in dieser Welt. Larsen vertritt dabei die rigoros fatalistische Denkschule, die jegliche Existenz als Nichtigkeit ansieht, und somit auch den Wert eines Menschenlebens als den niedrigsten auf der Welt einstuft. Der Schriftsteller van Weyden jedoch glaubt felsenfest an die Unsterblichkeit der Seele und hält das Leben für schützenswert. Interessant daran ist, dass Larsen und van Weyden von erster Minute eine äußerst feindselige Beziehung zueinander haben, die vor allem von Larsens Anspruch ausgeht, dass jeder seiner Untergebenen auf dem Boot, und damit auch van Weyden, dominiert und erniedrigt werden muss, da dies ein natürlicher Ausfluss seiner Macht als Kapitän des Schiffes ist. Doch obwohl Larsen mit seinen anderen Matrosen, gelinde gesagt, nicht gerade zimperlich umgeht, genießt van Weyden zumindest im ersten Teil in einem gewissen Rahmen eine Sonderstellung. So wird der Schiffbrüchige immer wieder befördert und Larsen scheint Gefallen an den Konversationen mit ihm zu finden.
In gewisser Weise scheint also die Philosophie der beiden, die kaum unterschiedlicher sein könnte, sie zu vereinen. Das ist eine hoch interessante Aussage. Und zudem nur eine von vielen – zu viele, um sie hier alle aufzuzählen. Dem Event-Zweiteiler ist vor allem zu Gute zu halten, dass er trotz des auf den ersten Blick stereotyp klingenden Plots eine Menge an Denkansätzen liefert, die den Zuschauer fordern. So etwas hat man gerade bei ProSieben schon lange nicht mehr gesehen.
Wie bereits erwähnt verkörpern die verschiedenen Charaktere allesamt verschiedene philosophische Thesen, wobei Larsen und van Weyden die beiden Extreme Fatalismus und Glaube an das Schöne und Gute bilden. Die Nebenprotagonisten sind allesamt verschiedene Abstufungen der beiden Richtungen. Ebenso ist es spannend zu sehen, wie aus Macht Ohnmacht und aus Dominanz Untergebenheit wird – ein weiteres Thema des Films. In gewisser Weise erinnern die Figuren an die philosophierenden Cowboys aus Richard Brooks Western-Meisterwerk «Die gefürchteten Vier» («The Professionals»), nur dass man sich hier nicht in der mexikanischen Wüste, sondern auf dem Pazifik befindet. Doch mit derselben filmästhetischen Gewalt und Raffinesse kann «Der Seewolf» nicht mithalten.
Ein kleiner Wermutstropfen ist es auch, dass man zumindest im ersten Teil recht wenig von der Backstory der beiden Hauptfiguren erfährt. Es lässt sich darüber streiten, inwiefern das für diesen Zweiteiler notwendig gewesen wäre, da die Figuren durch ihre komplexen Weltanschauungen schon mehr Tiefe haben als die meisten anderen aus deutschen Fernsehfilmen. Dennoch hätten ein wenig mehr Hintergrundinformationen nicht geschadet. Insgesamt kann man «Der Seewolf» daher ohne Bedenken empfehlen, da der Zweiteiler auch schauspielerisch voll und ganz überzeugen kann.
ProSieben zeigt «Der Seewolf» am Montag, 24. November, und Dienstag, 25. November, jeweils um 20.15 Uhr.