Oprah Winfrey wird ihre Talkshow im September 2011 beenden. Julian Miller über die Queen of Talk.
In den letzten Jahren haben sich die meisten Lokalstationen in Amerika, die die «Oprah Winfrey Show» ausstrahlen, damit abgefunden, mit dem Format unter dem Strich Geld zu verlieren. Prestige hat nun einmal seinen Preis und der Lead-In-Effekt von Winfrey ist gigantisch. 2011 wären die horrenden Licence Fees für viele Affiliates jedoch nicht mehr tragbar gewesen, denn in Zeiten der Wirtschaftskrise muss man nun einmal sehen, wo man bleibt. Am 09.09.2011 wird Oprah also zum vorerst letzten Mal im amerikanischen Fernsehen Tränen trocknen und Lifestyle-Tipps für gelangweilte Hausfrauen geben.
Dabei hat die quasselnde Milliardärin aus Chicago in den letzten Jahren Schlagzeilen am laufenden Band geliefert: Tom Cruise, hauptberuflicher Scientologe und Ehemann von Knuddel-Katie Holmes, hat ihr Sofa zur Hüpfburg umfunktioniert und der ganzen Welt in ihrer Show seine Unzurechnungsfähigkeit unter die Nase gerieben. In der ersten Ausgabe der neunzehnten Staffel schenkte Winfrey jedem Publikumsmitglied einen Neuwagen (ein Konzept, das in Zeiten der General Motors-Krise vielleicht einmal wieder aus der Schublade geholt werden sollte). Auch Michael Jackson war immer für eine mehr oder weniger verstörende Überraschung gut. Und wenn einmal kein Promi Zeit hatte, erzählten Frauen von ihrer Brustkrebserkrankung.
Auch Winfreys politischer Einfluss ist riesig. Barack Obama legte bei ihr zahlreiche Auftritte hin, während sich die Queen of Talk ums Verrecken weigerte, die selbsternannte Soccer-Mom Sarah Palin noch vor der Präsidentschaftswahl 2008 einzuladen. Der amerikanische Wahrheitsverdreher und Möchtegernjournalist Michael Moore würde Winfrey sogar ganz gern im Senat oder, noch lieber, im Weißen Haus sehen. Um ihren Standpunkt im politischen Spektrum machte sie dabei nie einen Hehl. Demokraten ließ sie jedes noch so dünne Luftschloss bauen, Republikaner hatten es bei ihr deutlich schwerer. Oder wurden einfach gar nicht vor die Kameras gelassen.
All das wird in weniger als zwei Jahren sein Ende finden. Dann ist Schluss mit der nachmittäglichen Gruppentherapie. Schon jetzt wird fleißig gemutmaßt, wie das dadurch entstehende Loch zwischen Judge Judy, einer keifenden New Yorker Richterin, die ihre Fälle für die Verbreitung ihrer konservativen Moralvorstellungen zweckentfremdet, und Dr. Phil, einem TV-Psychologen aus Oklahoma, der seine Patienten mit Essstörungen oder wahlweise einer Phobie vor dem Autofahren vor laufenden Kameras therapiert, gefüllt werden wird. Vielleicht sollte man hier ja ein wenig unkonventionell denken. Ist nicht Sarah Palin gerade ihren Job losgeworden?
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