Pro von Manuel Weis
ProSieben müsste es eigentlich wissen: Seit langer Zeit macht «TV total»-Moderator Stefan Raab vor wichtigen Wahlen einen Erstwählercheck: Er befragt Erstwähler zu politischen Dingen und bekommt dabei die kuriosesten Antworten. Nicht jeder junge Bürger weiß, wer Bundespräsident Köhler ist und bei Fragen nach Innenminister Schäuble werden die Antworten noch abenteuerlicher. Dementsprechend ist vermutlich das Wissen, wenn man nach politischen Inhalten fragt. Natürlich:
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Bislang kam die Diskussionssendung, die auf vier großen Fernsehsendern übertragen wird, auch beim jungen Publikum stets auf annehmbare Werte – und das ist gut so. Dass ProSieben in diesem Jahr den «Simpsons»-Film im Gegenprogramm ausstrahlt und damit auch noch Wahlwerbung (Mehr Homer für alle!) macht, ist unverantwortlich. Weit mehr als 20 Prozent Marktanteil wird die Produktion beim jungen Publikum wohl generieren – und genau diese Menschen hält man davon ab, sich zwei Wochen vor der Wahl politisch zu informieren.
Natürlich: Der Film war schon vor Bekanntwerden des Termins des TV-Duells geplant, doch dieses Argument zählt nicht: Es war zum einen zu erwarten, dass ein mögliches TV-Duell an diesem Termin über die Bühne gehen wird, zum anderen gäbe es bei gutem Willen immer die Möglichkeit das Programm zu ändern. Genug Vorlauf war jedenfalls vorhanden. Die Programmierung von ProSieben ist falsch – und so kann man nur hoffen, dass der gleiche Sender knapp zwei Wochen später mit einer Wahlausgabe von «TV total» viele junge Menschen anlockt, die sich dann eben auf diesem Wege über die Parteien informieren.
Contra von Jan Schlüter:
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Gefährlich ist dieser Schritt für einige Medienbeobachter deshalb, weil sie befürchten, dass die jungen Zuschauer bewusst von dem TV-Duell weggelockt werden und sich damit nicht über die Positionen der Politiker informieren können – indirekt damit also die Politikverdrossenheit durch ein attraktives Alternativprogramm gefördert wird. Vordergründig mag dies besorgniserregend sein, doch in Wahrheit sind die Argumente fadenscheinig: Wer sich wirklich für politische Positionen und die Bundestagswahl interessiert, muss sich nicht von einem TV-Duell abhängig machen, sondern kann tagtäglich in Talk-Runden und den Nachrichten die Entwicklungen und Statements im Fernsehen verfolgen. Und gerade die junge Zielgruppe, um die es hier geht, hat noch viel mehr Möglichkeiten: Das Internet bietet hervorragende Chancen, sich umfassend über die anstehende Wahl zu informieren.
Wer nun also am 13. September die «Simpsons» um 20.15 Uhr einschaltet und das TV-Duell bewusst nicht schaut, der hat sich eben auch bewusst gegen dieses politische Instrument entschieden und informiert sich wie oben beschrieben anderweitig oder ist ohnehin desinteressiert – das heißt, er hätte das Kanzler-Duell auch nicht geschaut, wenn ProSieben das große «C-Promi-Kuchenwerfen» gezeigt hätte. Und gerade diese Entscheidungsfreiheit ist Ausdruck unserer Demokratie.
Wer sich wirklich nicht zwischen Merkel und Homer entscheiden kann, für den gibt es DVD-Recorder, Internet-Aufzeichnungen oder Wiederholungen des Duells bei Phoenix sowie die wichtigsten Statements der Politiker in den Nachrichten. Daher ist die Ausstrahlung des «Simpsons»-Films weniger gefährlich, sondern eher sinnvoll: Denn wann hat ein Sender schon die Möglichkeit, so profiliert und polarisierend für sein Programm und sein Image zu werben? «Die Simpsons» sind eines der beliebtesten Franchises bei den jungen TV-Zuschauern – eine bessere und auffälligere Werbekampagne als gegen das TV-Duell kann es also gar nicht geben, auch weil sie die Chance für anfangs genannte Marketing-Sprüche gibt (Simpsons wählen! usw.). ProSieben wirbt sogar auf einer eigens eingerichteten Internetseite für den Film. Der Sender veranstaltet also quasi wie Merkel und Steinmeier auch ein eigenes Wahlprogramm – für sich selbst und das eigene Image!