Popcorn & Rollenwechsel

Oscar x 10

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Ob das Geschehen vor der Leinwand, auf der Leinwand oder hinter den Kulissen: Unser Filmkolumnist richtet sein waches Auge auf die Filmkultur und lässt uns wissen, was er von den Ereignissen rund ums Kino hält.


Nicht mehr lange, dann werden endlich die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben. Und dieses Jahr wird die Nominiertenliste besonders spannend, denn wie sich möglicherweise schon herumsprach, gibt es im Oscar-Regelwerk dieses Jahr eine interessante Neuerung. Statt fünf gibt es nämlich zehn Filme im Rennen um den Oscar in der Hauptkategorie “Bester Film”.

Diese Erweiterung der wichtigsten und ruhmreichsten Oscarkategorie sorgte bereits für zahlreiche Diskussionen und Spekulationen. So musste sich die Academy of Motion Picture Arts & Sciences beispielsweise viele Vorwürfe anhören, sie biedere sich dem Massenpublikum an. Die Wut, dass weder «The Dark Knight» noch «Wall•E» für den besten Film nominiert wurden, steckt weiterhin tief in den Knochen weiter Teile des Publikums und man gab, wenngleich hinter vorgehaltener Hand, auch zu, dass die Reaktionen auf die letzten Oscars diese Entscheidung stark beeinflussten. Weitere Kritikerstimmen bemängelten, dass diese Ausweitung des Feldes die Bedeutung einer Oscar-Nominierung für den besten Film schmälerte. Doch tut sie das wirklich?

Definitiv ist es nun leichter, für den besten Film nominiert zu werden, schließlich gibt es gleich doppelt so viele Slots. Allerdings wird sich Dienstag bei der Bekanntgabe der Nominierungen herausstellen, ob sich das Feld nicht bloß rein mathematisch vergrößert. Eventuell erweitert sich das Feld auch stilistisch, und neben den üblichen Verdächtigen werden auch weniger Oscar-Klischees bedient. Zumindest ich würde mich freuen, weil ich den Geschmack der Academy nicht mehr hundertprozentig ernst nehmen kann.

Bei den Oscars werden schon länger nicht mehr die besten Filme des Jahres geehrt, sondern die besten Filme eines bestimmten, mehr oder weniger eng begrenzten Typus von amerikanischen Filmen. Weder werden kleinere Produktionen wie «Synecdoche, New York» ausreichend berücksichtigt, noch zollt die Academy cleveren Blockbustern Respekt. Früher wurden noch Filme wie «Krieg der Sterne», «Jäger des verlorenen Schatzes» und «E.T.» Nominierungen für den besten Film, etwas wovon «Matrix» (trotz vierfachem Oscar-Sieg), «Fluch der Karibik» (trotz fünf Oscar-Nominierungen), «The Dark Knight» (trotz acht Nominierungen und zwei Siegen) oder die von der Kritik gefeierten Pixar-Produktionen nur träumen konnten. All zu große Wunder wird man von der Regeländerung leider nicht erwarten dürfen. Weshalb sollten Filme durch die Erweiterung des Feldes Anerkennung erhalten, die zuvor keinerlei Anklang bei den Mitgliedern der Academy erhielten? Ein Film, der überhaupt keine Oscar-Nominierung erhält wird wohl kaum plötzlich in der wichtigsten Kategorie des Abends aufkreuzen. Die Zeiten, in denen Filme wie «Menschen im Hotel» (1932) oder «Ritt zum Ox-Bow» (1943) für den besten Film nominiert werden können, ohne in irgendeiner anderen Kategorie repräsentiert zu sein, sind schon längst vorbei.

Viel mehr vermute ich, dass von nun an tatsächlich Filme wie «Frida» (6 Nominierungen, aber nicht für den besten Film), «Unterwegs nach Cold Mountain» (7 ohne Nominierung für den Hauptpreis) oder «Pans Labyrinth» (6 Nominierungen ohne “Bester Film”) für den besten Film nominiert werden. In diesem Jahr dürfte sich das vor allem in einer Nominierung für den Pixar-Animationsfilm «Oben» niederschlagen. In der Kategorie “Bester Film” hatten Animationsfilme bislang kaum eine Chance. Nur «Die Schöne und das Biest» wurde nominiert - und viele Oscarexperten vermuten, dass es bereits weitere nominierte Trickfilme gegeben hätte, wäre da nicht diese Kategorie namens “Bester Animationsfilm”. Denn weshalb sollte jemand seine Stimme für einen Film wie «Ratatouille» oder «Wall•E» verschwenden, wenn er einen Oscarsieg fast schon garantiert in der Tasche hat? Da jetzt mehr Filme nominiert werden (und somit prozentual weniger Stimmberechtigte überzeugt werden müssen) könnte «Oben” schon eher seine verdiente Nominierung erhalten.

Und durch solche Erweiterungen ist eine Oscar-Nominierung als bester Film vielleicht doch mehr wert, als zuvor. Wenn nicht mehr die besten Kostümdramen, Historienepen und die anspruchsvollsten Politthriller, sondern ein breiterer Ausschnitt des Hollywood-Spektrums nominiert wird, zählt für mich der Oscar wieder mehr, hat eine größere Aussagekraft.

Wer weiß. Vielleicht gibt es sogar richtige Überraschungen, und es werden sehr wohl «Hangover», «Star Trek» und «District 9» für den besten Film nominiert. Ich glaube es zwar nicht, doch ich bin neugierig genug, um Dienstag wie gebannt auf die Kundgabe der Nominierten zu warten.

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