360 Grad

Ball ohne Profil

von
Nach dem Weggang von Guido Bolten wird Andreas Bartl dessen Position als Sat.1-Chef einnehmen. Julian Miller über bald notwendige Änderungen.

Was Harald Schmidt schon vor Jahren prophezeit hat, ist heute für Andreas Bartl bittere Realität: Sat.1 ist die heruntergekommene Braut der ProSiebenSat.1 Media AG, das Sorgenkind des deutschen Privatfernsehens. Ein Blick in die Programmzeitschrift verrät schnell, woran das liegt. Bis auf sonntags und freitags sendet der Kanal in der Prime-Time entweder triefend kitschige eigenproduzierte Fernsehfilme oder irgendein uraltes Hollywood-Gewäsch. Der Rest wird dann durch triviale Magazine, pseudoinvestigativen Journalismus oder zusammengekaufte Moderatoren aufgefüllt. Was dem Bällchensender fehlt, ist Profil. Etwas, womit man ihn identifizieren könnte. Eine klare, eindeutige, wenn möglich gerne auch innovative Ausrichtung. Stattdessen ist Sat.1 heute das Endlager für «Beverly Hills Cop 3», den man aus Verzweiflung gegen das RTL-Zugpferd «Deutschland sucht den Superstar» ins Rennen geschickt hat. Und damit erwartungsgemäß ein katastrophales Ergebnis einfuhr.

Dass man auch nach Jahren des Misserfolgs immer noch an einem Fun-Freitag mit mittlerweile abgetretenen Formaten wie «Schillerstraße», debiler, mädchenhafter Sketcherei wie «Ladykracher» und Proleten-Komik aus der «Oliver Pocher Show» festhält, tut sein Übriges. Da hilft es auch nichts, wenn man das von «Curb your Enthusiasm» abgekupferte «Pastewka», über das man wenigstens noch ansatzweise lachen kann, dazwischenschiebt.

Andreas Bartl steht nun vor einem Scherbenhaufen. Denn allzu viel scheint man bei Sat.1 derzeit nicht an neuen Konzepten in der Schublade liegen zu haben. Stets ist die Rede davon, dass man eben “viele Ideen” habe, doch alles, was man davon bisher so mitbekommen hat, ist eine Hin-und-Her-Schieberei der Talk-Show mit Johannes B. Kerner und ein paar irre und effekthascherische Ansätze bezüglich der «Oliver Pocher Show», wie etwa die recht wahnwitzige Idee, dass Pocher eine seiner Sendungen einmal vollkommen unvorbereitet moderieren soll. Viel Lärm um nichts eben.

Dabei hat Bartl durchaus Erfahrung mit Sendern in der Krise. Schließlich war er es, der ProSieben wieder zum Erfolg geführt hat, nachdem der Kanal von Dejan Jocic in die Grütze gemanagt wurde. Dennoch wird an allen Ecken und Enden betont, dass Bartl seinen Job als neuer Sat.1-Chef nur übergangsweise habe. Auf keinen Fall darf es jedoch zu einer Wiederholung der Fehler von Guido Bolten kommen. Sat.1 muss endlich seinen eigenen Charme und einen gewissen Wiedererkennungswert entwickeln und endlich damit aufhören, Hollywood-Trash in der Endlosschleife abzuspielen. Mit neuen, frischen Konzepten statt vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen abgefangenen Moderatoren kann es etwas werden. Bartl wird in den kommenden Wochen und Monaten schwere Entscheidungen treffen müssen, die hier und da auf Unverständnis stoßen werden. Doch der Sender steht am Scheideweg zwischen unaufhaltsamem Verfall und der Wiederentdeckung seiner eigenen Marke. Da bedarf es radikaler Schritte. Pocher und Kerner allein werden es nicht retten können.

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