Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Die Castingshow-Formel

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Castingshows sind ein Phänomen: Einige sind Superhits, einige totale Flops. Was ist das Erfolgsgeheimnis?

Kein TV-Genre hat einen solch ambivalenten Charakter wie jenes der Castingshow: Einerseits die großen Formate wie «DSDS», «Das Supertalent» oder «Germany´s Next Topmodel» mit riesigen Shows, prominenten Namen und exorbitanten Einschaltquoten sowie gesellschaftlicher Relevanz, andererseits die lieblos und halbgar auf den Bildschirm geschickten Sendungen wie «Germany´s Next Showstars», «Mission Hollywood» oder «Die beste Idee Deutschlands», die fast ausschließlich als Flops in die Sendergeschichte eingehen und schnell aus den Köpfen verschwinden. Neben den Grundvoraussetzungen erfolgreicher Primetime-Shows - einem guten Konzept, erfolgreichem Marketing für die Show sowie einem passenden Sendeplatz – müssen beim Casting-Genre weitere Punkte besonders beachtet werden. Was macht den Erfolg einer Talentsuche aus und warum schaffen es viele Produzenten nicht, die Formel für ein gutes Format dieser Art zu finden?

Zunächst muss festgehalten werden, dass Individualität bei Castingshows eine signifikantere Rolle haben als andere Sendungen: Einige Genres wie jene der Richter-Sendungen am Nachmittag oder der Family-Dokus sind so austauschbar, dass sie gut nebeneinander funktionieren können und wo die Kopien der Originale auch gute Quoten einfahren. Bei der Castingshow hat der Individualitätscharakter eine größere Bedeutung. Der Misserfolg von Kopien wie «Die deutsche Stimme» (ZDF, 2003), «Ich Tarzan, du Jane» (Sat.1, 2008) oder aktuell «Mission: Hollywood», das sich sehr stark an «Germany´s Next Topmodel» anlehnt, sowie der «Supertalent»-Kopie «Germany´s Next Showstars» ist zu einem Teil darauf zurückzuführen, dass die Zuschauer ähnliche Formate schon kennen.

Ein weiterer Faktor, der mit dem ersten Aspekt einhergeht, ist jener der Gewohnheit. Quotenhits wie «DSDS» oder «Topmodel» bringen bekannte Stars wie Dieter Bohlen und Heidi Klum auf den Bildschirm, welche der Zuschauer als kompetente Gastgeber angenommen hat. Da die Talentsuchen sich üblicherweise über mehrere Wochen, teils Monate strecken, muss ein Grad von Identifizierbarkeit zwischen Präsentatoren und Zuschauern – aber besonders auch den Kandidaten und Zuschauern – geschaffen werden, der bewirkt, dass man jede Woche immer wieder einschaltet. Sich auf Neues einzulassen, ist für den Menschen generell schwierig und für den Fernsehmacher eine bedauernswerte Situation.

Der Punkt, der schließlich als Drittes aufgeführt werden muss, ist die Redundanz. Castingshows überfluten den TV-Markt – oft laufen sogar mehrere Formate im gleichen Zeitraum, sodass sich beim Zuschauer automatisch eine Sättigung einstellt und er sich nur noch auf die Formate konzentriert, die er schon immer gewohnt war, zu schauen. Schon einmal gab es zu viele Castingsendungen in der TV-Landschaft: Als «DSDS» im Jahre 2003 zum Massenphänomen wurde, starteten alle großen Sender binnen weniger Monate ihre eigene Suche nach dem besten Gesangstalent, aber allesamt hatten diese Programme keinen Erfolg. Dies ist einer der Gründe dafür, warum auch viele Shows mit innovativen Ideen – wie der Erfinder-Sendung «Die beste Idee Deutschlands» – aktuell floppen.

Wie kann man also überhaupt noch ein erfolgreiches, neues Castingformat schaffen? Es ist eine fast unmögliche Aufgabe, wenn man die drei obigen Punkte betrachtet. Fast alle erstrebenswerten und geeigneten Traumberufe wurden schon in diesen Shows gesucht (ob Sänger, Popstars, Models oder einfach „Supertalente“), sodass es schwer ist, überhaupt noch Jobs zu finden, die im TV noch nicht gecastet wurden. Weiterhin benötigt es sehr prominente Köpfe, um beispielsweise in der Jury, einem essentiellen Konzeptteil dieses Genres, Glaubwürdigkeit herzustellen. Dies gelingt beispielsweise dem ZDF mit «Ich kann Kanzler!» gut, weil dort neben dem Politiker Henning Scherf auch Günther Jauch und Anke Engelke in der Jury sitzen. Und schließlich muss ein geeigneter Zeitpunkt gefunden werden, die Sendung auszustrahlen. Denn wenn im gleichen Zeitraum parallel zwei ähnliche Shows laufen, ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass die neue erfolgreich wird.

Das Fazit: Eine neue Castingshow ist so schwer zu etablieren wie kein anderes Fernsehformat. Meist geraten die teuren Produktionen zu totalen Flops – wenn es ein Sender aber mal geschafft hat, ein Casting-Programm erfolgreich zu etablieren, dann wird es meist ein Quotenhit für mehrere Jahre, zum Aushängeschild des Senders und dank Marketingperipherie eine gigantische Einnahmequelle. Das Format der Castingshow ist daher vor allem Eines für den Fernsehmacher: Eine sehr riskante Herausforderung.

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt ein paar neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Freitag nur auf Quotenmeter.de.

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