Quote oder Image? Was wünschen sich die TV-Sender zum Weihnachtsfest? Am liebsten Beides. Jürgen Kirsch blickte auf die Wunschzettel.
Momentan ist es draußen schneeweiß und kalt – der Winter ist eingekehrt. Da macht man es sich in der warmen Stube gerne vor der Mattscheibe gemütlich. So ein wenig Weihnachtsstimmung macht sich ebenfalls breit. Im Fernsehen ist das nicht anders – da löst ein Weihnachten-Special eine Weihnachtsshow ab oder umgekehrt. Auf das vergangene Jahr wird eh zu Genüge zurück geblickt. Auch wenn es noch nicht ganz vorbei ist, knallen die Sektkorken. Doch was wünschen sich die TV-Sender eigentlich zum Feste? Ich persönlich hätte da ja einen Wunsch: Weniger Imageverlust, besseres Programm! Okay, das sind nun zwei Wünsche auf einmal, die wohl ohnehin nicht in Erfüllung gehen. Um einmal an die kürzlich gezeigte, durchschnittliche kabel eins-Dokumentation «Der Durchschnittsdeutsche» anzuknüpfen: Der Durchschnitts-Fernsehsender wünscht sich sicher in erster Linie eines: Quote! Der Durchschnittsdeutsche wünscht sich: Qualität! Oder etwa nicht? Zurück zu den Sender: Wie deren gute Quote erreicht wird, ist eigentlich egal. Denn solange sie stimmt, spielt es gar keine Rolle, was da eigentlich gesendet wird. Aus wirtschaftlicher Sicht sicherlich keine schlechte Attitüde. Denn auch Kostenreduzierung steht auf den Wunschzetteln der deutschen TV-Sender. Da setzt man lieber auf Billig-Produktionen als teure US-Serien einzukaufen. Solange die Quote stimmt.
Doch trotz Imageverlusten in diesem Jahr: Die Sender denken auch an ihre Zuschauer, die ja zu unrecht als unliebsame Variable in der Kosten-Nutzen-Rechnung der Senderchefs gelten. Beschert werden die Zuschauer bei RTL beispielsweise noch vor Heiligabend. Viele Teenager wünschen sich zum Weihnachtsfest einen Hund – mein RTL macht es möglich. Beim «Supertalent» gewinnt prompt ein Vierbeiner, das junge Publikums wurde erhört. Es hat ja schließlich auch selbst abgestimmt. Auch wenn das Dieter Bohlen nicht gefallen haben mag – auf allen Vieren kann man ja nicht singen, selbst David Hasselhoff nicht. Bellen und Pfötchen geben ist jedoch drin. Wenn man schon auf den Hund gekommen ist, dann nicht nur wegen seiner Kunststücke. Fast täglich kriegt der RTL-Zuschauer auch die benötigte Dosis Schadenfreude. Nämlich dann, wenn die „Scripted Realitys“ am Nachmittag über den Sender gehen. Die Schauspieler ohne Schauspielkünste kriegen hier ebenfalls ihren Wunsch erfüllt: Sie spielen eine Rolle in einem Format, das eigentlich keine Rolle spielt. Dabei können sie ganz natürlich sein: Verrückt eben. Die Drehbuch-Autoren von «Verdachtsfälle» und «Familien im Brennpunkt» dürfen ihren Fantasy-Traum ausleben: Weiße Eltern gebären schwarze Kinder, Mütter stellen Kriminelle und wilde Ehefrauen verprügeln ihre Männer, bevor sie selbst verprügelt werden – ein Affenzirkus ist dagegen langweilig. Oftmals sind es auch noch dieselben Affen, tut der Quote aber keinen Abbruch. Die ist in dem Fall alles, was zählt.
Die Zuschauerzahlen sind gigantisch, das Programm aber nicht. Damit der TV-Zuschauer auch dran bleibt, wird gerne mal nachgeholfen. Da werden Witzfiguren beim «Supertalent» zur Schau gestellt oder hilflos, trottelige Protagonisten bei «Bauer sucht Frau» oder «Schwiegertochter gesucht» auf eine Bühne gestellt, wo sie nichts zu suchen haben. Man könnte gar eine Ausstellung in einer Großstadt organisieren und diese Menschen dort vorführen – es hätte den gleichen Effekt. Da jedoch der Wunsch nach Belustigung damit befriedigt ist, dankt es der gemeine Zuschauer mit Spitzen-Quoten. Die Konkurrenz lässt der Kölner Sender eben aufgrund dieser Freakshows weit hinter sich. Natürlich muss ich zur Ehrenrettung von RTL sagen, dass auch Qualitätsformate wie «Dr. House» oder «Wer wird Millionär?» gesendet werden, die ich auch sehr gerne schaue. Doch für Furore sorgen die Formate mit verrückten, seltsamen Menschen, über deren Inszenierung man oft nicht weiß, ob man lachen oder weinen muss. Typ Jens Lehmann – der Kölner Sender hat genug davon im Programm, da braucht man auf neue Eskapaden des Torwarts nicht warten.
Eine ganz neue Dimension hat ja ProSieben mit dem «Popstars»-Finale geschaffen. Gewinnmaximierung durch Zuschauer-Betrug. Vielleicht steht das in Unterföhring auch für die nächste Staffel auf dem Wunschzettel. Denn sinkende Quoten scheint man nur durch originelle, aufmerksamwirksame und skurille Aktionen wie die Fake-Nachricht in der «Newstime», die sich später als Werbung für die Serie «Fringe» entpuppte, aufhalten zu können. Dass Trash-TV jedoch nicht immer angenommen wird, beweisen die Sommershows des Senders. Da brauche ich eigentlich nur «Giulia in love» zu nennen und die Erinnerung an die Magenverstimmungen aus dem Sommer dieses Jahres dürften wieder hochkommen. Neben dem mulmigen Gefühl in der Magengegend geht aber auch ein Imageverlust des Senders mit der roten Sieben einher. Nach dem Motto: Ist das Image einmal ruiniert, sendet es sich ganz ungeniert. Das Image ist nichts mehr wert. Nicht zuletzt auch der «Popstars»-Eklat polierte dieses alles andere als auf – im Gegenteil. Doch dann kommen wieder Formate wie «Stromberg» oder «Schlag den Raab» und man mag ProSieben doch wieder. Vergessen wird der Zuschauer die Billig-Produktionen jedoch nicht. Spätestens, wenn es im Januar 2010 mit neuen Reality-Shows weiter geht. Denn auch dann wird der Wunsch der Programmchefs aus Unterföhring lauten: Quote statt Image! Mit guten Einschaltquoten hat so manche Show ihre Berechtigung im Programm ihres Senders. Auf Qualität guckt man nur in ganz wenigen Ausnahmefällen. Zum Leid des Zuschauers, der noch Ansprüche an das Fernsehen hegt. Deshalb wünsche ich mir zum Weihnachtsfest von den TV-Sendern schlicht: Etwas mehr Geduld mit den qualitativ hochwertigen Sendungen in eurem Programm. Auch wenn sie nicht auf Anhieb ein Zuschauermagnet sind.
In diesem Sinne: Frohes Fest!
«Kirschs Blüten» gehen auch nächste Woche wieder auf - Dienstags nur bei Quotenmeter.de!