Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Das Phänomen kabel eins

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Ein Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft des Senders. Kann der aktuelle Erfolg weiter anhalten?

kabel eins hat eine bemerkenswerte Entwicklung hinter sich: Als „Kabelkanal“ im Februar 1992 gestartet, wollte der Sender die Zuschauer mit einem „sauberen“ und gemütlichen Programm unterhalten. Das Kinderprogramm war damals ein essentieller Teil des Konzepts. Ab 1997 war der nun umbenannte Sender „Kabel 1“ ein Vollprogramm; gespickt mit wiederauferstandenen Gameshow-Highlights am Vorabend wie «Glücksrad» und «Geh aufs Ganze!», die jahrelang zu den erfolgreichsten Programmbausteinen gehörten. Und während die Jahresmarktanteile zwischen 1999 und 2008 mit Werten zwischen 4,9 und 5,6 Prozent vergleichsweise stabil blieben, änderte sich die Ausrichtung doch so stark wie bei fast keinem anderen Sender.

Unter dem Claim „Kabel 1. Alles Gute.“ positionierte man sich jahrelang erfolgreich unter dem Image des Klassiksenders mit traditionellen Filmen („Die besten Filme aller Zeiten“) und bewährter Unterhaltung. Kabel 1 war zu der Zeit der Sender, mit dem die deutschen Fernsehzuschauer klassisches Programm am meisten verbanden. Im Jahr 2005 unter dem Motto „Good Times“ ging es dann weg vom etwas angestaubten und wenig zielgruppenkonformen Image hin zu buntem Programm. RTL II war mit Dokusoaps erfolgreich; kabel eins kopierte vieles und das meiste funktionierte nicht.

Doch seit 2008 und seit diesem Jahr unter dem neuen Geschäftsführer Jürgen Hörner bricht kabel eins aus der schon zu vertrauten 5-Prozent-Umgebung der Marktanteile aus und schafft locker den Sprung über die 6-Prozent-Marke. Im Juli wird man mit einem Monatsmarktanteil von 6,6 Prozent einen der erfolgreichsten Monate seiner Geschichte feiern können. Die Popularität kommt nicht von ungefähr: Mit einer konsequenten, klar abgegrenzten Genre-Programmierung am Tag erreicht der Sender mittlerweile oft mehr junge Zuschauer als die großen Privatsender Sat.1, RTL oder ProSieben.

kabel eins hat die bei anderen Sendern oft vermisste nötige Geduld mitgebracht, die sich nun durch die Lorbeeren auszeichnet: Seit Jahren werden im Mittags- und Nachmittagsprogramm Sitcoms ausgestrahlt. Nun hat man mit «King of Queens» und «Two and a Half Men» zwei Vertreter dieses Genres, die dem Sender tagtäglich zweimal (inkl. Wiederholungen) zu exorbitanten Marktanteilen verhelfen. Am Vorabend ein ähnliches Bild: Das «Fast-Food-Duell» war anfangs wenig erfolgreich; ist mittlerweile eine feste Säule im Programm. Durch beliebte Serienabende mit «Ghost Whisperer» und «Medium» hat man sich einen Fan-Stamm aufgebaut; weiterhin pflegt man aber die Marke der „besten Filme aller Zeiten“. So hat kabel eins sich das vielleicht beste Image unter den Privatsendern aufgebaut – nicht zuletzt eben durch seine Geschichte.

Neben der Geduld, die kabel eins bei vielen seiner Sendungen mitbringt und damit dem Zuschauer auch den Glauben in das eigene Programm demonstriert, ist es besonders die hohe Qualität, die den Erfolg ausmacht. Die erfolgreichen Sitcoms am Nachmittag sind eben auch darauf zurückzuführen, dass sich der Zuschauer leichte, aber qualitativ gute Unterhaltung ansehen will und nicht den gescripteten Doku- und Gerichtsshow-Einheitsbrei, der ihm bei den großen Sendern vorgesetzt wird. Und schließlich hat kabel eins das unglaubliche Privileg, der kleine Sender einer großen Familie zu sein. Denn bei Misserfolg von bestimmten Programmen bei Sat.1 oder ProSieben kann kabel eins diese meist erfolgreich verwerten: Jetzt wurde angekündigt, dass u.a. die US-Serien «Lost» und «24» demnächst dort zu sehen sind. Ebenso geht «The Biggest Loser» bei kabel eins und nicht bei ProSieben in eine neue Staffel. Das Erfolgspotenzial solcher Programmverschiebungen ist hoch, schließlich kennt ein relativ großes Publikum die Shows schon vom „größeren“ Sender.

Mit den weiteren Ankündigungen für die TV-Saison 2009/10 hat sich kabel eins allerdings keinen Gefallen getan: Einige neue Dokusoaps oder «Deutschlands beste Partybands» sind – intuitiv gedacht – nicht dazu geeignet, den Erfolg des Senders noch auszuweiten. Große Änderungen stehen allerdings sowieso nicht an; es gibt nur sehr wenige problematische Baustellen im Programm. Somit wird sich kabel eins wohl auch in den nächsten Monaten über Marktanteile jenseits der 6-Prozent-Marke freuen können, doch ein weiterer solch rasanter Aufstieg, wie ihn beispielsweise VOX vorgemacht hat, ist nahezu ausgeschlossen. Das aktuell reelle Ziel: Eine dauerhafte Positionierung vor RTL II als „Nummer zwei“ der kleinen Privatsender. Angesichts der Abstinenz von «Big Brother» ist dies im Bereich des Möglichen, ja sogar wahrscheinlich. Und wer hätte das noch vor einem Jahr ernsthaft gedacht?

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt ein paar neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Freitag nur auf Quotenmeter.de.

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