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Die amerikanische Serie des Networks ABC hat nach lediglich zwei Staffeln eine bewegte Vergangenheit hinter sich gebracht. Autorenstreik, Produzentenwechsel, Darstellerwandel und neue Farben im Spektrum alter Gemälde. Dirty Sexy Money: Eine Seifenoper unter Drogeneinfluss.
Obgleich Geheimnisse wie die Affäre Letitias und Dutch' das Tageslicht erreichen, muss Nick früh feststellen, dass seine selbst auferlegte Aufgabe in den Hintergrund gerät. Kein Wunder, immerhin bieten die Darlings derartige Mengen an Zündstoff, dass die juristische Kompetenz seines Vaters alles zu sein schien, was das Imperium des Clans bisher davor bewahrte, in vernichtenden Flammen aufzugehen. Der Erstgeborene Patrick (William Baldwin) beispielsweise ist Oberstaatsanwalt von New York und kandidiert für den Senat, hat jedoch neben seiner Frau und zwei Nachfahren eine Beziehung zu einer Transsexuellen namens Carmelita. Karen Darling (Natalie Zea) war bereits drei Mal verheiratet und befindet sich zu Beginn der Serie bereits in der Zielgeraden der vierten Trauung – Ihre erste große Liebe Nick hat sie allerdings nie vergessen und stellt dessen Ehe deshalb künftig auf eine ernstzunehmende Probe. Die Zwillinge Jeremy (Seth Gabel) und Juliet (Samaire Armstrong) wissen den Luxus, der ihnen in die Wiege gelegt worden ist, zu nutzen und durchsteuern das Partyleben. Jeremy ist abhängig von Kokain, Nikotin und Koitus; Juliet hält schlicht ihre Tarnung aufrecht, ist aber eigentlich noch behühtete Jungfrau. Weniger keusch ist Reverend Brian Darling, der eine glückliche Ehe führt, bis unerwartet seine Ex mit einem Kind auftaucht und dieses seiner Obhut überlässt. Brian Jr. wird kurzerhand zum schwedischen, mittellosen Jungen erklärt, der kein Wort Englisch spricht, doch in in der Lebenspartnerin des Geistlichen erwacht das Misstrauen. Tripp hingegen hat Probleme mit einem gewissen Simon Elder (Blair Underwood), dem drittreichsten Mann der Erde, der die Darlings für den Tod seiner Eltern zur Rechenschaft ziehen will. Die Konstante all dieser Ereignisse ist Nick, der stets tiefer in die Materie eindringt, die fortwährend bedeutungsvollere Züge annimmt und früher oder später vollends eskalieren wird.
“Eine Kreuzung zwischen Dinasty und Six Feet Under“ - So wurde Craig Wrights Schöpfung seitens ABC bezeichnet. Die Wahrheit ist, dass die kurzlebige Serie weder über den Charme des Denver-Clans, noch die Trägodie der Fischers als Fundament verfügen konnte, doch die erste Staffel, die in den Vereinigten Staaten am 26. September 2007 ihre Premiere feierte, war dessenungeachtet ein Highlight der Season 07/08 und rief auch bei Kritikern durchaus positive Resonanz hervor.
Das Geheimnis des inhaltlichen Erfolges der ersten zehn Episoden liegt in der erreichten Ebene begründet: «Dirty Sexy Money» ist zweifellos eine stereotypische Soap Opera, nur parallel vollkommen differenziert von diesem Genre. Das Merkmal der Unendlichkeit zum Beispiel bildet keinen Teil der Historie. Die Serie hat einen strukturierten Anfang und auch wenn das Ende auf Grund der Absetzung offen verweilt, arbeitete man stetig darauf hin, die Stufen des haltenden Gerüstes hinab zu steigen; im Gegensatz zur Telenovela ist der rote Faden in einer Seifenoper nicht essentiell, insofern er denn existiert. Man wird in das Geschehen geworfen, fühlt sich inmitten der Atmosphäre augenblicklich wohl und wird letztlich auf ein Happy End vorbereitet, das jedoch nie einen wahrhaftigen Schlusstrich unter die getroffene Aussage zieht. Die angewandte Dramaturgie um die Darlings ähnelt der einer Soap allerdings äußerst vehement. Eine Episode verfolgt mehrere Handlungsstränge – Während ein Aspekt übergreifend wirkt, ein anderer in der vorherigen Woche begann und sich nun in der aktuellen Folge entfaltet, endet ein weiterer.
Was also unterscheidet diese Abendserie von den morgendlichen (Daily) Soaps und inwiefern lohnt sich die Zuschauerbeteiligung in weiterem Maße? Es handelt sich um eine relativ simple Antwort: «Dirty Sexy Money» hat umfangreiches Kapital und großartige Darsteller, weshalb die erzählten Geschichten nicht nur optisch beeindrucken können, sondern vor allem Glaubwürdigkeit aufweisen – Zumindest in der ersten Staffel. Die verschiedenen Storylines sind prinzipiell aus denselben Gründen lächerlich, wie es die Akte der Seifenoper sind: Eminentes Unheil folgt jedem Schritt und jegliche Präsenz ist uneigen. Ein Muster: Antagonist Simon Elder erpresst die Staatsanwältin Nola Lyons, Letitia Darling anzuklagen, den Mord an Devlin George begangen zu haben. Dessen Sohn Nick vertritt Letitia, während Jeremy eine Beziehung mit Nola eingeht. Eben diese führt dazu, dass das Verfahren zu Gunsten der Darlings endet. Nola trennt sich daraufhin von Jeremy und wird im nächsten Moment die Stabscheffin des neuen Senators Patrick, dessen Ehe in einem Desaster endete, nachdem seine Affäre publik wurde, weshalb auch der Bruder seiner Frau die Bildfläche betrat, um Rache zu üben. Diese Entwicklung erfolgt innerhalb von etwa zwei bis drei Episoden, in deren Rahmen stets weitere Figuren in den Serienkosmos eintauchen und dabei allesamt eine Verbindung zu den Hauptcharakteren besitzen. Genannter Verlauf ist allerdings Teil der zweiten Staffel und obgleich die ersten Episoden nicht von diesen Kennzeichen verschont blieben, änderte sich im folgenden Jahr nicht wenig.
Hintergrund dessen waren die sinkenden Quoten. Mehr als zehn Millionen Menschen verfolgten den Piloten, doch Woche für Woche schwanden die Zuschauer, bis die letzte Episode „The Nutcracker“ (“Der Nussknacker“) lediglich 6,91 Millionen erreichte. Eigentlich war «Dirty Sexy Money» die erste Serie der Season, die eine volle Staffel mit 22 Episoden erhalten sollte, doch der Autorenstreik im November 2007 machte diese Planungen einen Strich durch die Rechnung. 13 Folgen waren produziert worden, doch da die Autoren und das gesamte Team angesichts der drohenden Arbeitsverweigerung einer Hetzjagd ausgesetzt waren, hieß es, man würde den verbleibenden drei Episoden noch den “nötigen Feinschliff“ geben wollen. Die Lage der Einschaltquoten zwang die Produzenten, allen voran Erfinder Wright, Änderungen an der Konzeption, dem Ton der Geschichten vorzunehmen. Daniel Cerone, der mehrfach Ehrungen für seine herausragende Arbeit an der ersten Staffel der Showtime-Serie «Dexter» erhielt, wurde neuer Showrunner und sollte DSM zu neuen Höhen führen, mithilfe von spannungsreicheren und ernsteren Themenbögen. Die ersten zwei Episoden, für die er sich verantwortlich zeichnete, trafen allerdings nicht den Nerv des Testpublikums - Sie seien zu “düster“. Cashmere Mafia hatte längst den Sendeplatz am Mittwochabend übernommen, da kehrte Cerone der Produktion den Rücken zu. Jon Harmon Feldman, der die Serie «Tru Calling» kreierte, besetzte den verlassenen Posten und führte in eine neue Richtung: Erwähnte drei Episoden würden nicht mehr den Weg auf die Bildschirme finden und auch die hergestellten Folgen der zweiten Staffel würden erneut überarbeitet werden müssen. Samaire Armstrong, die Juliet Darling poträtierte musste unterdesse den Hauptcast verlassen und war im Folgenden lediglich als Gaststar zu sehen. Lucy Liu wurde mit ihrer Rolle der Nola Lyoins zur neuen Hauptdarstellerin befördert. Chloë Grace Moretz, die bisher Kiki George verkörperte wurde im Übrigen durch Darcy Rose Byrnes ersetzt.
Nachdem die zweite Staffel ebenfalls schlechte Werte erzielte, verkündete ABC am 20. November 2008 die Absetzung der Serie. Obwohl noch Episoden zur Ausstrahlung ausstanden, wurde jene abgebrochen. «Dirty Sexy Money» kehrte im Juni des folgendes Jahres zurück und wurde entsprechend beendet. Am 8. August 2009 lief die letzte Folge “The Bad Guy“ (“Der Böse“). In Deutschland trägt die ProSiebenSat.1 Gruppe die Rechte an einer Free TV-Ausstrahlung der Serie, auch wenn dies aus ominösen Gründen in der Vergangenheit oftmals dementiert wurde. Der Bezahlsender FOX, der unter anderem über die Plattformen Sky und arena zu emfpangen ist, nahm sich der Deutschlandpremiere im Oktober 2008 an und beendete am vergangenen Montag die Ausstrahlung der zweiten Staffel.
Mit «Dirty Sexy Money» hat Craig Wright hat das Rad nicht neu erfunden. Er hat es an ein Automobil montiert, steuerte mit diesem eine ungewisse Zukunft an und verendete schließlich in einem sinnbildlichem Auffahrunfall. Die zweite Staffel hat primär gegen Ende jeglichen Realismus und Charme verloren – Zu oft wendete sich das Blatt innerhalb von 40 Minuten, zu haarsträubend waren die Entwicklungen der Charaktere. Und dennoch ist die Serie unterhaltsamer als jedwede Soap Opera. Sei es nun dies- oder jenseits des Antlantiks.