Am Dienstag startete die dritte und letzte Staffel von «Türkisch für Anfänger». Quotenmeter.de-Chefredakteur Manuel Weis sprach mit dem Erfinder und Autor Bora Dagtekin über die ARD-Serie.
Bora, «Türkisch für Anfänger» ist vergangene Woche gestartet: Die Quoten waren allerdings alles andere als berauschend. Liegt es nur am Sendeplatz oder sollte man das Publikum austauschen?
Mann, bei Euch kann man 20 Prozent in der Zielgruppe haben und die erste Frage klingt trotzdem immer so, als ob man ein totaler Vollidiot ist.
Wir sind halt etwas anspruchsvoller als die anderen am Vorabend. Wir suchen, intelligente, humorvolle, ausländerfreundliche Zuschauer. Davon gib es nun mal nicht so viele und wir sind stolz, dass wir trotz dieser harten Anforderungen an die Zuschauer, die sie ja gar nicht mehr gewöhnt sind, seit Langem den besten ARD-Marktanteil um 18.50 Uhr erreichen. Über acht Prozent in der Zielgruppe! Dass man da jetzt keine 15 Prozent macht, war durchaus allen bewusst. So ganz bescheuert sind wir ja auch nicht.
Unser Ziel war auch in Staffel 3 gutes Programm zu machen und keinen angepassten Einheitsbrei. Mich würde aber nach wie vor interessieren, wie viele Ausländer «Türkisch für Anfänger» gucken. Bei Veranstaltungen und Autogrammstunden merkt man, wie hoch der internationale Fan-Faktor für Cem, Costa und Yagmur ist.
Ein bisschen blöd ist es ja irgendwie schon von der GfK, dass nur EU-Ausländer, aber nicht die in Deutschland größte Ausländergemeinde der Türken gemessen werden. Da können sich die Grünen ja eigentlich mal für einsetzen. Wir wissen schließlich alle, wer Markenklamotten und Bushido-Alben wirklich kauft. Dass in einem Land wie Deutschland die TV-Werbewirtschaft auf die Türken verzichtet, finde ich veraltet.
Also: Atomkraftwerke erst mal laufen lassen, stattdessen Ausländer zählen!
Den Sendeplatz mag ich eigentlich, ich bin sozusagen auf ihm erwachsen geworden. Er ist in gewisser Hinsicht schon sehr undankbar. Aber wir haben seine alten Marktanteile bereits nach drei Folgen verdoppelt. Das ist doch ziemlich klasse. Und es heißt ja, Ausbildung unter komplizierten Bedingungen zahlt sich ja irgendwann aus. Wir sind jedenfalls bester Dinge und gut gelaunt und wissen, dass die Staffel kontinuierlich (noch) großartiger wird und richtig fette Final-Folgen hat. Und deswegen lautet unser Motto: „Yes, we Cem!“
Du sprachst im Vorfeld immer wieder vom Ende der Serie. Wie haben Darsteller und Team es denn aufgefasst, dass es nun wohl nicht weitergeht.
Ich glaube, es ist für alle mal ganz gut, wenn sie mal wieder was anderes machen. Die haben am Set ja schon angefangen, türkische Dialekte zu sprechen. Wir haben jetzt vier Jahre «Türkisch für Anfänger» hinter uns und die Köpfe müssen auch mal wieder frei werden. Der Sendeplatz ist nächstes Jahr außerdem erst mal mit einer neuen Serie besetzt. Von der ich jetzt schon Fan bin (grinst).
Es haben sich Freundschaften und Vertrauen gebildet. Wir sind alle sehr stolz und dankbar für die positiven Reaktionen aller Fans, die unser Programm lieben. Wir haben so tolle Preise gewonnen, die uns Mut gegeben haben, weiterzumachen. Und alle Beteiligten, vom Sender über die Produktionsfirma bis zum Cast werden sicherlich jede Möglichkeit nutzen, bei neuen Projekten wieder gemeinsam zu arbeiten.
Aber nennen wir es mal kein Ende, sondern eine Pause. Die Marke «Türkisch für Anfänger» wird auch bestimmt irgendwann und irgendwie mal wieder fortgeführt. Fast alle Schauspieler sind momentan mit Fernseh- und Theaterrollen versorgt, die anderen bitte hiermit anfragen! Schließlich sind sie perfekt ausgebildet und halten sogar miese Drehbücher, unendliche Preisverleihungen und schlechte klimatische Arbeitsbedingungen in kalten oder heißen Studiohallen aus, ohne dass ihr Spiel beeinträchtig wird. Das kann man wirklich nicht von jedem Cast sagen!
Spekulationen gab es nun über einen Kinofilm, es klang manchmal sogar, als ob das recht sicher sei. Zu wie viel Prozent wird der Kinofilm denn nun kommen?
Wir wollten eigentlich dieses Jahr mit einem «TFA»-Kinofilm raus, haben aber dann erst mal dem neuen «James Bond» eine Chance geben wollen, auch ein paar Zuschauer abzubekommen und unser Projekt aus Rücksicht auf die gebeutelte U.S.-Wirtschaft etwas nach hinten geschoben.
Ich persönlich würde jetzt gerne vier Wochen Ausstrahlung und die prognostizierten dreistelligen Quotenrekorde genießen und dann werden sich alle zusammensetzen und darüber reden. Die Geschichte muss gut sein, wenn wir ins Kino wollen. Aber mit Bettina Reitz vom BR haben wir ja quasi schon Oscar-Erfahrung im Team, deswegen sollte die spannende Idee, «Türkisch für Anfänger» ins Kino zu bringen, theoretisch machbar sein. Wir suchen jetzt erst mal einen besseren Autor und gucken dann mal.
Du schreibst vermutlich gerade an den neuen Büchern von «Doctor‘s Diary». Vielleicht kannst du uns – ohne zu viel verraten – schon mal einen kleinen Ausblick geben? Was passiert Neues?
Dr. Gretchen Haase ist nicht ganz so dick wie einige Kolleginnen auf anderen Sendern, aber hat`s auch weiterhin schwer. Wir werden auch in Staffel zwei, die wir ab Februar drehen, sehr stark auf romantische Komödien und unsere – dank tollem Cast – super Charaktere setzen. Es gibt keinen Grund, irgendwas am Format zu ändern. Das Rezept lautet: „Spannung, Liebe, Infektionen & Screwball“. Die Mischung selbst bleibt geheim, wie man es ja von Coca Cola kennt, und liegt bei Barbara Thielen im Tresor. Damit sind wir, glaube ich, im Moment relativ einzigartig in der deutschen Prime Time und lassen uns nicht überholen. Die neue Staffel wird super.
Aber nicht alle deutschen Serien funktionieren. Schauen wir uns «Plötzlich Papa» und «Dr. Molly & Karl» an – das zieht die deutsche Serie wieder nach unten. Waren die Serien vielleicht von der Grundidee her schon ein Fehler?
Für mich ist eine einzelne Serie nicht immer gleich stellvertretend für die ganze Serienlandschaft. Prinzipiell finde ich es sehr schade, dass bei Sat1 die beiden Serien nicht so toll laufen, denn nur wenn viele Sender stark sind, gibt es Konkurrenz und Wettkampf. Und ohne Wettkampf wächst auch keiner über sich hinaus. Ich verstehe aber nicht so ganz, wieso die immer alles auf Donnerstag programmieren. Das muss irgendwie so ein geheimes Battle abgehen, von dem wir nichts mitkriegen. Gegen «Popstars» und «Cobra 11» möchte ich persönlich nicht antreten müssen.
Ich finde außerdem, jede Grundidee ist es wert, dass jemand, der daran glaubt, dafür kämpft und versucht, es erfolgreich zu machen. Nur so entsteht Neues im Fernsehen. Mir tut jede schlechte Quote weh, weil ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man zwei Jahre an etwas arbeitet und dann kriegt man am Morgen nach der Ausstrahlung voll eine unter den Senderschnitt geballert.
Aber das überlebt man schon, es sind ja nur Quoten. Darf man auch alles nicht so ernst nehmen. Hauptsache, man hat einen Flachbildfernseher und gute Cholesterinwerte.
«Dr. Molly» ist für mich eine Kopie von «Dr. House», in der sich die Macher zu wenig getraut haben und «Plötzlich Papa» spielt irgendwie in einer rosa Welt ohne wirkliche Probleme. Oder bin ich jetzt da zu hart?
Zu hart? Nein, Quotenmeter.de ist doch bekannt für seine gnadenlosen, aber haarscharfen Analysen. Mir persönlich fehlt das Recht und natürlich vor allem das Fachwissen über andere Serien zu urteilen.
Hinterher wissen eh alle, woran es gelegen hat. Die Herausforderung ist ja, dass man es vorher mal ahnt, was funktionieren wird. Und da nicht mal ein Mentalist wie Uri Geller das mit seinen Shows hinkriegt, sind wir wohl alle zu ewigem trial-and-error verdammt. Ich sehe aber keine besonderen Parallelen zwischen «Dr.Molly» und «Dr.House». Wo sollen die sein? Sie humpelt doch gar nicht und er ist ganz dünn.
Wo wir bei den einzigen Unterschieden sind… Würdest du sagen, dass sich deutsche Autoren und Serienmacher derzeit – vor allem bei den Privaten – zu wenig trauen? Ist man bei den Sendern zu verunsichert? Oder kann man das nicht verallgemeinern?
Die deutschen neuen Autoren könnten versuchen, eine wirkliche Sprache zu finden. Bei U.S.-Serien kann man manchmal wirklich erkennen, wer es geschrieben hat. Oder zumindest haben sie wirklich einen sehr speziellen Ton und man merkt, dass jemand lange darüber nachgedacht, was cool sein könnte.
Und cool sind die Bücher im deutschen Fernsehen wirklich zu selten. Wenige fiktive deutsche Serien werden zu einem popkulturellen Phänomen, an dem man wirklich teilnehmen will. Bei den Shows klappt das irgendwie besser. Da hängen sich die Teenies doch auf, wenn die eine Folge «Popstars» verpassen.
Vielleicht muss man bei Serien noch mehr darauf achten, dass Zuschauern wirklich ein Kosmos geboten wird, den sie so sehr lieben, dass sie keine Sekunde davon verpassen wollen. Dafür bräuchte man theoretisch nicht mehr Geld, sondern braucht Bücher mit Zeitgeist und Thematiken, die relevant sind oder sein werden; um der Serie einen unerklärlichen USP zu verschaffen.
Eine Serie muss hier und da auch geistreich sein. Das heißt nicht, dass es intellektuell und schwer verständlich sein muss. Der Druck, Quote zu machen, ist nur manchmal so groß, dass man als Autor auch schnell vergisst, was und wie man es eigentlich sagen will. Darauf sollte man sich in schlechten Zeiten und auch bei harten Deadlines besonders besinnen. Ich glaube, dass Zuschauer es merken, wenn man ihnen was mit auf den Weg geben will. Selbst, wenn es in banalen Geschichten versteckt ist.
Was den Mut betrifft: Dass alle Sender weiterhin alles gegen die Serienflaute tun, ist doch auch schon sehr mutig. Und es macht ja auch Spaß immer wieder zu überlegen und zu philosophieren, was das Geheimnis des nächsten Erfolgs sein könnte. Die Jagd auf den Zuschauer geht weiter! Kollateralschäden in den Kritikerreihen halten uns nicht auf.
Gruselig ist nur, dass alle unsere Arbeitsplätze von diesen mysteriösen Quotenmessgeräten abhängen. Damit kann und will ich mich irgendwie nicht anfreunden. Ich finde, da muss mal jemand recherchieren, ob das auch alles stimmt. Das wäre doch mal was für «Extra». Würde mich nämlich nicht wundern, wenn plötzlich rauskommt, dass «Bauer sucht Frau» bloß von Inka Bause geguckt wurde und «Türkisch für Anfänger» die vergangenene Woche um 18.55 Uhr durchgehend Tagessieger war.
Vielen Dank für das Interview, Bora.