Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Informationsproblem

von
ProSiebenSat.1 gesteht sich das eigene Scheitern im Informationsbereich ein. Der Kommentar.

In diesen Tagen werden massive finanzielle Probleme der Nachrichtensparte für die ProSiebenSat.1-Gruppe bekannt. Der wichtige Punkt: die Produktion der Nachrichten für die Sender ProSieben, Sat.1 und kabel eins bzw. für die German Free TV Group. Die gespenstische Zahl lautet 65 Millionen – so viel Verlust soll die Produktion pro Jahr machen. Änderungen wird es in jedem Fall geben. Nur steht noch nicht fest, ob es Programmeinschnitte geben wird oder ob gleich ein kompletter Verkauf des Nachrichtensenders N24, der Zulieferer für die News all der Sender ist, angestrebt wird.

Demnach sei es ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling sogar am liebsten, wenn der Sender komplett verkauft würde. Zwei Interessenten soll es bereits geben. Der Knackpunkt: Die Sendergruppe will nicht, dass ein neuer Investor und Besitzer den Nachrichtenkanal in ein anderes Programm umwandelt. Denn dann müssten sich ProSieben und Co. entweder einen neuen Nachrichtenzulieferer suchen oder die News wieder selbst produzieren – womit man wieder am Anfang der Misere stünde.

Dennoch ist nicht unwahrscheinlich, dass es bei jetziger Lage und auch der Haltung der Geschäftsführung zu einem kompletten Verkauf von N24 kommt. Denn an der Causa der Produktion von Nachrichten für Sat.1, ProSieben und kabel eins wird letztlich kein Deal scheitern. Genau deswegen, weil CEO Ebeling sich ebenfalls eingesteht, dass die Sendergruppe bei der Informations- und Nachrichtenkompetenz versagt habe: Der Zug sei „abgefahren“; die Stärkung der Nachrichtensparte sei mittlerweile sinnlos. Doch der Zuschauer, der sich das Nachrichtenprogramm der drei Sender anschaut, wird dies wohl längst selber gemerkt haben.

Die Frage ist auch, warum die Nachrichtenproduktion überhaupt so teuer ist: Sat.1 hat seine «Nachrichten» auf 15 Minuten gekürzt und sendet mittlerweile um 20.00 Uhr, ProSieben hat eine richtige Sendung komplett aufgegeben und informiert noch für fünf Minuten um 18.00 Uhr in der «Newstime» zwischen «taff» und den «Simpsons» und kabel eins versteckt seine «News» zwischen zwei Sitcoms. Alle drei Nachrichtensendungen zeigen die gleichen Beiträge, die eben von N24 zugeliefert werden. Kostengünstiger kann ein eigenes Nachrichtenprogramm fast nicht mehr produziert werden; weitere Einsparungen bei diesem ohnehin schon massiven Sparkurs sind wohl nur noch schwer zu realisieren. Im Umkehrschluss würde das heißen, dass sich die Sender entweder einen neuen externen Nachrichtenzulieferer suchen oder ihre Nachrichtensendungen komplett einstellen – auch dieser Aspekt steht aktuell zur Debatte, doch dann wäre der Status eines Vollprogramms gefährdet.

Der Zuschauer wird letztlich nur wenig von der Umstellung merken. Wer sich bisher in Fast-Food-Manier zwischen Boulevard-Magazin und Zeichentrick mit Nachrichten versorgt hat, wird sicherlich auch komplett darauf verzichten können. Der eigentliche Skandal ist das Eingeständnis des eigenen Scheiterns der ProSiebenSat.1-Gruppe auf der Informationsebene. Dies ist ein weiterer Schritt auf der Treppe, die das Privatfernsehen in die Abgründe der anspruchslosen, kostengünstigen, massenkompatiblen und niveaulosen Unterhaltung führt, in der die Produktion von guten Nachrichten – verbunden mit dem Aufbau eines Informations-Images – zu teuer, aufwändig und langfristig zu unberechenbar ist. Sieger dieses Desasters? Der Privatsender RTL, der laut CEO Ebeling die News mit langem Atem aufgebaut habe und nun die Früchte der Ernte in Form guter Nachrichtenquoten einfährt. Hier sieht man, wie man es hätte besser machen können…

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.


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