Aus unserer Reihe „Kennst du schon“: Wer denkt sich die Fälle für «Richterin Barbara Salesch» aus und wie realitätsnah sind sie eigentlich? Quotenmeter.de sprach mit einer Redakteurin der Sat.1-Show und einem Juristen, der von Beginn an dabei ist.
Es ist ein kleines Phänomen: Auch nach zehn Jahren erfreuen Gerichtsshows im Fernsehen noch großer Beliebtheit – mit «Richterin Barbara Salesch» fing im Jahr 1999 in Sat.1 alles an und noch heute zählt die Show Tag für Tag weit mehr als zwei Millionen Zuschauer. Verglichen mit dem Start, hat sich die Sendung allerdings in der Zwischenzeit deutlich gewandelt.
Spannende Fälle zu finden, die das Publikum interessiert, wird dabei natürlich nicht einfacher. Das weiß auch Andrea H., Redakteurin bei «Richterin Barbara Salesch». „Die Fälle, Handlungen und Charaktere müssen nachvollziehbar sein. Im Idealfall erreichen wir mit unseren Geschichten ein möglichst breites Publikum.“ Der Zuschauer müsse sich in den Geschichten wieder finden können, sagt sie. „Die Story muss mit seinen Bedürfnissen und dem Erlebten zu tun haben.“ Für juristische Gutachten innerhalb der Sendung bleibt da wenig Platz.
Viel wichtiger sind emotionale Geschichten: „Jeder Zeuge sollte etwas Überraschendes, Neues bringen. Unser Anspruch ist es, jeden Charakter einzeln herauszuarbeiten“, so H. Doch wann ist ein Fall auch wirklich gelungen? „Ein guter Fall zieht den Zuschauer in seinen Bann und lässt ihn bis zur letzten Minute nicht mehr los. Man will einfach wissen: Wer ist denn nun der Täter?“ Nur wenn die Story in sich stimmig ist, dann sind es auch die Charaktere – „und das Drehbuch schreibt sich quasi wie von selbst“, sagt die Redakteurin.
Welche Art von Fällen besser beim Publikum ankommt, vermag sie allerdings nicht so recht zu sagen. „Sicher ziehen auch besonders extrovertierte, extrem aussehende Zeugen den Zuschauer in ihren Bann. Was die Geschichten angeht, sind die Geschmäcker sehr unterschiedlich.“ Doch auch die Redakteure selbst hätten unterschiedliche Vorlieben. „Der Eine mag kriminalistische Fälle, der Andere geht in rührenden Liebesgeschichten auf und ein Dritter liebt skurrile Verwicklungen mit viel Tamtam drum herum.“
„Das Geheimnis ist wahrscheinlich, eine gesunde Mischung aus ganz verschiedenen Fällen zu finden“, meint auch Stefan Morbach, dessen Aufgabe es ist, die Redaktion und die Richterin bei der Erstellung und Vorbereitung der Fälle in jedem Stadium juristisch zu beraten und kreativ zu unterstützen. Er ist einer von zwei Juristen in der Redaktion der Sat.1-Gerichtsshow. „Laute, leise, komische, dramatische, emotionale, kriminalistische Fälle, die Palette ist groß. Wichtig ist aber, und darauf wird bei uns besonders Wert gelegt, dass die Geschichten in sich logisch und nachvollziehbar sind.“ Ob dies am Ende wirklich so ist, weiß er selbst nur zu gut: „Bis 1999 habe ich die klassische juristische Ausbildung durchlaufen, wie die anderen 150.000 Rechtsanwälte auch, die es heute in Deutschland gibt.“
Dass er selbst einmal Inhalt im Fernsehen mitgestalten würde, hätte er sich damals nicht vorstellen können. Sein ursprünglicher Plan nach dem zweiten Staatsexamen war es, in der Rechtsabteilung eines Medienunternehmens unterzukommen. „Irgendetwas mit Medien“ war damals sein Motto, sagt er. „Deshalb habe ich mich im Sommer 1999 in Köln und Hamburg ‚rastermäßig’ bei allen Firmen beworben, die das Wort ‚Film’ im Namen tragen.“ Die Produktionsfirma „filmpool“ war ebenfalls darunter. „Die suchten gerade Juristen für ein neues Format mit ‚echten Fällen’. So kam ich zunächst zum «Schiedsgericht Barbara Salesch» und lernte unter anderem auch Frau Zindler und ihren berühmten Maschendrahtzaun persönlich kennen.“
Ein Jahr später wurde die Sendung dann aus Quotengründen auf Strafrecht umgestellt und filmpool entwickelte die – seither oft kopierte – Idee, mit Laiendarstellern zu arbeiten. Damit begann schließlich auch der große Erfolg der Sendung – und er hält bis heute an. Seither bereitet Morbach die bei Salesch verhandelten Fälle juristisch auf. „Dazu gehört neben der Bearbeitung des redaktionellen Falldossiers unter anderem das Verfassen von juristischen Kurzgutachten, das Schreiben der Anklageschrift, des Tenors bis hin zum Erstellen so genannter Verfahrenshinweise für den Abspann.“ Ziel seiner Arbeit ist es, die Verhandlungen juristisch möglichst realitätsnah zu inszenieren – allerdings ohne die von der Redaktion entwickelte Dramaturgie zu durchkreuzen, sondern sie nach Möglichkeit zu verfeinern.
Bis es ein Fall tatsächlich ins Fernsehen schafft, ist es ein weiter Weg. „Jede Woche setzen wir uns im Team zusammen und überlegen uns neue Fälle. Die Ideen werden als Kurzabriss in schriftlicher Form zum Sender geschickt“, sagt Redakteurin Andrea H. „Wenn der zufrieden ist, geht’s ans Drehbuch schreiben.“ Unzählige Fälle wurden inzwischen bereits verhandelt, doch das Publikum will immer mehr davon. Also müssen auch neue Ideen her. „Man muss nur die Augen, oder besser gesagt: die Ohren aufsperren. Gute Ideen schnappt man während der Bahnfahrt zur Arbeit auf, im Einkaufzentrum, auf der Straße oder abends beim Weggehen“, erzählt sie. „Dort passieren ständig interessante, spannende und witzige Begebenheiten, die man wunderbar in seinen Fällen verarbeiten kann. Inspirierend ist es nicht zuletzt auch, täglich die Boulevardpresse durchzublättern...“
Den Vorwurf, die Fälle seien fern jeglicher Realität, lässt sie indes nicht gelten. „Unser Anspruch ist es ja, Unterhaltungsfernsehen zu machen und damit ist nicht gemeint, dass Gerichtsfernsehen zwangsläufig laut oder schrill sein muss.“ Mehrere Ausflüge in echte Gerichtssäle hätten ihr gezeigt, dass es aber auch in der Realität in deutschen Gerichtssälen emotional ziemlich hoch hergeht. „Einmal war ich in Köln bei der Verhandlung eines sehr interessanten Falles dabei: Es ging um versuchten Mord im Milieu. Im Publikum saßen Zuhälter, Prostituierte und einige Transsexuelle, die alle andauernd dazwischen gerufen und sich aufgeregt haben. Da hab ich gedacht: Das ist ja in der Realität alles viel schlimmer...“