Der Meister ist zurück. Nach den mageren Jahren zwischen 2004 und 2006, in denen Harald Schmidt mit seiner ersten ARD-Show an seine alten Sat.1-Late-Night-Zeiten anzuknüpfen versuchte und dabei gnadenlos scheiterte, und den eineinhalb Jahren konsequenter Arbeitsverweigerung mit Oliver Pocher hat Schmidt nun erneut den Thron bestiegen, der so lange unbesetzt blieb. Unter dem schlichten Titel «Harald Schmidt» präsentiert der Künstler aktuell Woche für Woche hervorragendes Fernsehen, das Spaß macht und intelligent ist – wer hätte je gedacht, dass Schmidt noch einmal in seiner Karriere so zu Hochform auflaufen könnte?

Frei von allen Quotensorgen – Schmidt hat die Intention, mit seinem Programm die Reichweite unter eine Million Zuschauer zu drücken – spielt der Meister auf und präsentiert in den ersten Sendungen ein Kulturfeuerwerk, das seinesgleichen sucht: Ob die Verbrüderung mit Theaterlegende Claus Peymann, der schon oft Gegenstand von Schmidts Shows war, doch selbst nie zu Wort kam, die Entlarvung des peinlichen Sensationsjournalismus der Privatsender durch einen inszenierten Schweinegrippe-Fall, das Testen von Smartphones auf Biertauglichkeit (eine hervorragend zynische Parodie auf den gesellschaftlichen Gegensatz zwischen der avantgardistischen Technik-Boheme und der traditionalistischen Oktoberfest-Gesellschaft) oder das systematische Umkippen von Ikea-Billy-Regalen als aktionskünstlerisches Theater ohne offensichtlichen Sinn – Schmidt weiß, wie er die einen Zuschauer höchst zufrieden vor dem Fernseher lachen lässt und die anderen Zuschauer zum Gähnen bringt ob der Frage, was das alles solle.

Schmidt ist unvorhersehbar, die Sendung scheint improvisiert und doch perfekt einstudiert zugleich. Der Late-Night-Gott brüllt sein Publikum an, wenn es die Witze nicht versteht, und sinniert über die Leitartikel der „Zeit“. Das ist der alte Chefzyniker, wie wir ihn kennen – überraschend und unkonventionell. Seine Sendung ist eine Wundertüte. Intelligent und engagiert. Witzig für den einen, langweilig und unerschließbar für den anderen. Entlarvend schickte Schmidt seine Entourage auf das Oktoberfest, um Rilke-Gedichte vor der grölenden Menge vorzutragen. Er schafft es bisher, seine Versprechungen einzuhalten, und Bildungshumor mit Anspruch zu senden. Damit sind er und seine Sendung einzigartig im TV, deshalb auch jetzt schon so wichtig. Der neue Anspruch wird vielen nicht gefallen und das ist auch legitim – doch diejenigen, die dem neuen Schmidt etwas abgewinnen können, haben einen Pflichttermin im deutschen Fernsehen. Alle anderen sollten schleunigst ein „Zeit“-Abo abschließen oder sich von Schmidt abwenden. Er wird sich nicht mehr verändern. Denn er ist dort angekommen, wo er sich wohlfühlt. Mit elitärem Humor auch für das aussterbende „Bürgertum“, dem er sich besonders in der vierten Sendung annahm. Wie stand schon einst im Traktat des Steppenwolfs von Hermann Hesse geschrieben: „[Den Steppenwölfen] bietet sich, wenn ihr Geist im Leiden stark und elastisch geworden ist, der versöhnliche Ausweg in den Humor. Der Humor bleibt stets irgendwie bürgerlich, obwohl der echte Bürger unfähig ist, ihn zu verstehen.“ Harald Schmidt, der Steppenwolf des deutschen Fernsehens, ist zurück.