Die Kritiker

Die Kino-Kritiker: «Whatever Works»

von
Misanthropie, Mikroben, Manie und eine Menge Liebe - «Whatever Works», das neue komödiantische Schauspiel von Woody Allen.

Allen Stewart Konigsberg alias Woody Allen mag so Einiges sein. Ein chronischer Stadtneurotiker, begnadeter Kartenspieler oder schlicht der Mann, der die Adoptivtochter seiner eigenen Freundin heiratete. Signifikanter Weise war er jedoch eine überaus schöpferische Persönlichkeit, und als solche wird er den Menschen wohl stets in Erinnerung bleiben. Als Schriftsteller, Regisseur, Komiker, Musiker und Akteur, der sich selbst unentwegt neu erfand, ob man seine Werke nun verehrt, hasst oder lediglich toleriert. Ausgezeichnet wurde Allen viele Male – Anwesend war er dabei so gut wie nie. Die Maschine Hollywood schien für ihn fortwährend fremdartig und dementsprechend zeugungsunfähig zu sein, weshalb sich seine Erzeugnisse auch oftmals stark von konventionellen Erzählmethoden entfernen – Allens neuester Film ist ein zweckdienliches Beispiel.

«Whatever Works», das hierzulande mit dem – immerhin plausiblen - Beititel «Liebe sich wer kann» versehen wurde, handelt von Boris Yellnikoff (Larry David), einem in die Jahre gekommenen Exzentriker, der im Greenwich Village, einem Stadtteil von Manhattan, sein melancholisches Dasein fristet. Boris ist geschieden, was dem Umstand seines fehlgeschlagenen Selbstmordversuches zu verdanken ist; seit diesem hinkt er im Übrigen stark. Den eigenen Lebensunterhalt erntet er, indem er Heranwachsende in der Kunst des Schach unterweist – Seiner Ansicht nach ein aussichtsloses Unterfangen. Boris verachtet die Menschheit, ist hochgradig paranoid, leidet unter ausgeprägter Hypochondrie, ist zugleich ein selbst ernanntes Genie und zu seinem Leidwesen permanent von Mikroben umgeben, die nicht fähig sind, das gesamte Bild zu betrachten. Eines ordinären Tages steht Melodie St. Ann Celestine (Evan Rachel Wood) vor der Treppe, die zu seiner Wohnung führt und bittet um Nahrung. Boris ist es selbstverständlich in wenigen Sekunden möglich, zu erörtern, dass sich das noch sehr junge Mädchen in keinster Art und Weise auf einer ähnlich hohen Ebene befindet, wie er es tut und möchte sich ihrer deshalb auf dem schnellsten Wege wieder entledigen. Melodie quartiert sich jedoch bei dem unzufriedenen Kritiker ein und eine äußerst seltsame Beziehung entsteht. Eine Verbindung, die so lange glücklich verläuft, bis die Erzeuger Melodies auftauchen, in der Wohnung Boris' zu beten beginnen und anschließend selbst ungewohnte Erfahrungen machen. Eine Geschichte voll von irrealen Einstellungen und bedingter Liebe, von Anfang bis Ende.

Ein klassischer Woody Allen Film, gleichzeitig aber anders, als alles, was dieser bisher gemacht habe, so Evan Rachel Wood über die Produktion «Whatever Works», die wohl eine einzige große Botschaft vermitteln zu gedenkt: „Egal, was oder wer ist es. Egal, wieso es so ist. Nutzet alle die Chancen. Liebe sich wer kann. Hauptsache es funktioniert.“ Der gesamte Film verfolgt mit amüsanter Storyline das Muster, diese Nachricht zu verbreiten. Drehbuchautor und Regisseur Allen entwickelte also belebende Charaktere, sowie eine zutiefst einfach gestrickte Geschichte. Kein Film, der Eindruck hinterterlassen oder in aller Munde sein wird – Woody Allen ist vermögend genug, einen Streifen zu drehen, der ihm selbst und den Beteiligten etwas bedeutet. Es wird deutlich, dass Substanz keine Rolle spielt, es dreht sich um kurzweilige Unterhaltung und eine Aussage.

Wie es Alvy Singer bereits in «Der Stadtneurotiker» tat, so tut es auch Boris Yellnikoff: Das Publikum ansprechen, das er als eben solches warnimmt. Menschen, die seine Geschichte verfolgen und denen er sich verpflichtet fühlt, zu offenbaren, dass es sich keinesfalls, um „die Wohlfühlkomödie des Jahres“ handelt. Wolle man sich wohlfühlen, solle man sich ein Fußmassagegerät anschaffen. Verkörpert wird Boris von Larry David, dem Miterfinder der Sitcom «Seinfeld», die ihn zum Milliadär machte. Die Rolle seines eigenen Lebens spielt David in der HBO-Serie «Curb your Enthusiasm», die in dieses Jahr ihr Ende fand. Es lässt sich kaum bestreiten, dass Boris Yellnikoff große Parallelen zum Larry David der satirischen Serie aufweißt. Abgesehen davon, dass sie diesselben Outfits tragen, ist die Art der Artikulation diesselbe, nur vermag es Yellnikoff durch seine Distanz zu den Mitmenschen großartige Fehltritte zu vermeiden. Sein Gegenstück in «Whatever Works» ist die hübsche Melodie St. Ann, dargestellt von Evan Rachel Wood, die bereits in Filmen wie «Down in the Valley» an der Seite von Edward Norton oder in «Dreizehn», der ihr zum endgültigen Durchbruch verhalf, zu sehen war. Melodie ist aufgeschlossen, ungemein freundlich und eine Mikrobe. Prinzipiell harmonieren die beiden gut zusammen, in dem Maße, wie es die Erzählung verlangt, genauso wie es auch die restlichen Schauspieler tun.

Das Problem des Filmes ist allerdings, dass die Figuren konstruiert wirken, ebenso wie es von Zeit zu Zeit die Handlung tut, beispielsweise wenn ein Zeitsprung von einem Jahr vorgenommen wird. An dieser oder ähnlichen Stellen wird dem Zuschauer bewusst, was Allen erreichen möchte, aber zweifellos mindert es den Spaß, die man an «Whatever Works» haben könnte, hätte er nur mehr auf Humor, als auf die vorhersehbare Richtung der Story gesetzt. Geboten wird die Art des Witzes, für die Allen so bekannt ist. Relativ subtil, aktiv in Gesten und Macken der Schauspieler – Häufig Situationskomik, die Schmunzeln, aber kein Lachen bedingt. Woody vermag es, klischeehafte Charaktere in einer lächerlich unkomplizierten Historie so agieren zu lassen, dass alles zwar unnahbar, aber dennoch real wirkt.

Fazit: Die Darsteller fühlen sich in ihren wechselartigen Rollen sichtbar wohl und wissen zu überzeugen; ihre Charaktere sind allesamt interessant, bleiben allerdings oberflächlich. Konnte man den Werken «Macht Point» oder «Scoop» nur wenig abgewinnen, so wird man auch hieran keinen Gefallen finden, denn «Whatever Works» ist fraglos ein typischer Woody Allen Film und bleibt als Komödie somit Höhepunkte schuldig. Die Erzähltechnik treibt die Ereignisse aber zügig voran und trägt dazu bei, dass das Produkt massenkompatibler ist.

«Whatever Works» läuft derzeit in vielen deutschen Kinos.

Kurz-URL: qmde.de/38925
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelFußball-WM 2010: Wer zeigt welche Spiele?nächster ArtikelRTL II zeigt montags «Außergewöhnliche Menschen»
Weitere Neuigkeiten

Optionen

Drucken Merken Leserbrief



Heute für Sie im Dienst: Fabian Riedner Veit-Luca Roth

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung