Mit dem Chef von ARD-Aktuell, Dr. Kai Gniffke, blickt Manuel Weis auf 2008 zurück. Wahlen in Hessen und Bayern sind genauso Thema wie die Fußball-EM und die Bundesliga-Rechtevergabe.
2008 war ein bewegendes Jahr. Versuchen wir doch, das Wichtigste kompakt auf den Punkt zu bekommen. Im Februar wurde bekannt, dass sich Fidel Castro aus dem politischen Tagesgeschäft zurückziehen wird. Waren Sie überrascht?
Das kam schon aus heiterem Himmel.
Hat sich seitdem etwas verändert?
Nein, die Lage ist zu unsicher, um hier Genaues sagen zu können. Niemand weiß genau, in wie weit Fidel Castro noch aktiv ist. Das war für mich von Anfang an eine Sache, bei der klar war, dass sich keine revolutionären Veränderungen ergeben werden. Von daher haben sich meine Erwartungen ausnahmsweise bestätigt (grinst). Wenn Castros Bruder wirklich Veränderungen vorgenommen hat, dann macht er es nur in kleinen Schritten.
Auch in Russland gibt es einen neuen starken Mann: Medwedjew heißt er und ist wohl der Albtraum eines jeden Nachrichtensprechers.
Auch dort hat sich nicht viel geändert. Das war für mich eine der spannenden Fragen 2008, wie weit sich Herr Medwedjew von Putin emanzipieren kann. Wenn Sie mich fragen, dann ist das bis heute noch nicht eingetreten. Es gab allerdings Auftritte, nach denen Kreml-Beobachter gesagt haben, dass er langsam beginnt, eine eigene Rolle zu spielen. Ich kann die aktuell so aber noch nicht erkennen.
Eine neue starke Frau sollte es in Hessen geben. Andrea Ypsilanti hat für die politischen Lachnummern 2008 gesorgt.
Hessen war in diesem Jahr schon ein Kuriosum. Man sieht, dass das Sprichwort „Totgesagte leben länger“ durchaus gilt. Vor einem Jahr hätte kaum jemand geglaubt, dass es für Roland Koch eine politische Zukunft gibt. Jetzt hat er gute Aussichten, die Neuwahlen Anfang 2009 zu gewinnen. Es ist erstaunlich, wie schnelllebig unsere Zeit geworden ist. Vielleicht ist das eine der Quintessenzen aus den Ereignissen in Hessen. Für uns Beobachter war das, was die Hessen-SPD veranstaltet hat, aber durchaus ein Geschenk.
Sie hatte aber auch Pech, die Frau Ypsilanti – vor allem, als dann noch der Scherzanruf eines Radiosenders dazukam…
Zuerst hatte sie kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu, würde man jetzt wohl in der Fußballersprache sagen. Ich denke aber, dass sie einen ordentlichen Beitrag dazu beigesteuert hat, dass sie jetzt auf etwas verlorenem Posten steht. Sie hat schwere Fehler gemacht. Eine Landtagsabstimmung anzustreben, ohne zu wissen, ob die eigene Partei hinter einem steht – das ist sicherlich keine Meisterleistung.
Eine Revolution gab’s in Bayern: Dort regiert jetzt schwarz-gelb. Was dachten Sie am Wahlabend, als es plötzlich nicht mehr darum ging, ob die CSU 50+ erreicht, sondern ob man überhaupt auf 40+x kommt?
Ich bin Ende 40 und gehöre zu einer Generation, die es gewohnt ist, dass die CSU in Bayern allein regiert. Deshalb war das für mich schon etwas sehr Ungewohntes. Wir alle hatten die Prognosen wahrgenommen – die sagten ja voraus, dass es sehr eng wird für Beckstein und Huber. Aber ich persönlich hatte immer das Bauchgefühl, dass es die CSU schon wieder schaffen wird. Weil es eben immer so war. Am Wahlabend konnte ich das, was ich da gesehen habe, dann zunächst auch nicht wirklich glauben.
Ein Thema des Jahres waren auch Verona und Franjo Pooth. Den beiden geht es nun wieder ganz gut, Verona lacht schon wieder. An die Gläubiger, die ihr Geld vermutlich nie sehen werden, denkt aber kaum jemand.
Verona Pooth ist eine gute Selbstdarstellerin und eine clevere Geschäftsfrau. Sie hatte auch in dieser Krise eine sehr gute Strategie, sie ist sich in den Auftritten treu geblieben und aus dieser Sache eigentlich unbeschadet herausgekommen. Mir tun die Gläubiger wirklich leid, weil sie es sind, die unter der Pleite nun leiden müssen. Franjo zumindest nagt sicherlich nicht am Hungertuch – im Gegenteil.
Den österreichischen Ort Amstetten kennt nun fast die ganze Welt: Josef F. hielt im Keller seines dortigen Hauses seine ganze Familie gefangen, quälte und misshandelte sie. Es ist wohl eine der grausamten Geschichten des Jahres 2008…
…die wir am Anfang unterschätzt haben, wie ich zugeben muss. Ich wollte und konnte das in den ersten Momenten einfach nicht glauben. Verbrechensmeldungen sind ohnehin nicht unser Schwerpunkt und so ist das Thema an Tag eins bei uns nicht Aufmacher gewesen. Aber dann wurde mir schnell klar, welche Brutalität hinter dieser Geschichte steckt, und wir haben natürlich ausführlich darüber berichtet. Ich hätte das Ganze wirklich nicht für möglich gehalten. Und was lernt man daraus? Es gibt auf dieser Welt wohl nichts mehr, das man ausschließen kann.
Ein ganz anderes Thema: Im Sport hat Franck Ribery Deutschland begeistert…
…er ist eine wirkliche Bereicherung für die Bundesliga – ein Lichtblick. Er schafft es, die Grenze zwischen Sport und Kunst zu überschreiten. Für mich ist das, was er tut, ganz klar Kunst. In der Bundesliga gab es 2008 aber noch ein anderes Phänomen: 1899 Hoffenheim – eine Mannschaft, über die Anfangs viele gelacht haben. Dann waren sie das Sinnbild dafür, dass Erfolg wohl doch käuflich ist. Ich bin mir aber sicher, dass niemand für möglich gehalten hat, dass dieses Team nun Herbstmeister ist.
Ich habe vor der Saison getippt, dass Hoffenheim Achter wird. Und Sie?
Ich habe gar nicht getippt. Ich muss aber zugeben, dass ich für Hoffenheim mehr und mehr Sympathien hege. Die Mannschaft spielt begeisternden Fußball.
Denken Sie, dass die Hopp-Elf Meister werden kann?
Ich würde sagen, dass man das nicht ausschließen sollte.
Bleiben wir bei der Bundesliga: Die Rechtevergabe beherrschte das gesamte Jahr. Letztlich blieb fast alles beim Alten. Die ARD hat nun aber auch die Erstverwertungsrechte für die Sonntagsspiele, die – wie zu hören war – in den «Tagesthemen» laufen sollen.
Das ist aber eigentlich auch nichts Neues. Wir zeigen die beiden Partien auch bislang schon in den «Tagesthemen».
Die Beiträge müssen künftig aber wohl ausführlicher werden – immerhin entfällt die Zusammenfassung im DSF komplett.
Ich kann mir gut vorstellen, dass wir die Spiele ausführlicher behandeln. Dann bräuchten wir allerdings wohl mehr Sendezeit für die «Tagesthemen» am Sonntag. Es gab in der Hinrunde schon einige Spiele, für die ich mir mehr als nur 90 Sekunden gewünscht hätte. Man muss da einfach noch ein bisschen überlegen: Aber ich habe nichts gegen vier-minütige Bundesliga-Zusammenfassungen.
Die dann aber zu Beginn der Sendung laufen müssten, weil sie bis 23.00 Uhr gezeigt sein sollen…
Das weiß ich nicht genau. Da muss man sich die Rechtesituation genau ansehen, aber wir haben ja noch acht Monate Zeit. Ich habe da keine Hektik.
Lange Zeit war ja im Pay-TV ein Bundesligasender im Gespräch, der von Leo Kirchs Firma Sirius hergestellt werden sollte. Sind Sie froh, dass das doch nicht so gekommen ist?
Ich bin froh, dass alles so ist, wie es ist. Für Leo Kirch gilt das Gleiche wie für Roland Koch – das war das Comeback des Jahres 2008, wenn Sie mich fragen. Ich freue mich, dass wir für unsere Zuschauer die Bundesliga sichern konnten und sie auch ab Sommer die Spiele in der gewohnten «Sportschau»-Qualität sehen können.
Und Sie freuen sich also auch für Premiere?
Ich denke, dass es uns gut tut, wenn es mehrere Mitbewerber gibt.
Oliver Kahn hat im Sommer seine Fußballschuhe an den Nagel gehängt. Fehlt er dem deutschen Fußball?
Er wird sicherlich seinen Platz in den Geschichtsbüchern haben. Aber die Bundesliga ist jetzt nicht unattraktiver ohne Oliver Kahn. Definitiv war er aber einer der Typen, von denen wir in der Liga sowieso viel zu wenige haben. Da müssen schnell Neue nachkommen. Dabei hat Kahn während der WM 2006 deutlich gewonnen. Er hat dort unglaubliche menschliche Größe bewiesen – das beeindruckt mich noch heute.
Am kommenden Sonntag folgt der zweite Teil des Jahresrückblicks.