1957: Im Speisesaal der Villa Hügel sitzt die Familie in angespanntem Schweigen beisammen. Arndt, der 19-jährige Sohn und Alleinerbe von Alfried Krupp, ist zum Abendessen gekommen - doch seine Großmutter Bertha (71) schiebt Kopfschmerzen vor, um ihn nicht willkommen heißen zu müssen. Der sensible, extravagant zurechtgemachte Enkel Arndt entspricht nicht ihren Erwartungen an einen Kruppschen "Thronfolger".
Als Alfried (50) seine Mutter zur Rede stellt und fordert, sie müsse seinen Sohn akzeptieren, kommt es zu einem heftigen Streit: Es ist die erste offene Auseinandersetzung zwischen zwei Menschen, die jahrzehntelang ihren Groll und ihre Enttäuschung voreinander verborgen haben. Alfried wirft seiner Mutter vor, ihn zu hart erzogen und seine Ehe zerstört zu haben. Bertha rechtfertigt sich, es sei ihre Verantwortung gewesen, die Schwächen Alfrieds durch Strenge auszugleichen und ihn zum Herrscher des Krupp-Imperiums zu formen.
Beide spüren: Nicht nur die Vergangenheit lastet schwer auf ihnen; mit dem Zusammenhalt der Familie steht auch die Zukunft der Firma auf dem Spiel. Alfried macht deutlich, dass die alten Zeiten, denen Bertha nachhängt, unwiederbringlich vorbei sind. Künftig wird er allein entscheiden, ob und wie es mit Krupp weitergehen soll. Mit dieser Zurückweisung bringt er die Welt seiner Mutter ins Wanken. Nachdem sie Alfried aus dem Haus geworfen hat, erleidet die alte Frau einen Herzinfarkt und bricht wie tot zusammen.
Fürsorglich betreut von ihrem jungen Dienstmädchen Anna, lässt Bertha Krupp im Krankenbett die Vergangenheit Revue passieren: Erinnerungen an glücklichere Zeiten werden wach - aber auch die Erkenntnis, dass hinter der Fassade schon damals die Katastrophe ihren Lauf zu nehmen begann.
1901: Bertha (15) verlebt eine behütete Jugend in der Villa Hügel, dem repräsentativen Wohnsitz der Familie in Essen. Mutter Margarethe erzieht sie und die jüngere Schwester Barbara nach einem strengen Regelsystem. Vater Fritz, ein enger Freund von Kaiser Wilhelm II., hat den wachsenden Konzern im deutschen Hochkapitalismus zur höchsten Blüte geführt. Er ist ein kluger, sanft auftretender Mann, an dem besonders Bertha sehr hängt.
Sie ahnt nicht, dass ihr Vater ein Doppelleben führt und in seinem Feriendomizil auf Capri nicht nur als Förderer der Wissenschaft bekannt ist, sondern auch als "Gönner" von hübschen Fischerjungen und Pagen. Als Margarethe den Kaiser bittet, Fritz gegen Verleumdungen in Schutz zu nehmen, wird sie als "Hysterikerin" vorübergehend in ein Sanatorium eingewiesen. Derweil bringt die sozialdemokratische Presse den Skandal an die Öffentlichkeit, und der in die Enge getriebene Fritz Krupp verstirbt sehr plötzlich unter ungeklärten Umständen.
Der Schock dieser drastischen Ereignisse prägt die junge Bertha für immer und formt die Prinzipien, nach denen sie auch ihre eigenen Kinder erziehen wird: Wer Krupp sein will, darf sich niemals gehen lassen - Selbstdisziplin ist das oberste Gebot.
Darsteller
Iris Berben («Rosa Roth») ist Bertha Krupp
Valerie Koch («Prager Botschaft») ist die junge Bertha Krupp
Benjamin Sadler («Contergan») ist Alfred Krupp
Theo Trebs («Hexe Lilli, der Drache und das magische Buch») ist der junge Alfried Krupp
Barbara Auer («Nachtschicht») ist Margarete Krupp
Fritz Karl («Zodiak - Der Horoskop-Mörder») ist Fritz Krupp
Thomas Thieme («Schuldig») ist Gustav von Bohlen und Halbach
Kritik
Das «Krupp»-Epos des ZDF ist insgesamt recht gelungen, aber leider doch nicht gänzlich makellos. Die Geschichte um die deutsche Industriellenfamilie ist interessant und spannend und der Plot wird stets geschickt mit den historischen Hintergründen verwoben. Diese werden meist akkurat und sachlich korrekt dargestellt, wobei sich jedoch stellenweise eine gewisse Pauschalisierung eingeschlichen hat. So wirft «Krupp – Eine deutsche Familie» zum Beispiel einen deutlich negativeren Blick auf Kaiser Wilhelm, II als so mancher Standardhistoriker auf diesem Gebiet, wie etwa Golo Mann in “Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts”. Denn in diesem Dreiteiler wird nahezu ausschließlich die Wahnhaftigkeit und Rücksichtslosigkeit des letzten deutschen Kaisers betont, was seinen Charakter nur teilweise authentisch widerspiegelt.
Die Höhepunkte des Films bieten die Dialogszenen zwischen den beiden Krupp-Brüdern Harald und Alfred, in denen immer wieder zum Ausdruck kommt, wie sehr sie unter ihrer Familie leiden und gelitten haben. Rücksichtslos und emotional wird hier die ganze Familiengeschichte aufgearbeitet.
Gelungen ist ebenfalls, dass man sich nicht scheut, heikle Themen, wie etwa Homosexualität, anzusprechen und darzustellen. Das verleiht dem Film ein ordentliches Maß an Authentizität und insgesamt lässt sich sagen, dass hier wenig aufgesetzt wirkt. Doch leider haben sich auch einige banale melodramatische Szenen eingeschlichen (wie etwa die meisten Szenen mit der jungen Bertha Krupp in der ersten Hälfte des ersten Teils) und insbesondere die musikalische Untermalung trieft immer wieder vor Kitschigkeit. Hier wäre weniger mehr gewesen, denn die Tragik der Ereignisse wäre wohl ohne diesen musikalischen Holzhammer besser zur Geltung gekommen.
Schauspielerisch bewegt man sich hier auf einem konstant akzeptablen Niveau. Iris Berben spielt ihre Rolle durchwegs glaubwürdig und auch der Rest des Ensembles liefert passable Arbeit ab, wenn dessen Leistung auch nicht gerade preisverdächtig ist.
Auffallend an diesem Stoff sind natürlich die Parallelen zu Thomas Manns fabelhaftem Roman “Buddenbrooks”, auf den in «Krupp – Eine deutsche Familie» ja auch explizit angespielt wird. Beide Werke behandeln den “Verfall einer Familie” in ähnlichen Milieus zu ähnlich turbulenten Zeiten. Im direkten Vergleich muss man aber leider sagen, dass die Verfilmung der Geschichte der Krupp-Dynastie von Manns Buch, das ihm schließlich den Literaturnobelpreis eingebracht hat, qualitativ meilenweit entfernt ist. Verglichen mit dem, was einem das deutsche Fernsehen allerdings sonst so bietet, ist dieser Dreiteiler aber auf jeden Fall sehenswert.
Das ZDF zeigt die erste Folge des Dreiteilers «Krupp - Eine deutsche Familie» am Sonntag, 22. März 2009, um 20.15 Uhr.