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Keine Frage, eine Late-Night steht und fällt mit der Persönlichkeit des Gastgebers. Bis jetzt sind in Deutschland wesentlich ältere Talker erfolgreich, nämlich Harald Schmidt (+21 Jahre) und Stefan Raab (+12 Jahre). Doch auch Pocher ist mit seinen 31 Jahren längst kein Newcomer mehr. Seit über fünfzehn Jahren steht er auf der Bühne, zwölf davon im Fernsehen. Sein Talent dafür ist unbestritten: seine Schlagfertigkeit, seine unverfrorenen Tabuverletzungen und seine Art, Menschen vorzuführen. Doch um eine Late-Night zu stemmen, reicht Talent allein nicht aus. Jetzt ist Pocher nicht mehr nur der Stand-up-Comedian, der nach ein paar Gags die Bühne verlassen kann. Jetzt ist er der Gastgeber, der eine Haltung braucht und einen Spannungsbogen in die Sendung tragen muss. Und das gelingt ihm – frei heraus gesagt – nicht im Ansatz.
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Im Pre-Show-Act „Stand up“ wird Stargast Bushido vorgestellt. Pochers Weischenberg-Parodie „Sylvia Constanze von Weischenhirn“ befummelt Bushido beim Interview so lange, bis dieser entnervt das Handtuch wirft und geht. Während des kompletten Sketches ist der Zuschauer hin- und hergerissen: Wird er Zeuge einer brillanten Performance, die Bushidos Machotum aufdeckt? Oder ist die Idee eher zufällig entstanden und nervt sowohl Bushido als auch den Zuschauer? Genauso bei der Figur Sylvia Constanze von Weischenheim, auch hier schwankt man zwischen „ganz gut getroffen“ und „platt“ – und bleibt bei „platt“ hängen. Die Krise der deutschen Comedy mit ihren albernen, lebensfernen Gags ist deutlich zu spüren.
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Der zweite Gast ist Rolf Scheider, ehemaliges Jurymitglied von «Germany’s Next Topmodel» und Topmodel-Runner-up Anni Wendler. Gemeinsam mit Bushido fungieren sie als Jury, wenn sich am Ende der Sendung weibliche Studiogäste zwischen 18 und 28 Jahren auf dem Laufsteg präsentieren. Da alle realistisch betrachtet null Chancen auf eine Modelkarriere haben, entstehen beim Zuschauer sehr ambivalente Gefühle. Pocher führt diese „Opfer-Mädchen“ bewusst vor und bringt sie in eine Situation, in die kein Zuschauer jemals kommen möchte. Ein gutes Beispiel für die mangelnde Metaphorik und unklare Wertehaltung der Sendung. Da stellt sich die Frage, warum sich ein offensichtlich talentierter Moderator, der früh Erfolge feiern durfte, einfach nicht weiter entwickelt?
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Mal kurz zu den Zahlen: Natürlich lief die Sendung auch nicht gut. Der Marktanteil in der Zielgruppe 14 bis 49 Jahre lag bei 9,2 Prozent, was einer Reichweite von etwa 950.000 Zuschauern entspricht. Insgesamt kommt die Oliver Pocher Show seit Beginn auf einen Marktanteil von 8,9 Prozent - mit fallender Tendenz. Und das heißt: Es kann nicht alles beim Alten bleiben.
Pocher muss aufhören, wie ein traumatisierter Talentling in einer mittlerweile eh fast tabufreien Welt herumzufrecheln. Früher Erfolg und frühkindliche Bibelmissionsaufgaben sind keine Entschuldigung, für immer stehen zu bleiben. Wenn Oliver Pocher innerhalb der Branche erwachsen werden will, muss er das jetzt tun. Viele Fans würden es ihm gönnen, sein Talent weiterzuentwickeln. Über den Status des Stand-Up-Quickies hinaus kluge Ideen, Gedanken und Emotionen auszuleben und seine Zuschauer zu inspirieren. Doch der erste Schritt muss von ihm kommen. Also entweder: Ärmel hoch, Albernheit weg und intelligente Comedy mit Menschlichkeit paaren. Oder: Gute Nacht, Peter Oliver Pan.