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Erwachsen – zum Glück nur auf Probe

von
Christian Richter sah die erste Ausgabe der neuen RTL-Skandalshow.

Schon Wochen vor dem Start von «Erwachsen auf Probe» sorgte die neue Realityshow für viel Aufregung. Von Verboten wegen Kindesmisshandlung und strafrechtlichen Konsequenzen war die Rede. Eine Publicity, über die sich RTL sicher gefreut hat. Am vergangenen Mittwoch war es nun soweit und die erste Ausgabe lief über den Bildschirm. Wie zu erwarten blieb der große Skandal aus.

Als Ausbildung zum Erwachsenwerden bewarb der Sender das Konzept. Dazu wurden vier jugendliche Paare ausgewählt, die für vier Wochen das Leben von Erwachsenen ausprobieren konnten. So zogen sie aus dem heimischen Hotel Mama in eine spießige Reihenhaussiedlung mit bunten Türen und kurz gemähtem Rasen. Im Laufe der vier Wochen erhalten sie nach und nach echte Babys, Kleinkinder, Schüler und Jugendliche, um so das Elternsein im Zeitraffer mitzuerleben.



RTL hatte bereits im Vorspann wohlweislich darauf hingewiesen, dass zu keiner Zeit irgendeine Gefahr für die teilnehmenden Kinder bestehen würde. Schließlich könnten die echten Eltern die Geschehnisse jederzeit verfolgen und eingreifen, wenn sie es für nötig halten würden. Zudem stünden erfahrene Pädagogen zur sofortigen Hilfe bereit. Und da das dem Sender immer noch nicht reichte, stand den Teenagern obendrein die vierfache Mutter Katja Kessler für wertvolle Tipps zur Verfügung. Die Bild-Kolumnisten ist für diese Aufgabe eine gute Wahl gewesen, da sie sich durch das Schreiben der Dieter-Bohlen-Büchern mit albernen Kinderrein und pubertären Peinlichkeiten bestens auskennt.

Die Macher versprachen ein sozipädagogisches Experiment um herauszufinden, ob Deutschlands Teenager bereit für ihren Kinderwunsch wären. Dabei ist schon der Ansatz unseriös. Schließlich wird man anhand von vier Paaren kaum einen repräsentativen Durchschnitt bilden können. Man kann letztendlich nur hoffen, dass die ausgewählten Teenager nicht die Jugend von Deutschland repräsentieren. Denn wenn Teenager, die nicht einmal richtig lesen können und an der Montage von einfachsten IKEA-Möbeln scheitern die Zukunft unseres Landes bedeuten, steht die Nation vor ernsthaften Problemen. Auch wenn der 18-jährige Möchtegern-Musiker Elvir nach drei Autos seinen Job in einer Waschanlage kündigt, weil er nicht mehr denken kann und Ruhe braucht, kann man nur hoffen, dass dies ein Einzelfall ist. Dass er es am Ende sogar schaffte die Babypuppe zu ersticken, verbesserte diesen Eindruck nicht gerade. Ähnlich verhält es sich mit dem aggressiven Mario, der während der Aufzeichnung zu einem Gerichtstermin wegen Diebstahls vorgeladen wurde und bereits in zahlreiche Schlägereien verwickelt war.

Natürlich gehörte zum Auftakt auch eine ausführliche Vorstellung der Protagonisten samt der gemeinsamen Liebesgeschichte und gewöhnlichen Wohnverhältnissen. Dabei stach besonders die Mutter von Lila hervor, deren Bluse aus dem selben aufdringlichen Stoff bestand wie die Tischdecke des Kaffeetisches.

So wirkte das neue Format wie eine Mischung aus «Die Supernanny», «We are Family» und «Britt». Obendrein wird der Genre-Mix mit einer Prise «Big Brother» garniert, da alle vier Häuser mit Überwachungskamera ausgestattet sind.

Das alles wäre nicht so schlimm, wenn sich die Macher einfach zu dem bekannt hätten, was «Erwachsen auf Probe» ist. Eine Fernshow, die unterhalten soll. Nicht mehr und nicht weniger. Eine gesellschaftliche Relevanz zu erzwingen, wirkt aufgrund der zweifelhaften Rahmenbedingungen und der ausgewählten Probanten einfach nur lächerlich. So ganz ernst schienen die Redakteure ihren pädagogischen Anspruch ohnehin nicht genommen zu haben. Die Paare wurden offensichtlich nach ihrem Potential zum Scheitern ausgewählt. Das Vorführen ihrer Unfähigkeiten überschattete jegliche Lerneffekte. Die gemeinsamen Streitigkeiten standen vor der tatsächlichen Überprüfung des Kinderwunsches im Vordergrund.

Doch selbst die Aufgabe zu unterhalten erfüllte die Show nur leidlich. Metrosexuelle Teenager bei ihrem ersten Einkauf oder ihrem Streit um den Abwasch zu beobachten, ist etwa so spannend wie drei Stunden Außerirdische mit Uri Geller suchen. Vielleicht wäre das Konzept als Rubrik bei «Punkt 12» besser aufgehoben als im Abendprogramm.

Kurz-URL: qmde.de/35316
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