Seine Produktionsfirma hat den Problemsendeplatz von RTL bezwungen. Stampfwerk stellt 100 neue Episoden von «Die Schulermittler» her.
Herr Stampf, manche behaupten, dass Sie kein Journalist sind und auch kein PR-Mann, sondern der Macher von großen Serien. Stimmt das?
Da gilt für mich die alte Weisheit meiner lieben, leider schon verstorbenen Mutter: Lieber ein paar Neider als viele Bemitleider. Ich bin mit Leidenschaft Journalist, sonst wäre ich früher wohl nicht Chefreporter bei der BILD-Zeitung oder Chefredakteur beim ORF gewesen. Ich glaube, dass mein Team und ich mit über 20 Serien, zuletzt «Die Schulermittler», gezeigt haben, dass wir durchaus ein ganz gutes Gespür für gute Geschichten und Themen haben.
Ihre Firma Stampfwerk hat zwei Dutzend TV-Projekte umgesetzt - «Boat of Love» zum Beispiel. An welches erinnern Sie sich besonders gern?
«Megaman» war so ungewöhnlich - wer veranstaltet schon ein Hundeschlittenrennen auf 3.000 Metern Höhe? «Die Beauty Klinik» als erste Schönheits-Dokusoap überhaupt war toll, auch an «Das Leben der Superreichen» erinnere ich mich gern. Ein großer Erfolg war für uns auch «Der Amoklauf von Erfurt» oder «Der Kannibale von Rotenburg» - den Dokumentarfilm haben wir in über 20 Länder verkauft. Ich möchte da kein Projekt hervorheben, da jedes wirklich anders war und unterschiedliche Anforderungen an uns als Team gestellt hat.
Wie schwer war es denn für Sie als kleine Firma, ein Projekt wie «Die Schulermittler», das durchaus als Daily-Produktion geplant war, bei RTL unterzukriegen?
Wir sind keine ganz kleine Firma, sondern ein mittelständisches Unternehmen mit zwei Auslandstöchtern in England und Spanien, das eigene Ideen umsetzt und organisch wächst. Natürlich sind wir kein Industrieproduzent und wir haben auch keinen großen Konzern hinter uns stehen. Das macht uns dafür schlank, flexibel und durchsetzungsfähig.
Entscheidungen fallen viel schneller, zum Beispiel haben wir eben eine Film-Kooperation mit dem Hollywood-Produzenten von «Final Destination» und «American Pie» unterzeichnet. Wir werden ab 2010 vier Filme in zwei Jahren gemeinsam produzieren. Oder wir haben die Rechte für «Spains next Topmodel». Sie sehen: Wir arbeiten wirklich gern!
Genau das meinte ich: filmpool, Vorreiter solcher scripted-Realitys, ist sicherlich größer.
Für den Sendeplatz bei RTL gab es viele Anbieter, RTL war aber von Anfang an von unserem Konzept überzeugt - und der Zuschauer hat letztlich entschieden. Also ein demokratisches Urteil. Wir produzieren seit Jahren auch seriell und wir hoffen sehr, dass wir noch viel Spaß mit «den Schulermittlern» haben werden.
Mit welchen Quoten haben Sie denn beim Testlauf gerechnet?
Wir haben gehofft, dass wir den Senderschnitt erreichen können. Dass wir dann aber ohne jegliche Werbung gleich «Niedrig & Kuhnt» in Sat.1 schlagen, das kam dann doch überraschend. Den Problemsendeplatz von RTL wieder auf Vordermann zu bringen, das hat uns für alle Beteiligten sehr gefreut. Auch weil die Zusammenarbeit mit dem Team von RTL absolut spitzenmäßig gelaufen ist.
«Die Schulermittler» waren aber auch risikoreich produziert. In den Klassen war es laut, was manchmal dazu führte, dass nicht jedes Wort zu verstehen war - wie viel Risiko brachte diese "Echtheit" Ihrer Meinung nach mit?
Uns war klar, dass wir neue Wege gehen müssen. «Die Schulermittler» sollten so echt wie möglich aussehen. Deshalb ging es bei den Dreharbeiten auch so zu wie in einer echten Schulklasse: Da ist es schließlich gerne einmal laut und nicht unbedingt geordnet. «Die Schulermittler» leben, die jungen Leute pulsieren, das ist kein klinisch-kaltes Format. Wir haben alle selbst Kinder und können uns so informieren, welche Probleme und Zustände in den Klassen auftreten. Das Beste war aber, dass das Format vor allem beim ganz jungen Publikum richtig gut angekommen ist. Die 14- bis 29-Jährigen konnten sich damit identifizieren und haben sogar in Foren über die Echtheit diskutiert.
Woher nehmen Sie die Ideen für die Fälle?
Wir recherchieren überall, in Zeitungen, im Internet, bei der Polizei, bei Sozialarbeitern, bei Jugendbehörden, wir hören Geschichten von unseren Kindern. Wir stoßen dabei aber oft an die Grenzen: Geplante Amokläufe sind beispielsweise ein Tabuthema. Auch das große Feld der tatsächlichen Gewalt können wir eigentlich nicht wirklich angehen. Über 50.000 Fälle werden jährlich gemeldet. Psychische Gewalt und physische Gewalt ist jedoch nicht nur ein Thema in der Schule - es erstreckt sich oft auch bis in die Familien und da müssen wir mit der Darstellung sehr vorsichtig sein. Wir nehmen unsere Verantwortung als Serie für ein junges Publikum sehr ernst. Uns geht es auch immer darum, Lösungen zu zeigen: Was kann ich als Schüler oder Elternteil tun, wenn mir das oder das passiert?
Also eine Art ‚Help TV‘?
So würde ich das nicht nennen. Uns geht es um eine möglichst realistische Schilderung von solchen Themen, die bislang dem Auge des Zuschauers verborgen blieben, weil das zu aufwendig wäre.
«Die Schulermittler» waren sehr aufwendig produziert - wirkten besser als ähnliche Formate. Denken Sie denn, dass Sie diese Qualität auch halten können, wenn Sie täglich eine Episode herstellen müssen?
Wir wollen sogar noch besser werden. Ja, wir haben richtig aufwendig produziert - mit viel Engagement und viel Liebe zum Detail. Die fünf Testfolgen sind nun eine Art Maßstab für uns - unter dem dürfen wir nicht liegen. Deshalb macht unser Team jede Folge mit viel Liebe. Anke Schäferkordt von RTL hat einmal etwas gesagt, das auf Stampfwerk absolut zutrifft: Wir brauchen jetzt leidenschaftliche Filmemacher, die eben verstehen, dass vieles heute nicht mehr so gemacht werden kann wie noch vor einigen Jahren. Also niedrigere Produktionskosten, gute Qualität und hohe Quoten. Ich führe zum Beispiel selbst Regie bei einigen Folgen der «Schulermittler», unser Team macht Nachtdrehs auch wenn wir sonntags schon bis 23.00 Uhr gearbeitet haben. In Qualität steckt das Wort "Qual" - das ist unser Motto: "Wir gehen die Extrameile". Mit Sat.1, DMAX und kabel eins freuen wir uns schon auf die nächsten Formate aus unserem Haus, die noch dieses Jahr starten.
Ich stelle mir das etwas schwierig vor. Sie drehen mit ganzen Schulklassen, vielen Lehrern in echten Schulen. Dort soll doch eigentlich Unterricht stattfinden...
Wir haben speziell für «Die Schulermittler» ein eigenes Casting-Konzept entwickelt. Unsere Produktionsbibel ist 150 Seiten dick - das Format wird weiterhin mindestens die gleiche Qualität haben wie in der Testwoche. Übrigens: Es freut mich, dass Ihnen die Sendung so gut gefallen hat und Sie stehen da auch nicht alleine da. Es gibt schon einige Anfragen aus dem europäischen Ausland und den USA für die Schulermittler».
Man hört, dass Sie zunächst 100 Folgen herstellen. Aber auch Norddeich TV, die Firma, an der Oliver Geissen beteiligt ist, soll einige Ausgaben übernehmen...
RTL hat Stampfwerk mit der Produktion beauftragt, auch weil hier einige Jahre Arbeit und Know How eingeflossen sind. Hinsichtlich Norddeich TV befinden wir uns momentan in Verhandlungen. Wir drehen eine Folge derzeit in zwei Tagen, wollen es aber schaffen, in eineinhalb Tagen fertig zu werden. Um die Programmversorgung sicherzustellen, überlegen wir gemeinsam mit RTL in der Tat, ob wir Norddeich TV nicht zum Subproduzenten machen und dann auch ein zweites Team einführen. Final entschieden ist in diesem Punkt aber noch nichts.
Wie gefällt Ihnen der RTL-Nachmittag derzeit allgemein?
Er gefällt mir sehr gut! Natürlich auch weil ich mich auch auf die Rückkehr von «Die Schulermittler» freue. Ich glaube, dass RTL einfach momentan den Geschmack des Publikums trifft - die Bundesbürger wollen Familiengeschichten sehen und auch Geschichten, die sich um das Geschehen in Schulen drehen. Wir arbeiten schon seit eineinhalb Jahren an scripted Realitys, weil wir festgestellt haben, dass der Dreh von richtigen Dokus, die Menschen Tage lang begleiten, immer aufwändiger wird. Außerdem stößt er an Grenzen: In Schulen könnte man mit Kameras nicht ohne Genehmigungen von etlichen Stellen gelangen - das was da passiert, bliebe also verborgen. Unsere geschriebenen Fälle, die sich stark an der Realität orientieren, haben diese Grenze nicht. Ich bin übrigens auch der Meinung, dass scripted Realitys durchaus primetimefähig sind.
Vielen Dank für das Interview.