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Einiges ist in der nunmehr vierten Staffel neu, vieles ist gleich. Geblieben sind die üblichen Eskapaden um Geld, Nutten und die Unterdrückung vermeintlich schwacher Menschen. Auch der anklagende Ton gegenüber der Ignoranz und Unrechtmäßigkeit der amerikanischen Regierung ist noch vorhanden und macht die Serie auch weiterhin zu einem aktuell-politischem Plädoyer für eine bessere Zukunft. Zwar nur minimal, aber immerhin. Diesmal erhebt sich Anwalt Alan Shore leidenschaftlich gegen die Ölkonzerne, die versuchen Umweltstudien zu unterlaufen.
Mit Autor David E. Kelley und Regisseur Bill D’Elia arbeitete das bewährte Team einmal mehr zusammen. Kelley’s Serien neigen dazu, nach einer gewissen Laufzeit abzudrehen. Sobald ein Ende in Sicht ist, werden die Geschichten oft abstruser und die Figuren liebloser. Dies ist bisher bei «Boston Legal» glücklicherweise noch nicht zu erkennen. Charakteristisch für seine Formate ist zudem ein abruptes Kommen-und-Gehen von Hauptfiguren. Mit dem Weggang von Paul Lewiston (Rene Auberjonois), Denise Bauer (Julie Bowen) und Claire Simms (Constance Zimmer) wurde Kelley auch im Wechsel zwischen Staffel drei und vier diesem Ruf gereicht. Dafür sprangen gleich drei neue Figuren in die Hauptbesetzung.
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Zudem wird die Figur des am Asperger Syndrom leidenden Jerry Espenson (Christian Clemenson) ins Hauptcast befördert und darf nun auch ohne Alan Shore Fälle vertreten. Es ist zu hoffen, dass der Charakter dadurch nicht zu überreizt wird. Die Serie lebt vor allem von den kleinen skurrilen Figuren, die sich trotz ihrer Mängel immer wieder durchsetzen können und dabei sympathisch bleiben. Dieses Erfolgsrezept machte schon die früheren Kelley-Serien wie «Ally McBeal» oder «Picket Fences» zum Erfolg. Herzstück der Serie bleibt aber auch bei den neuen Folgen die Männerfreundschaft zwischen Alan Shore und Danny Crane, die immer sonderbarer und intimer wird und für die witzigsten Momente sorgt.
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Bedauerlich bleibt nach wie vor, dass VOX der Serie einen derart unprominenten Sendeplatz verpasst hat, auch wenn die Quoten den Programmplanern bisher recht geben. Dass der Sender die hochwertige Serie am späten Montagabend bis nach Mitternacht zeigt, gleicht trotzdem einer Verschwendung. Wenigstens wurden die tapfer wachgebliebenen Fans mit nur einer Werbeunterbrechung während der XXL-Folge belohnt.
Die vierte Staffel von «Boston Legal» beginnt leider mit einer relativ schwachen Folge. Nicht schlecht, aber auch nicht grandios. Die Geschichten um unwissendliche Prostitution, Durchsetzung des eigenen Willens, begehrenswerten Anwälte und die Anprangerung der Großkonzerne waren allesamt schon vorher zu sehen und zumeist besser. Vergleicht man diese Episode mit dem starken Auftakt zur dritten Staffel, bleibt zu hoffen, dass die Macher in den noch verbliebenen 32 Episoden bis zum endgültigen Ende eine Schippe drauflegen, sonst ist zu befürchten, dass die Serie im Meer der allgegenwärtigen Seichtigkeiten untergeht. Erst recht um kurz vor Mitternacht.