Zahlreiche Veränderungen begleiteten «Die Oliver Pocher Show» seit ihrem Beginn im Oktober letzten Jahres. Quotenmeter.de-Redakteur Jürgen Kirsch unterzog Anspruch und Wirklichkeit der Show vor Ort einer genauen Prüfung.
Seine große Stärke ist der spontane Witz – ganz klar: Die Rede ist von Oliver Pocher. Fast wie bei keinem Zweiten ist sein komödiantisches Talent auf diese Spontaneität begründet. Der schnelle, direkte Wortwitz, welcher auch mal unter die die Gürtellinie geht, zeichnet ihn aus. Für seine Late-Night-Show in Sat.1 konnte er diese Eigenheit bislang nur teilweise ausspielen. Am 2. Oktober 2009 startete «Die Oliver Pocher Show» beim Bällchensender. Im nagelneuen Studio des ehemaligen Kölner Residenz Theaters erzählte Oliver Pocher damals voller Vorfreude über seine neue Sendung. Fünf Monate später besuchte Quotenmeter.de die Comedyshow des gebürtigen Hannoveraners erneut. Was ist aus der Late-Night geworden, die sich von anderen Shows des Genres unterscheiden wollte? Wie ist es um die Inhalte bestellt? Mit zuletzt nur noch rund 6 Prozent Marktanteil in der wichtigen Zielgruppe schwächelte das Show-Format schon seit Wochen. Wo liegen also die Schwachpunkte? Beim Sender gab es personelle Fluktuationen: Guido Bolten, der Oliver Pocher exklusiv von Altmeister Harald Schmidt bei der ARD zu Sat.1 geholt hatte, ist heute nicht mehr im Amt. Aber auch bei Pochers Show selbst lassen sich auf Anhieb jede Menge Veränderungen ausmachen. Das Studio hat sich genauso gewandelt wie Ablauf und Inhalte der Sendung. Der hölzerne Schreibtisch mit der seitlichen Aufschrift „Tisch“ ist einer weißen Couch gewichen. Wohnzimmer-Atmosphäre statt klassischem Late-Night-Stil. Das birgt eine gewisse Nähe zum Publikum, das Oliver Pocher beim Betreten des Studios auch – zumindest die vorderen Reihen – herzlich per Handschlag begrüßt. So wird zumindest eine gewisse Distanz überwunden, der Zuschauer fühlt sich mitten im Geschehen. Aber auch in der anderen Studioecke gab es Veränderungen: Die Show-Band ist nicht mehr da. An ihrem Platz findet sich eine große Disco-Kugel, vor der DJane Miss Leema aus Hamburg ein wenig Musik für die Übergänge zur Werbung auflegt. Von der Überraschungs-Ausgabe der «Oliver Pocher Show» ist sie haften geblieben und kommt als einzige die Showtreppe hinunter. Vor jener warten die neuen Sidekicks: Die „Babys“ Kalle und Ralle, wie sie neulich erst getauft wurden, sind seit der Schwangerschafts-Spezialshow dabei. In den ersten Shows hatte noch Pochers Vater in der ersten Reihe Platz genommen.
Alles neu – so könnte man sagen, denn vor fünf Monaten hatte das Studio noch ein anderes Bild abgegeben. Da ist es wenig verwunderlich, wenn die einzelnen Sendungen auch nach einem Motto gestaltet werden – diesmal Karneval. Doch schon hier klafft zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine Lücke. Es ist das beste Beispiel für den Wandel der Late-Night von Oliver Pocher. Zwar kündigt dieser eine Karnevals-Ausgabe an, doch mehr als ein kurzer Wortwechsel darüber mit dem späteren Gast DJ Bobo kommt schließlich nicht dabei herum. In diesem Licht sind somit auch die im Oktober 2009 gesteckten Ziele zu sehen, die heute schon wieder verworfen sind. Die steilste Showtreppe Deutschlands verkommt zu einer Requisite. Eine neue Richtung wurde eingeschlagen, das Konzept gekippt, um die Quote zu verbessern. Frenetischen Applaus bekommt Oliver Pocher von den fast 300 Zuschauern vor Ort im alten Residenz Theater mitten im Kölner Medienzentrum. Der Jubel wurde vor der Aufzeichnung mit dem Warm-Upper Christian Oberfuchshuber auch ausgiebig geübt. Eine junge Zuschauerin in Pochers Studio verrät im Small-Talk mit dem Anheizer, dass ihr Vater, der Kameramann, sie zu einem Familienausflug in die Show angespornt habe. In der zweiten Reihe nimmt ein Sicherheitsmann Platz. Restlos ausverkauft ist die Show auch nicht. Der Stimmung tut dies keinen Abbruch. Das freut den Comedian, der mit seinem Stand-Up beginnt. Schon hier wird deutlich, welche Richtung die neue «Oliver Pocher Show» nimmt.
Aufgrund der vielen Einspieler mag man an eine Ausrichtung hin zur Marke «Rent a Pocher», weg von der klassischen Late-Night denken. Eine Videobotschaft für Boris Beckers Nachwuchs, ein witziger Clip zu Bierhoffs Vertragsverlängerungs-Forderungen samt Löw-Parodie, eine von Pocher gespielte Ansprache der Angie Merkel für Mario Barth und Valentinstagsgeschenke von Promis – die Einspieler sind großartig. Der Einstieg mit frechen Sprüchen der „Babys“ im kurzen Talk und einer ganz gut umgesetzten Falco-Performance des für Beckers Nachwuchs umgedichteten Song „Rock Me Amadeus“ ist gelungen. Die ersten zehn Minuten waren unterhaltsam. Werbepause – DJane Miss Leema spielt Musik und Pocher wippt mit. Doch danach muss man sich als Zuschauer im Studio teilweise zum Lachen zwingen, da nutzt auch das Anspornen von Christian Oberfuchshuber nichts. In der Tat scheint sich der Vergleich zu Pochers ehemaligen ProSieben-Sendung im weiteren Verlauf anzubieten. Denn nun zeigt Pocher einen weiteren Einspieler, in dem auf die Thematik der Steuersünder-CD eingegangen wird und DJ Bobo als Verkäufer jener spaßeshalber enttarnt wird. Der Schweizer ist dann auch im Studio zu Gast. Der Talk mit ihm bleibt aber blass, trotz der fröhlichen Art von DJ Bobo. Doch der reine Promo-Talk ist eben nichts Außergewöhnliches mehr, zumal der Musiker mit seinem neuen Album ein paar Tage zuvor schon in einer anderen Late-Night war. Diese Langeweile wollte man eigentlich vermeiden.
Auch ein Manko: Nur zweimal während des längeren Gesprächs blitzt Pochers Fähigkeit zu guten, spontanen Witzen auf. Der nimmt sich nämlich etwas zurück, wie man im Studio unterschwellig mitbekommt. Es folgen weitere Einspieler. Diesmal geht es um seine Parodie des Bushido-Films als "Edusho". Eine weitere MAZ zeigt auch noch Pochers Song als „Straßencobra“. Was auffällt: Bei seinen Parodien – ob Merkel, Löw oder „Edusho“ – gehen immer mal wieder authentische Merkmale in der Sprache der jeweils Parodierten verloren, wenn Pocher plötzlich dabei ertappt wird, unbewusst seine eigene Stimme während der Parodie wieder einzusetzen. Das hält ihn aber nicht davon ab sich über seine Beiträge zu amüsieren. Gerade dieser zweite Teil der Show – ein Mix aus eingespielten Filmchen und Studio-Talk – macht deutlich: Die geplante Late-Night ist offensichtlich zu einer Comedy-Clip-Show mit Studio-Gästen und Studio-Aktionen geworden. Das ist aber nicht unbedingt schlecht: Gute Ideen sind auf jeden Fall vorhanden. So ist der Mut für Veränderungen lobenswert. Da man keine klassische Late-Night mehr machen möchte, muss man sich Neues einfallen lassen, was auch gut gelingt. Die „Babys“ als Sidekick des kürzlich Vater gewordenen Pochers zu installieren, war sicherlich nicht falsch. Sie haben teils noch bessere Sprüche drauf als der Gastgeber. Zumal auch die spontane Interaktion mit ihnen für den Komiker eine Paraderolle ist. Doch dies ist noch ausbaufähig – genauso wie die Kommunikation mit den Zuschauern, welche Pocher ebenfalls liegt. Oder man verstärkt Ideen wie das Fußball-Casting (für das Benefizspiel gegen Haitis Nationalelf) in der Show. Bei jenem mussten drei Kandidaten einen aufgebauten Parcours durchlaufen. Zwei Bewerber krachten in die Studio-Deko, was für das Publikum urkomisch aussah. Eine gelungene Aktion, die Spaß machte und auch noch das Highlight der Show darstellte. Auch DJ Bobo wurde in die Aktivität mit einbezogen - Pocher hatte ihm die Regeln des Spielchens in der Werbung schnell zugeflüstert.
Man merkt: Potenzial ist vorhanden. Doch insgesamt ist noch etwas Sand im Getriebe. Da klappt auch nicht alles auf Anhieb: Die „Amadeus“-Nummer machte Pocher gleich zweimal, weil Chefautor Peter Rütten die vorgefertigte Pappe nicht schnell genug gewechselt hatte. Beim Aufkleben von Pfeilen auf dem Studioboden für den Fußball-Parcours musste auch nachgebessert werden. Und die Vorklappe für die letzte Werbepause von «Pastewka» im Vorprogramm verhaspelte Oliver Pocher selbst - beim dritten Anlauf war sie im Kasten. „Für Sat.1 reicht es“, so Pocher flapsig auf den Hinweis aus der Regie, dass er lieber „Gleich geht’s los“ statt „Jetzt geht’s los“ gesagt hätte. Kleine Fehler, die bei einer Aufzeichnung eben so passieren. Aus gegebenen Anlässen - wie einer Fußball-Weltmeisterschaft - möchte Pocher aber auch live senden. Da muss dann aber jedes Rad ins andere greifen. Vielleicht aber verhelfen ein Live-Sendungs-Charakter und die zusätzliche Motivation zu einer besseren Show. Etwas mehr Schwung würde der «Oliver Pocher Show» gut tun. Denn außer guten Einspielern und einer lustigen Studio-Aktion bleibt die Sendung unspektakulär träge und bietet nichts, was sich in den Köpfen festsetzt oder für Gesprächsstoff sorgt. Daran muss man weiter arbeiten, um den Ansprüchen gerecht zu werden. Die Suche nach dem richtigen Konzept scheint noch nicht abgeschlossen. Zumindest einer Linie blieb man treu: Pochers Gäste werden aktiv in die Show eingebunden. So sang der Moderator zusammen mit Chulcha Candela a cappella. DJ Bobo durfte im Vordergrund tanzen. Ein bunter Abschluss. „Wenn es Ihnen gefallen hat, kommen Sie gerne wieder. Wenn nicht, gehen Sie zu «TV total»“, witzelte Oliver Pocher nach der Aufzeichnung. In Wirklichkeit werden solche Töne in der «Oliver Pocher Show» leider allzu oft vermisst.