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Mit dem Finger in der Wunde zum Erfolg

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Jürgen Kirsch verfolgte den Auftakt zur neuen Sat.1-Doku-Soap «Der Jugendcoach», in der Oliver Lück vor der Kamera steht.

Nach dem Erfolg der RTL-Serie «Die Ausreißer» hat jetzt auch der Bällchen-Sender Sat.1 eine Doku, in der Jugendlichen auf Abwegen geholfen wird. Oliver Lück ist für Sat.1 der «Jugendcoach». Am Montag startete er mit seinem ersten Fall.

Das Schema ist dabei praktisch ähnlich der bereits bekannten Doku-Soaps. Zunächst wird der 19-jährige Sebastian vorgestellt, der unter Alkoholsucht leidet und schon mehrfach wegen schwerer Körperverletzung im Gefängnis saß. Ein Mann soll ihm helfen aus diesem Sumpf raus zukommen: Jugendcoach Oliver Lück. Nach der kleinen Einführung geht es auch schnell zur Sache. Da ist direkt klar, dass der Fokus weniger auf der Darstellung der Misere des Protagonisten, sondern mehr auf die Lösungsansätze des Jugendcoachs abzielt, der sofort loslegt.

Jugendcoach Oliver Lück greift auf bewährte Methoden zurück und sucht erstmal den Weg über die Konfrontation und Provokation. Ein stückweit will Oliver Lück den Teenager begleiten, der ein Problem mit seiner Kindheit hat, woraus ein Vaterkomplex resultiert, und seine Alkoholsucht besiegen und die Aggressionen bewältigen (Saufgelage enden in Schlägereien) möchte. Wie so oft in solchen Doku-Soaps ein erschreckendes Bild, das sich dem Zuschauer von dem Jugendlichen bietet. Doch da das alles schon einmal da gewesen ist und gar nicht so direkt ins Detail gegangen wird, interessiert zunächst mehr ein anderer Aspekt: Wie will Oliver Lück den Jungen, der auf die schiefe Bahn gelangt ist, wieder auf die richtige Spur bringen? Zunächst ist man also auf die Lösung des Jugendcoaches gespannt, nach dem man kurz aber bündig Sebastian Leid und Fehltritte betrachtet hat. Das gefällt, denn darum soll es schließlich gehen.

Dass der Wille des Jugendlichen da ist, ist erstens Voraussetzung, zweitens aber wird dies besonders von Oliver Lück hervorgehoben – er möchte ich ihm nichts aufzwingen. Der Eindruck entsteht auch gar nicht. Dennoch lösen seine Methoden etwas Verwunderungen aus. Oliver Lück steigt mit Sebastian in den Boxring. Während der Zuschauer noch über den Sinn der ganzen Aktion philosophiert, gibt Oliver Lück alles und provoziert Sebastian später so, dass der Junge beginnt zu heulen. Oliver Lück hat also erstmal den Finger in die Wunde gelegt, um zu sehen wer oder was das Problem ist. Dies gibt dem Jugendcoach am Ende Recht, doch erwartet man hier doch erstmal eine actionreichere Reaktion – den Respekt hat Oliver Lück also sicher anders als es zunächst schien. Da eine ausgewogene Balance zwischen Aktion und Emotionalität geschaffen ist, gelingt es der neuen Sat.1-Serie bis dahin zu überzeugen.

Das Lob des Jugendcoach, das er beim zweitägigen Ausflug in einen Naturschutzpark erfährt, tut Sebastian gut. Im Park konfrontiert Oliver Lück seinen Schützling schließlich mit der Rolle des Opfers, nutzt dabei auch dessen (Fäkal-)Sprache und zeichnet ihm ein Bild seiner Aggression. Auch hier ist man erstmal verwundert, ein leichtes Schmunzeln ist nicht zu verbergen, ob der skurrilen Methoden des Jugendcoaches. Doch dann rücken die Emotionen deutlich in den Mittelpunkt. Die Serie verflacht wieder etwas in Eintönigkeit und einen traurigen Unterton.

Der einigste Schläger wird tatsächlich weich und hat erstmals Mitgefühl mit seinen Opfern und gesteht sich Schuld ein. Oliver Lück scheint seinem Ziel näher zu kommen, doch dann gibt es wieder eine dramatische Wende: Sebastian ist alkoholkrank und muss in die Entzugsklinik. Es wird melancholischer. Die ganze Familie stärkt ihrem einstigen Problemkind den Rücken. An einem See haben alle Tränen in den Augen. Spätestens jetzt soll das Mitleid des Zuschauers geweckt werden. Das gelingt sogar ein wenig. Wenn Sebastian dann seine Therapie erfolgreich abgeschlossen hat – was ohnehin zu erwarten war – hat Oliver Lück sein Ziel erreicht. Ende gut, alles gut. Happy End im Sinne des leidenschaftsbewussten Zusehers.

Zuvor hat er noch die symbolische Wurzel seines alten Lebens selbstständig ausgegraben und verbrannt. Wie bei der «Supernanny» oder «Teenager außer Kontrolle» greift man also hier auch auf die Symbolik zurück, um den Jugendlichen klar zu machen, worum es dem Coach geht. Rasant wie die Sendezeit verfliegt, so lernen auch der Jugendliche bei Oliver Lück.

Mit dem «Jugendcoach Oliver Lück» hat Sat.1 letztlich sicher eine gelungene Doku-Soap gestartet, die alles beinhaltet, was man vorher auch so erwartet hat. Mehr aber auch nicht, da jegliche Spannung teilweise etwas untergeht. Interessant sind allein die Methoden des Jugendcoachs, die – zugegeben – etwas sonderbar erscheinen. Doch wer ähnliche Formate kennt, wird auch hier nichts wirklich Neues entdecken können, denn wirklich innovativ erscheint «Jugendcoach Oliver Lück» nicht. Floppen muss die Serie nicht unbedingt. Doch ob es quotenmäßig reichen wird, bleibt abzuwarten.

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