Person der Woche

Die personifizierte Qualität des Privatfernsehens

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Der ehemalige «Spiegel»-Chefredakteur und «Talk im Turm»-Moderator Erich Böhme verstarb in der vergangenen Woche im Alter von 79 Jahren.

Im Alter von 79 Jahren erlag in der vergangenen Woche der Journalist und Fernsehmoderator Erich Böhme seiner langjährigen Krebserkrankung. Der diplomierte Volkswirt orientierte sich nach dem Studium in der Medienwelt und arbeite ab 1958 beim Magazin «Spiegel» als Wirtschaftskorrespondent. Ab dem Jahr 1973 stand Böhme fast 17 Jahre lang als Chefredakteur des «Spiegels» an oberster Spitze des Blattes, wo er investigativ unter anderem die Flick- und Barschel-Affären aufdeckte. Nach seinem bekannten Ausspruch «Ich will nicht wiedervereinigt werden» kurz vor dem Mauerfall im Jahre 1989, von dem er sich später distanzierte, verlor er seinen Chefredakteurposten beim «Spiegel». Doch das nächste ambitionierte Projekt ließ nicht lange auf sich warten: Ab 1990 versuchte Böhme als Herausgeber der «Berliner Zeitung», die Tageszeitung zu einer «deutschen Washington Post» zu machen.

Ebenfalls im Jahr 1990 wendete sich Böhme dem Fernsehjournalismus zu. Achteinhalb Jahre lang moderierte er die gesellschaftspolitische Talkshow «Talk im Turm» auf Sat.1 und bewies damit, dass journalistisches Gespür und Qualität auch im Privatfernsehen Zuspruch finden können. Nachdem Sat.1-Intendant Fred Kogel im Jahr 1998 radikale Kosteneinsparungen durchsetzte, verließ Böhme zusammen mit Reinhold Beckmann und Johannes B. Kerner den Sender; seine Talkshow wurde ein Jahr darauf wegen schlechter Quoten und negativer Kritiken unter dem neuen Moderator Stefan Aust eingestellt. Böhme konzentrierte sich unterdessen auf seine n-tv-Sendung «Der Grüne Salon», die er seit 1997 als Co-Moderator von Heinz Eggert bestritt. Ab dem Jahr 2000 kehrte er mit der Sendung «Talk in Berlin» zu seinen «Talk im Turm»-Wurzeln zurück, feierte aber keine großen Erfolge mehr. Zuletzt war der Moderator im Februar 2007 als Vertretung für die im Mutterschutz befindliche Sandra Maischberger in der ARD-Sendung «Menschen bei Maischberger» zu sehen.

Schon als Erich Böhme sich im Jahr 2002 aus der Fernsehlandschaft verabschiedete, wurde sein Weggang als großer Verlust aufgenommen. Doch mit seinem Tod hat die deutsche Medienlandschaft endgültig einen Journalisten und Moderator verloren, der es durch seine Unabhängigkeit und Zielstrebigkeit zu Großem gebracht hat. Das Privatfernsehen sollte Böhme stets als eine Persönlichkeit in Erinnerung behalten, die durch seine Begeisterung und sein journalistisches Profil enormen Zuspruch bei den Fernsehzuschauern gefunden hat – eine Disziplin, auf die sich das heutige Privatfernsehen, allen voran Sat.1, schon lange nicht mehr besinnt und Böhmes Erbe somit nur traurigen Tribut mit pseudokritischen Talkshows zollt.

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