360 Grad

Harrys Elite

von
Harald Schmidt hat weite Teile des deutschen Fernsehpublikums satt. Julian Miller analysiert die Konsequenzen.

Seit einigen Wochen macht Harald Schmidt nur noch Fernsehen für die Elite und er hat es sich zum Ziel gesetzt, die Quote seiner neuen Sendung unter eine Million Zuschauer zu bringen. Die ARD spielt das Spielchen mit. Eine andere Wahl hat sie ja auch nicht. Schließlich sind die Zeiten, in denen Schmidt sich in dämliche Sinnloskonzepte wie «Verstehen Sie Spaß?» oder zur Zusammenarbeit mit Proletenkomikern wie Oliver Pocher hat drängen lassen, längst passé. Und das ist auch gut so.

Seit seinem Beginn im Late-Night-Geschäft vor vierzehn Jahren bietet Dirty Harry elitäres Nischenfernsehen. Für Bundesbürger, die am Weltgeschehen mehr Interesse zeigen als am Verlauf der Scheidung der Nachbarin. Für Leute, die mit dem Namen Claus Peymann etwas anfangen können. Für frustrierte Intellektuelle, die beim Elternabend im Kindergarten stundenlang lethargisch in der Mal-Ecke kauern. Die kleine, feine Premium-Zielgruppe. Und Schmidt gönnt sich nun auf seine reiferen Tage im Fernsehbusiness endlich, das auch wirklich auszuleben. Ein peinlicher und zotenhafter Ex-Viva-Moderator musste gehen, eine charmante 3sat-Moderatorin und ein brillanter Kolumnist der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» kamen. Und das neue Team harmonisiert um einiges besser als das sich gegenseitig ankotzende Schmidt-Pocher-Duo.
Natürlich gab es in Schmidts neuer Solo-ARD-Show auch die ein oder andere Peinlichkeit. Doch Monica Ivancans Nabelgate kann man angesichts eines göttlichen Interviews mit Sibylle Berg und eines sehr hübschen Beitrags über den deutschen Schweinegrippejournalismus durchaus verzeihen. Nicht zu vergessen auch Barack Obamas Fichtendickicht und ein interessantes Gespräch mit der rhetorisch ungewandten Juso-Bundesvorsitzenden Franziska Drohsel.

Es wird noch eine Weile dauern, bis «Harald Schmidt» zu seiner eigenen Dynamik findet, und der Weg dorthin wird von Versuch und Irrtum geprägt sein. Doch man kann sich sicher sein, dass die Show nicht im hirnlosen Blabla versumpfen wird, wie es so oft mit deutschen Late-Nights passiert. Dafür ist Schmidt noch zu agil. Dirty Harry bietet allen von der Inhaltsleere genervten Zuschauern eine Zuflucht. Wer das nicht zu schätzen weiß und lieber über Pochers dutzendste Parodie eines penetranten Castingshow-Teilnehmers lacht: “Weg!”

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