Story
Auf Fritz Dellwo wartet in Frankfurt eine interne Ermittlung, der er kurzerhand entkommen will. Er fährt aufs Land, wo seine Jugendliebe Katrin Reuter mit ihrem Mann Jens und den Kindern Jakob und Frieda auf einem Hof lebt. Jens Reuter ist von Dellwos Besuch wenig begeistert und tut seinen Missmut kund, vor allem weil seine Ehe in der Krise steckt und Katrin sich mit ihrem ehemaligen Freund blendend zu verstehen scheint.
Allerdings ist Jens Reuter nicht der einzige, der Dellwo mit Misstrauen begegnet: Im örtlichen Gasthof legt sich der Kommissar mit Gerti an, dem Sohn des einflussreichen und vermögenden Unternehmers Roland Plauer. Der Streit hat Konsequenzen: Nachts wird Dellwo von einem Unbekannten zusammengeschlagen und eine Mundharmonika aus seinem Zimmer gestohlen, die Frieda im Wald neben einem spärlich versteckten Auto gefunden hatte.
Als Dellwo und Katrin die Fundstelle aufsuchen, ist das Auto verschwunden. Wenig später kann der Wagen aus einem nah gelegenen Baggersee geborgen und der Besitzer identifiziert werden: Das Auto gehört dem Grundstücksspekulanten Gruber, der Höfe der Umgebung aufkaufen wollte und seit Tagen verschwunden ist. Der träge Dorfpolizist Jochen Kaleck will keinen Zusammenhang erkennen, bis Jens Reuter in Grubers Wohnung einbricht und später tot aufgefunden wird. Dellwo muss die verzweifelte Katrin stützen und nebenbei einen Weg zwischen eigener Emotion und Gesetz finden, um den Mörder von Jens aufzuspüren.
Darsteller
Jörg Schüttauf («Die Blücherbande») ist Fritz Dellwo
Peter Lerchbaumer («Der Hochzeitswalzer») ist Rudi Fromm
Nina Kunzendorf («Hurenkinder», «Entführt») ist Katrin Reuter
Martin Feifel («Buddenbrooks», «Emil und die Detektive») ist Jens Reuter
Peter Kurth (Thalia-Theater) ist Jochen Kaleck
Devid Striesow («Die Fälscher») ist Gerti Plauer
Matthias Habich («Der Vorleser», «Der Untergang») ist Roland Plauer
Hans Uwe Bauer («Sonnenallee», «Das Leben der Anderen») ist Stefan Kruppka
Kritik
Ende vergangenen Jahres wurde das bewährte Ermittlerduo Sawatzki/Schüttauf als Kommissarin Charlotte Sänger und Kommissar Fritz Dellwo aus dem Frankfurter «Tatort» auf Zeit getrennt: Beide Schauspieler bekamen einen Soloauftritt spendiert, bevor sie im September wieder gemeinsam vor der Kamera stehen werden. Das Konzept konnte durch die ungewohnt tiefsinnige Entwicklung Sängers und einen unkonventioneller Fall bereits mehr als überzeugen und wird spätestens mit Dellwos Alleingang alle Zweifler begeistern: „Neuland“ besticht durch seinen erfrischenden Ausbruch aus der «Tatort»-Routine und reißt den Zuschauer besonders abseits gewohnter Motive und Leitfäden mit.
Nachdem sich der gereizte Dellwo in Frankfurt einer internen Ermittlung wegen Angriffs auf einen pöbelnden Jugendlichen stellen muss, braucht er erstmal Abstand. Auf dem Land besucht er seine Jugendliebe Katrin und deren Kinder Jakob, sein Patenkind, und Frieda. Was als Wochenendbesuch beginnt, endet als tragischer Trauerfall, nachdem sich Dellwo in Streitigkeiten im Dorf eingemischt hat und Jens Reuter, der Ehemann von Katrin, tot aufgefunden wird. Unterschwellig verwandelt sich die traute Zweisamkeit zwischen Dellwo und Katrin zu einem Kriminalfall, der erst mit dem Tot Jens’ seine volle Tragweite erfährt.
Dabei versprüht der Film den Charme eines Roadmovies, lange Einstellungen zeigen friedliche Gegenden oder die Banalität des Alltags, der dem flüchtigen Beobachter keine Zeichen von Existenzangst oder Psychoterror erkennen lässt. Ernste Gespräche im Halbdunkeln vor der örtlichen Gaststätte mit Bier, Zigarette und gedämpften Klängen der Doors vermitteln einen Hauch von romantischer Friedfertigkeit, wo keine ist – das sind Szenen, die überzeugen, Szenen, die den Zuschauer ungewollt in den Sog des Films reißen und die ihm erst schmerzlich fehlen, wenn sie vorbei sind. Zum Beispiel, wenn mit dem überraschenden Besuch von Dellwos Chef Rudi Fromms plötzlich die alten «Tatort»-Strukturen ihren jähen Einsatz haben und die trügerische Idylle bricht, die seltsame Unbeschwertheit aufgehoben wird, die den ganzen Film trotz seiner Thematik begleitet. Eine Stimmung, die mit Worten gar nicht fassbar ist und den Film von sonstigen «Tatort»-Folgen abhebt.
Das ist vor allem einem wunderbar abgestimmten Soundtrack zu verdanken, tollen Szenen mit der Handkamera und einem professionellen Schauspielensemble. Einblicke in Dellwos Gedankenwelt, in eine von Krisen gebeutelte Person, dessen Leben anders verlaufen ist als erhofft, runden den Film ab und erweitern den Charakter des sonst so gefassten Kommissars.
Dellwos Soloauftritt überbietet die traditionellen Folgen bei weitem und könnte dank atmosphärischer Inszenierung und eines tollen Drehbuchs auch als alleiniger Film ohne den «Tatort»-Hintergrund bestehen. Experiment mit Bravour bestanden, das sich niemand entgehen lassen sollte!
Das Erste zeigt «Tatort: Neuland» am Sonntag, dem 15. Februar 2009, um 20:15 Uhr.