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Cris: Wie viele Leute schalten bei einer Werbepause ab?
Christian Richter: Dies wollte auch Peter wissen. Da die Einschaltquoten minutengenau gemessen werden, lässt sich dies für jede einzelne Sendung exakt feststellen. Im Durchschnitt beträgt der Verlust etwa 20 bis 30 Prozent.
Erik: Wie werden eigentlich die Werbepreise von Spielfilmen berechnet? Da weiß man ja vorher nicht wie viele Menschen zuschauen werden.
Christian Richter: Dies interessierte auch Bernhard. Alle Programme, die ein Sender ausstrahlt, werden von diesem „geprict“, das heißt man schätzt im Vorfeld ab, welche Einschaltquote die Sendung haben könnte. Dies ist selbstverständlich ein sehr schwieriges Unterfangen, weswegen viele Sender für diese Aufgabe besondere Experten beschäftigen. Dabei spielen viele Faktoren mit: Die objektive Qualität des Programms, die Sendezeit, die Konkurrenz, das Thema der Sendung, die Sendedauer und das Lead-In. Anhand all dieser Faktoren versuchen die Sender damit die zukünftige Quote so genau wie möglich vorauszusagen. Ein Sender ist daran interessiert den tatsächlichen Wert möglichst genau zu treffen. Setzt man ihn zu niedrig an, verkauft man die Werbeplätze zu billig. Ist er zu hoch hat man die Programmplätze zu teuer verkauft und die Werbekunden sind enttäuscht. Häuft sich dieses Phänomen, werden sich die Firmen überlegen, ob sie weiterhin bei dem entsprechenden Sender buchen wollen. Manchmal, besonders bei neuen Formaten, bieten die Sender sogar Garantien an. Wenn der angesetzte Wert nicht erreicht wird, erhält der Kunde kostenlose Freispots als Ausgleich.
Es gibt leider wenig gesicherte Informationen zu diesem Thema, da es sich um die sensibelsten Daten eines Senders handelt. Der ehemalige Senderchef von Sat.1 Roger Schawinski hat in seinem Buch „Die TV-Falle“ jedoch ein konkretes Beispiel benannt. Bei dem Event-Vierteiler «Blackout», der am 28. Oktober 2006 erstmals ausgestrahlt wurde, wurde ein Pricing von etwa 13 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe angesetzt. Diese Schätzung war laut Schawinski sogar noch sehr zurückhaltend. Am Tag nach der Ausstrahlung stellte sich jedoch heraus, der tatsächliche Marktanteil bei 7,0 Prozent lag. Das angesetzte „Pricing“ lag somit total daneben.
Hat sich ein Sender ein Pricing für ein Programm festgelegt, wird auf diese Annahme der konkrete Spotpreis gestützt. In Deutschland werden die Werbepreise anhand der sogenannten TKP (Tausender-Kontakt-Preis) ermittelt, also dem Preis für 1000 Werbekontakte. Setzt man daher für einen Film eine durchschnittliche Zuschauerzahl von 3,5 Millionen ab 3 Jahren, davon etwa 2,5 Millionen in der werberelevanten Zielgruppe an, würde laut el cartel (Vermarktungsfirma von RTL II) der 30sek, Spot abhängig von genauer Sendezeit und dem Sendemonat etwa 35.000 Euro kosten. Bei RTL läge der Wert laut IP Deutschland bei etwa 45.000 Euro. (Stand: Januar 2008)
Sandra: Ich habe gelesen, dass die großen Privatsender immer wieder auf die Medienagenturen schimpfen. Wieso? Was machen diese denn?
Christian Richter: Die wenigsten Werbekunden wenden sich direkt an die Sender und buchen diese Sendeplätze direkt, sondern beauftragen damit spezielle Agenturen. Diese erhalten dann ein Budget und sollen die Werbung möglichst effektiv im Namen der Unternehmen einkaufen. Dabei haben sich in den vergangenen Jahren fünf Agenturen herausgebildet, die etwa 80 Prozent des deutschen Werbebudgets verwalten. Die Agenturen können meist jedoch relativ frei entscheiden, wohin sie die Werbung verkaufen und sollen sich dabei oft auch von persönlichen Zuwendungen und Vorteilen leiten lassen. Ein Verdacht, der immer wieder in der Branche geäußert wird. Dies müssen aber nicht zwangsläufig persönliche Geschenke, sondern könnten auch schlicht großzügige Rabatte sein.
Doch die Agenturen verwenden oft einen weiteren Trick, der der Branche ein Dorn im Auge ist. Da sie aufgrund ihres großen Budgets als Großkunde gelten, erhalten sie viele Rabatte in Form von Freispots. Diese Rabatte sind branchenüblich. Damit kommen sie kostenlos an Werbezeiten heran, die diese dann an die Unternehmen weiter verkaufen und den Gewinn für sich behalten. Ein millionenschweres Geschäft. Daher bevorzugen die Vermarkter der Sender eigentlich Direktkunden, die es aber kaum noch gibt.
Hannah: Was verdienen RTL & Co. eigentlich mit den Anrufern bei ihren Castingshow?
Christian Richter: Mittlerweile kommt kaum eine Sendung ohne ein Telefonspiel aus. Dabei sollen die Zuschauer stets eine Nummer mit der Vorwahl 01379 wählen. Die Kosten für einen Anruf betragen gewöhnlich 50 Cent. Die Einnahmen teilen sich dabei in der Regel der Telefondienstleister und der Sender. Über die Höhe der Gewinne und die konkrete Anzahl der Anrufer schweigen die Parteien dabei eisern. Man geht allerdings davon aus, dass etwa 32 Cent an den ausstrahlenden Sender gehen. Bei einer „normalen“ Unterhaltungsshow wie etwa «Die Weisheit der Vielen» gehen, abhängig vom Erfolg und der Dramatik der Show 100.000 bis 1 Million Anrufe ein. Es sind also für RTL zusätzliche Einnahmen von bis zu 300.000 Euro denkbar. Dagegen wirken die verlosten Autos oder Geldpreise lächerlich.
Zum ersten Mal wurde dieses Prinzip im großen Maßstab in der ersten Staffel von «Big Brother» angewendet. Laut des Telefondienstleisters digame haben allein im Finale etwa 1,5 Millionen Menschen angerufen.
Dabei steckte diese Vermarktungsform noch in den Kinderschuhen. Heute ruft man beispielsweise nicht mehr für denjenigen an, den man herauswählen möchte, sondern für diejenigen die bleiben sollen. Damit konnte man zusätzlich die Anruferzahlen steigern. Außerdem wird nicht selten über einen Countdown ein zusätzlicher Spannungsbogen aufgebaut, der weitere Anrufer mobilisiert.
Bei «Deutschland sucht den Superstar» bekommen die anrufenden Fans sogar von jedem Finalisten aufgenommenen Botschaften zu hören, die willkürlich ausgewählt werden und so viele Fans ermutigten mehrmals für ihren Favoriten anzurufen, um alle Botschaften zu hören. Beim Finale der fünften Staffel wurden auf diese Weise bis zu 6 Millionen Anrufer gezählt. Dazu kamen etwa genauso viele SMS zum gleichen Preis. Setzt man hier wieder die 32 Cent an, kann man für RTL von zusätzlichen Einnahmen von rund vier Millionen Euro ausgehen.
Kai: Wonach richten sich die Senderplätze der Wahlwerbespots?
Christian Richter: Zwischen dem 31. und dem vorletzten Tag vor der Wahl sind in der Regel alle privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunksender verpflichtet Sendezeiten anzubieten. Gehen die Parteien darauf nicht ein, gilt die Pflicht trotzdem als erfüllt. Einen Anspruch auf Sendezeit haben dabei alle Parteilen, die den Status eines "zugelassenen" Wahlvorschlags haben. Dabei ist es unerheblich, ob dieser für eine gesamte Liste oder nur für einen Wahlkreiskandidaten gilt. Die Sendezeit wird dann nach der Bedeutung der Parteien vergeben. Dabei sind die Ergebnisse vorangegangener Wahlen ein wichtiger Faktor. Es fließen jedoch auch die Dauer des Bestehens, die Mitgliederanzahl und Beteiligungen an der Regierung mit ein.
Wahlwerbesendungen von Parteien, die eine Fraktion im Bundestag stellen, müssen mindestens halb so lang sein wie die von sonstigen Parteien. Die Grünen, die CSU, die Linke und die FDP erhalten also mindestens die Hälfte der Sendezeiten von SPD oder CDU. Gleichzeitig dürfen aber auch die größten Parteien nicht mehr als viermal soviel Sendezeit bekommen wie die kleinsten.
Demnach erhielten bei der Bundestagswahl 2005 SPD und CDU jeweils 8 x 90 Sekunden (also 12 Minuten). Die übrigen im Bundestag vertretenen Parteien erhielten halb soviel, also 4 x 90 Sekunden (also 6 Minuten) und die kleinsten Parteien bekamen nur 2x90 Sekunden zugesprochen.
Grundsätzlich gilt für einen Spot dabei eine Läge von 90 Sekunden als Ideallänge. In regionalen Fensterprogrammen mit einer Länge von 30 Minuten kann dieser Wert auf 30 Sekunden herabgesetzt werden. Noch weiter unterschritten werden, soll er aber nicht.
Für die Platzierung der Spots gilt, dass diese in der Hauptsendezeit ausgestrahlt werden müssen. Beim Hörfunk geht man von einer täglichen Sendezeit zwischen 6.00 und 19.00 Uhr aus. Im Fernsehen bezieht sich dieses Fenster auf 17.00 bis 23.00 Uhr. Die genauen Sendezeiten müssen dann gleichwertig vergeben werden, wobei die Preiskategorien der kommerziellen Werbung die Grundlagen für einen Vergleich sind. Zudem dürfen die Wahlwerbespots nicht im Rahmen einer kommerziellen Werbeunterbrechung laufen.
Für die Inhalte sind die Parteien dabei selbst verantwortlich, was auch stets vor den jeweiligen Spots betont wird. Die Sender haben bei der Auswahl und Vergabe der Spots kein Mitspracherecht. Sie dürfen nur die Ausstrahlung eines Spots zurückweisen, wenn ein Straftatbestand erfüllt ist.
Die Kosten für einen solchen Werbespot sind für die Parteien verhältnismäßig gering, da sie nur die sogenannten „Selbstkosten“ des Senders tragen müssen – also die technische Grundkosten für den Sendebetrieb. Darunter fallen nicht die Kosten für Programm und Programmgestaltung. Dieser Betrag wurde festgesetzt auf lediglich 35 Prozent des normalen Sekundenpreises für kommerzielle Werbung. Daher stellt die Ausstrahlung von Wahlwerbespots für die Privatsender kein ertragreiches Geschäft dar.
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