Wer wird Liebling des Monats und wer bekommt den „Haufen des Monats“ verliehen? Christian Richters Rückblick auf den Januar 2010.
Das Thema des Monats
Das Land ist wieder auf der Suche nach einem neuen Gesangstalent, denn «Deutschland sucht den Superstar» ist zurück. Wie schon in den vergangenen Staffeln sorgten die Castings für sensationelle Quoten und viele witzige Momente. Allerdings macht das Zuschauen immer weniger Spaß. Nicht nur, dass die Vorstellung der Kandidaten seit der stärkeren Doku-Soap-Ausrichtung des Formates endlos lang waren und damit die Anzahl der gezeigten Kandidaten rapide abnahm, sondern viel unangenehmer war es zu sehen, wie die Macher mit ihren Kandidaten umgingen. Die Manipulation der Bilder hatte in der aktuellen Staffel einen neuen Tiefpunkt erreicht. Diese beschränkte sich nicht nur auf die unzähligen, teilweise überflüssigen Animationen und Einblendungen, sondern auch auf den Schnitt der Auftritte. Wer genau darauf achtete, erkannte wie stark die einzelnen Clips zusammengestückelt waren. Die Kommentare und Bilder der Jury stammten teilweise deutlich erkennbar aus anderen Situationen oder waren lediglich Aufnahmen aus den Drehpausen.
Die Sätze der Kandidaten wurden zerhackt und neu zusammengesetzt und Sprechpausen sowie schiefe Töne wurden nachträglich verlängert und in neuem Sinn dargestellt. Das alles nur, um die Kandidaten öffentlich vorzuführen und die Schadenfreude des Zuschauers zu provozieren. Dies setzte sich auch in vielen Einspielfilmen fort. Wenn etwa der sexuell unerfahrene Christian Brauer befragt wird, wie er Nina Eichinger ausziehen würde und dabei ungelenke Liegestützen machte, Scooter-Fan Andreas Gerlich in der Badewanne gezeigt wurde oder Cowboy Bernd Martini auf dem Bett liegend seine Lieblingsstellungen aufzählen musste, sollten die Kandidaten nicht persönlich vorgestellt, sondern zur Freude der Zuschauer erniedrigt werden. Das ist besonders mies, wenn die Menschen offenbar nicht einschätzen können, welche Wirkung sie im Fernsehen haben und wie mit ihren Aufnahmen umgegangen wird. Reicht es nicht mehr, dass die Menschen sich nur durch ihr fehlendes Talent lächerlich machen? Ist das nicht witzig genug? Muss man auf diese obendrein gewissenlos eintreten? Bei so viel Schamlosigkeit blieb einem oft das Lachen im Halse stecken.
Die Zahl des Monats
Genau 396 Tage durfte sich Guido Bolten Geschäftsführer des Senders Sat.1 nennen. Zu Beginn des Jahres 2009 trat der vorherige Chef von kabel eins als neuer Hoffnungsträger für den gebeutelten Bällchensender an und sorgte mit der überraschenden Verpflichtung von Johannes B. Kerner und Oliver Pocher für einiges Aufsehen in der Branche. Schnell zeigte sich jedoch, dass deren Sendungen sowie weitere Projekte wie die neue Daily Soap «Eine wie keine» nicht den nötigen Aufschwung brachten. Nach rund einem Jahr wurde Bolten durch den ehemaligen ProSieben-Geschäftsführer und German Free TV Group-Chef Andreas Bartl ersetzt. Man darf gespannt sein, wie lang er seinen Posten behalten kann. Immerhin wechselte der Sender in der Vergangenheit seine Geschäftsführer schneller als Heidi Klum ihre Juroren.
Die Lieblinge des Monats
Das Erste zeigte am 03. Januar den ersten «Tatort» des Jahres 2010. Die Folge «Weil sie böse sind» vom Hessischen Rundfunk überzeugte nicht nur durch die innovative Erzählperspektive aus der Sicht des Täters, sondern vor allem durch die Leistung von Matthias Schweighöfer. Zu Recht gilt das Werk bereits jetzt als der beste «Tatort» des Jahres.
Seit Längerem versteckt RTL II hin und wieder die «Schicksalsreportage» in seinem Programm. Anfang Januar ergänzte der Sender diese Facette um die Reportagereihe «Außergewöhnliche Menschen», in der besondere Persönlichkeiten wie die autistischen Zwillinge Flo und Kay Lyman porträtiert werden. Der Sender traut sich sogar diese sehenswerte Reportagen am Montagabend zur besten Sendezeit zu zeigen. Vor diesem Mut des ehemaligen Party- und Busensenders gehört der Hut gezogen, wenngleich noch nicht zu verstehen ist, wieso diese Reihe ausgerechnet vor dem anspruchslosen «Big Brother» ausgestrahlt wird.
Im Rahmen des Holocaust-Gedenktages wurden zahlreiche Dokumentation über die NS-Zeit gezeigt. Besonders sehenswert war die Reportage «Die Flucht» am 25. Januar 2010 auf 3sat, die den spektakuläre Ausbruch von vier Häftlingen aus dem Konzentrationslager Auschwitz rekonstruierte. Die Ereignisse wurden vom Überlebenden Kazimierz Piechowski derart packend erzählt und mit nachgestellten Filmaufnahmen gekonnt kombiniert, dass der Zuschauer jede Minute der Flucht hautnah miterleben konnte.
Der «Galileo»-Reporter Harro Füllgrabe war am 28. Januar 2010 in der Show von Johannes B. Kerner zu Gast und präsentierte dort das ekligste Essen der Welt. Verfaulte Eier und lebenden Milbenkäse schluckte er ohne zu zögern und äußerst unterhaltsam herunter, während Kerner nicht aufhörte zu wimmern, wie eklig alles sei. Gegen den jungen Kollegen schmierte der Gastgeber total ab und wirkte nur noch blass, altbacken, unspontan und verweichlicht. Vielleicht sollte Sat.1 schnell zugreifen und Füllgrabe das Magazin künftig präsentieren lassen. Er brächte wesentlich mehr Unterhaltungswert in die Sendung und eventuell auch bessere Quoten.
Der Aufreger des Monats
Am 12. Januar 2010 erschütterte ein Erdbeben der Stärke sieben den Staat Haiti. Es dauerte nicht lang bis die Bilder des dortigen Elends das heimische Fernsehen erreichten und eine große Spendenflut auslösten. Immer wieder riefen die großen Sender zum Spenden auf und blendeten unzählige Schrifttafeln mit Kontonummern ein. Das ist wichtig und gut. Es wird jedoch lächerlich, wenn diese Spendenaufrufe derart ungünstig platziert werden, wie es im «Sat.1-Frühstücksfernsehen» am 21. Januar 2010 geschehen ist. Direkt nach dem Appell an die Zuschauer positionierten die Redakteure das Quiz der Sendung. Die Bilder der bedürftigen Opfer waren kaum verschwunden, als das quirlige Moderationsduo Simone Panteleit und Jan Hahn den Gewinn von 9.000 Euro unters Volk bringen musste. Wäre es nicht sinnvoller gewesen die 9.000 Euro ausnahmsweise nicht an die Zuschauer zu verschenken, sondern selbst zu spenden oder wenigstens eine Pause zwischen den beiden gegensätzlichen Inhalten zu lassen? So wirkte das vorherige Engagement lediglich dekadent und unglaubwürdig.
Der „Haufen des Monats“
Der Preis für den größten Dünnpfiff des Monats erhält im Januar Moderator Oliver Pocher für die Ausgabe seiner Show am 22. Januar 2010. In den vergangenen Monaten ließ er keine Gelegenheit aus, seine Beziehung zu Sandy Meyer-Wölden und deren Schwangerschaft ins Rampenlicht zu zerren und schoss dabei häufig übers Ziel hinaus. Den vorläufigen Höhepunkt dieser peinlichen Ausschlachtung seines Privatlebens präsentierte Pocher nun in seiner Show. Zuerst interviewte er seine Freundin im albernen Kostüm einer alten Klatschreporterin und feierte anschließend mit ihr eine Babyparty, bei der unter anderem auch ein Ultraschall im Studio gemacht wurde. Wahrscheinlich wird Pocher auch die Geburt in seiner Show durchführen lassen. Das Kind kann einem schon jetzt leid tun. Doch damit noch nicht genug. Als Gäste lud er sich drei weitere Schwangere ein: Moderatorin Inge Posmyk (Freundin von Gewichtsheber Matthias Steiner), Soap-Sternchen Susan Sideropoulos sowie Juliette Giegler, deren Freund Nico Schwanz nicht müde wird zu betonen, dass er sich auf seinen kleinen Schwanz freut. Dumm nur, dass Pocher immer wieder die Namen seiner Gäste verwechselte und die Show so endgültig in einer Stunde purem Fremdschämens verwandelte.
Und sonst noch...
...ist «Big Brother» zurück und mit der Sendung eine neue Generation an C-Promis und potentiellen Teilnehmern am «Perfekten Promi-Dinner». Diesmal war RTL II jedoch so clever, dass der Sender Menschen in den Container schickte, die sich schon im Vorfeld im deutschen Fernsehen lächerlich gemacht haben. So zogen Ex-«Supertalent»-Kandidaten, Ex-«Germany’s Next Topmodel»-Bewerberinnen, ehemalige «DSDS»-Casting-Opfer und die Mutter von Reality-Sternchen Daniela Katzenberger («Goodbye Deutschland», «Auf und davon») ins Haus. Bei dieser Zusammenstellung graut es einem schon jetzt vor den weiteren Kandidaten. Angesichts dieser geballten Zusammenstellung wird sicher auch Nico Schwanz nicht lang auf sich warten lassen.