Richterspruch

«Der Richterspruch»: Schummel-Bause und die Bauern

von
Christian Richters Monatsrückblick: Mit Betrug bei «Bauer sucht Frau», Skandal bei «Popstars» und den Jahresrückblicken.

05. Dezember: «Wetten, was...?»

Die Show «Wetten Dass...?» wurde in den vergangenen Monaten immer mehr zu einem Ärgernis, bei der es kaum noch Spaß macht zuzuschauen. Moderator Thomas Gottschalk verfängt sich immer mehr in seine ewige Selbstdarstellung und lässt seine Gäste kaum noch zu Wort kommen. Nora Tschirner musste in der Dezemberausgabe ganze zehn Minuten warten, bis sie endlich das erste Mal etwas sagen durfte. Über die nicht enden wollenden Fragen, die Gottschalk selbst kaum zu verstehen vermag, schien sie sichtlich irritiert zu sein.

04./06./13. Dezember: Der Rückblick der Rückblicke

Wie in jedem Jahr wurde auch der Dezember des Jahres 2009 durch die zahlreichen Jahresrückblicke dominiert. Den Anfang machte Sat.1 mit einer vierstündigen Marathonsendung aus einer großen Veranstaltungshalle in Flensburg. Warum eine Sendung, die hauptsächlich auf Gesprächen basiert, nun ausgerechnet in einer Halle produziert werden musste, wurde bis zum Schluss nicht deutlich. Was der Moderator dann dort teilweise als Höhepunkte des Jahres ankündigte, war streckenweise merkwürdig und offensichtlich nur aus Effekthascherei in die Sendung gelangt. Das Duell zweier «Schlag den Raab»-Gewinner beispielsweise war sicher nicht ernst gemeint und nur als ein Kniefall vor der Quote zu bewerten.

Nur zwei Tage später strahlte das ZDF Kerners ehemaligen Rückblick «Menschen 2009» aus. Seinen Platz übernahm Allzweckwaffe Thomas Gottschalk, der bereits einen Abend zuvor «Wetten Das...?» präsentierte. Im Gegensatz zu seiner Spielshow hatte sich der Entertainer an diesem Abend etwas mehr im Griff, was jedoch nicht zuletzt daran lag, dass er stoisch von seinen vorbereiteten Moderationskarten ablas. Wirkliche Informationen konnte er seinen Gästen so allerdings nicht entlocken. Medienunerfahrenen Menschen und vor allem Kindern Ja-Nein-Fragen zu stellen, zeigt schlicht fehlendes Handwerk. Da braucht man sich auch nicht über einsilbrige Antworten zu wundern. Doch damit nicht genug. Für ein gelungenes Gespräch nimmt sich Gottschalk einfach nicht stark genug zurück. In jeder einzelnen Unterhaltung des Abends baute er seine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen mit ein. Nicht um das Gespräch zu befruchten, sondern offenbar nur um deutlich zu machen, wer hier der eigentliche Star des Abends ist. Gottschalk ist eben kein guter Interviewer. Das muss er als Entertainer nicht sein, aber dann sollte er eine solche Sendung auch nicht moderieren.

Wie schon Sat.1 bot auch das ZDF eine sehr fragwürdige Zusammenstellung der Themen an. Die Eltern von Todesopfern des Amoklaufs von Winnenden wurden direkt nach einer witzigen Collage der Songs des Jahres platziert. Damit verpuffte nicht nur der einzig unterhaltsame Moment des Abends, sondern bereitete den Trauernden einen denkbar ungünstigen Einstieg.

Dass die ZDF-Sendung bereits einige Tage vor der Ausstrahlung aufgezeichnet wurde, rächte sich bitter, denn am Sendetag verstarb der ehemalige FDP-Vorsitzende Otto-Graf Lambsdorff. Während bei Thomas Gottschalk Guido Westerwelle und Hans-Dietrich Genscher gut gelaunt witzelten, waren sie im anschließenden «heute Journal» mit ernster Mine und großer Betroffenheit zu sehen.

Unglücklich war auch die Tatsache, dass der englische Castingstar Susan Boyle mit dem Song „Cry Me A River“ ausgerechnet mit dem Titel auftrat, den Michael Bublé am Abend zuvor bei «Wetten Dass...?» auf dem selben Sender beim selben Moderator auch dargeboten hatte. Noch härter traf es den Sänger Adel Tawill, der sowohl bei der Aufzeichnung der «Ultimativen Chartshow – Die Hits des Jahres 2009» von RTL als auch bei Kerners Live-Jahresrückblick zu Gast war. Seine beiden Auftritte wurden dann tatsächlich am Freitagabend zu exakt der selben Zeit gezeigt, sodass man als Zuschauer froh zwischen beiden Titeln umherzappen konnte.

Das wichtigste Thema des Jahres war der Tod von Michael Jackson, denn alle drei Jahresrückblicke widmeten sich diesem ausführlich. Während Thomas Gottschalk Michaels Schwester LaToya begrüßte, sprach Johannes B. Kerner sogar mit dessen Vater. Bei Günther Jauch reichte es hingegen nur für ein Medley von Stargeiger David Garret. LaToya gestand im Interview, dass sie sich den Michael-Jackson-Film «This Is It» noch nicht ansehen konnte, weil es ihr noch zu nahe gehen würde. Dieses Geständnis hielt das ZDF jedoch nicht davon ab, einen Ausschnitt aus dem Jackson-Musical «Thriller» samt ausführlicher Imitationen ihres verstorbenen Bruders direkt vor ihren Augen zu präsentieren. Den größten Fehltritt leistete sich jedoch in diesem Zusammenhang Johannes B. Kerner in seinem Gespräch mit Joe Jackson. Im Laufe der Unterhaltung stellte Kerner nicht eine kritische Frage an den umstrittenen Vater von Michael Jackson. Sogar als dieser öffentlich zugab, dass er seinen Sohn heute anders erziehen würde, weil sich die Gesetze geändert hätten, hakte er nicht nach. Entweder wurden kritische Fragen vorab vertraglich verboten oder Kerner hatte einfach nicht genug Mut. Wie auch immer, beide Varianten sind für einen Journalisten inakzeptabel. Mehr Entschlossenheit zeigte dagegen Günther Jauch im Gespräch mit dem derzeit in der Kritik stehendem Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und bohrte für RTL-Verhältnisse hartnäckig nach.

Ohnehin präsentierte Jauch seine «Menschen, Bilder, Emotionen» des Jahres am solidesten, wenngleich auch seine Sendung einige Schwachstellen aufbot. Das Gespräch mit dem Bewohner eines der eingestürzten Häuser in Köln führte er mit exakt demselben Gast und ähnlichen Fragen bereits vor Monaten bei «Stern TV».

Wer einen vollständigen Rückblick auf das Jahr – unabhängig von verfügbaren Gästen – erhalten will und gern auf belanglose Gespräche und erzwungene Emotionalitäten verzichten kann, dem sei in Zukunft der ZDF-Jahresrückblick «Album...» empfohlen. Dort werden die wichtigsten Ereignisse mit einigen Bilder chronologisch und knapp in einer Gesamtlänge von 45 Minuten zusammenstellt und nur sehr zurückhaltend kommentiert. Besser und authentischer kann ein Rückblick nicht sein.

08. Dezember: «Popstars: Buh und Ich»

Glücklicherweise bestand der Dezember 2009 jedoch nicht nur aus Rückblicken. In diesen Zeitraum fielen auch die Entscheidungen bei zwei der beliebtesten Castingshows. Der Gewinner von «Das Supertalent» wurde überraschend die Hündin Donna mit ihrem Trainer Yvo Antoni. Spätestens seit diesem Abend werden sich die Verantwortlichen bei VOX fragen, wieso ihre Sendung «Top Dog – Deutschland sucht den Superhund» kein Erfolg war.

Viel kontroverser verlief jedoch die Wahl des finalen Duos von «Popstars – Du und Ich», die auf zwei große Liveshows ausgewalzt wurde. Während des gesamten Habfinals animierten die Moderatoren Charlotte Engelhardt und Giovanni Zarella die Zuschauer für ihren Favoriten anzurufen, weil er sonst nicht ins Finale käme und aus der Show fliegen würde. Am Ende mussten diese jedoch vor der versammelten Fernsehnation zugeben, dass alle drei Paare ins Finale einziehen werden und niemand rausfliegt – erst zu Beginn des Finales würde man sich von einem Paar verabschieden. Zu Recht wurden die Macher der Show noch während der Liveübertragung für ihre freche Abzocke ausgepfiffen, sodass die Sendung schneller beendet werden musste. Was die Programmverantwortlichen offensichtlich manchmal vergessen, ist die Tatsache, dass ihr Erfolg von den Zuschauern abhängt. Daher wäre es wohl ratsam diese etwas besser zu behandeln. Wenn man von jemandem etwas möchte, ist man nett zu ihm. Das schafft kein Vertrauen und schadet dem Format mehr als es die paar Euro Telefongebühren rechtfertigen könnten.

25. Dezember: Der Zuschauer als Bauernopfer

Noch unverschämter war RTL kurz vor Ende des Monats. Mit dem großen Weihnachtsspecial von «Bauer sucht Frau» bewies der Sender, dass den Zuschauern mittlerweile jegliche Intelligenz abgesprochen wird. Die Sendung mit Inka Bause sollte zeigen wie die Landwirte das Fest der Liebe mit ihren neuen Frauen feiern würden. Immer wieder wurden dazu romantische Szenen beim Schmücken des Baumes, beim Plätzchen backen oder anderen typischen weihnachtlichen Aktivitäten gezeigt.

Dabei war es allzu offensichtlich, dass die meisten Aufnahmen der Sendung schon vor Monaten aufgezeichnet wurden und die weihnachtliche Stimmung nur fürs Fernsehen erzwungen war. Die Produzenten gaben sich nicht einmal Mühe zu verschleiern, dass es zum Drehzeitpunkt niemals Dezember sein konnte. Zwar waren die Wohnzimmer mit weihnachtlichem Krimskrams allzu auffällig dekoriert, aber an den Bäumen auf den Höfen hing noch fröhlich das Laub und die Bauern rannten zum Teil nur in T-Shirt bekleidet durch den angeblichen Winter. Ganz egal, der blöde Zuschauer wird den Beschiss schon nicht merken. Dazu passen die jüngsten Enthüllungen, dass Holzbauer Maurizius in Wahrheit nur ein einfacher Forstarbeiter ohne eigenen Hof sei, Weinbauer Tobias längst die Insolvenz anmelden musste, Nordfriese Claus Clausen zum Zeitpunkt der Dreharbeiten verheiratet war und Kandidatin Anja keine Kosmetikerin, sondern eine Prostituierte ist. Hauptsache die Quote stimmt.

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